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Antizionismus und Antisemitismus im Linksextremismus
Von Dr. Udo Baron, Hannover¹
6 Antiimperialisten versus Antideutsche – Autonome zwischen Antizionismus /Antisemitismus und Israelbegeisterung
Zu Beginn der 1990er-Jahre veränderte sich die linksextremistische Szene. Das seit dem Untergang der DDR und der Sowjetunion 1989/90 den bundesrepublikanischen Linksextremismus dominierende autonome Spektrum spaltete sich in zwei Lager: zum einen in die antiimperialistisch ausgerichteten Autonomen und zum anderen in die antideutsch ausgerichteten Autonomen. Erstere stehen dem jüdischen Staat kritisch bis ablehnend gegenüber. Im Staat Israel sehen sie in erster Linie den Repräsentanten des US-amerikanischen Kapitalismus und Imperialismus im Nahen Osten. Ihm unterstellen sie, die arabische bzw. palästinensische Welt auszubeuten und zu unterdrücken. Zugleich setzen sie israelische Militäraktionen mit den Taten der Nationalsozialisten gleich und bezeichnen Israel als einen Apartheidstaat. Aus diesem Grunde solidarisieren sie sich mit den Palästinensern und nehmen eine einseitig pro arabische bzw. pro-palästinensische Grundposition ein. In ihrer antizionistischen Grundhaltung kritisieren sie die Außen- und Sicherheitspolitik des Staates Israel massiv, manche von ihnen fordern gar dessen Auflösung. Vor allem die am 9.7.2005 von 171 palästinensischen zivilgesellschaftlichen Organisationen gegründete israelfeindliche Kampagne „Boycott, Divestment and Sanctions“ (BDS), die auch von Linksextremisten unterstützt wird, ruft zum wirtschaftlichen und kulturellen Boykott Israels und seiner Produkte auf. Ihr Ziel ist es, den israelischen Staat weltweit zu isolieren, um die „Besetzung und Kolonisation allen arabischen Landes“ zu beenden.
Ihnen gegenüber stehen die Antideutschen. Sie gehen zurück auf die unmittelbare Zeit nach dem Mauerfall, als sich autonome Antifas, Mitglieder des Kommunistischen Bundes (KB), ehemalige Grüne und Redaktionsmitglieder der Zeitung „Arbeiterkampf“ und der Zeitschrift „Konkret“ zur „Radikalen Linken“ zusammengeschlossen haben. Im Zuge der deutschen Einheit befürchteten diese sich als „antideutsch“ bzw. „antinational“ verstehenden Autonomen ein großdeutsches „IV. Reich“, das als Hegemonialmacht in Europa einen neuerlichen Holocaust an seinen jüdischen Mitbürgern vollziehen würde. Als Ursache meinten sie einen dem deutschen Volk inhärenten und nicht zu überwindenden Antisemitismus ausgemacht zu haben. Sie lehnen aus diesem Grunde bis heute nicht nur die deutsche Einheit vehement ab, sondern auch einen deutschen Nationalstaat und fordern dessen Auflösung.14
Stießen die Antideutschen mit dieser Einstellung innerhalb der autonomen Szene noch weitgehend auf Zustimmung, so kam es mit Beginn des zweiten Golfkrieges Anfang 1991 zu nachhaltigen Zerwürfnissen innerhalb der autonomen Szene über die Haltung des autonomen Spektrums zum Staat Israel und seiner Schutzmacht, den USA. Den Hintergrund bildete die Gleichgültigkeit linksextremistischer Demonstranten gegenüber den irakischen Luftangriffen auf Israel. Angeführt von der Zeitschrift „Konkret“ und Teilen des KB solidarisieren sich die Antideutschen vor dem Hintergrund des Holocaust an den europäischen Juden und der Ablehnung eines fundamentalistischen Islamismus uneingeschränkt mit dem Staat Israel und qualifizieren jegliche Kritik an der israelischen Regierung als antisemitisch ab. Die islamistischen und nationalistischen Gegner Israels gelten ihnen als die gegenwärtigen faschistischen und judenfeindlichen Protagonisten. Im linksextremistischen Umfeld traten die Antideutschen von nun an verstärkt durch Antisemitismusvorwürfe gegen sich als „antiimperialistisch“ verstehende autonome Gruppierungen hervor.15 Unter dem Eindruck des Afghanistankonflikts und des dritten Golfkrieges befürworteten Antideutsche nicht nur die Existenz von Armeen, sondern auch militärische Aktionen der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak – eine für Autonome ungewöhnliche Haltung, da sie prinzipiell staatliche Strukturen, Institutionen und Repräsentanten ebenso ablehnen wie jegliche Form von Militär. Im Zuge dessen kam es zum Bruch zwischen den Antideutschen, die bis heute eine Minderheitenposition innerhalb des autonomen Spektrums darstellen, und den die autonome Szene dominierenden sogenannten Antiimperialisten mit ihrer ausgeprägten antiwestlichen, insbesondere antiamerikanischen und antiisraelischen Haltung.16
Haben sich Antideutsche und Antiimperialisten in den letzten Jahren wieder angenähert, so haben die Spannungen zwischen beiden Ausrichtungen in der jüngsten Zeit aufgrund des erneuten Nahost-Krieges wieder zugenommen. Während sich die antideutsche Szene erneut bedingungslos mit dem Staat Israel und seinen Bürgerinnen und Bürgern auch durch die Teilnahme an pro-israelischen Demonstrationen solidarisierte, ergriffen die Antiimperialisten reflexartig Partei für die Palästinenser. Sie beteiligten sich ebenso wie die dogmatischen Linksextremisten z.B. aus der DKP an den bundesweiten Solidaritätsdemonstrationen für die Palästinenser, kritisierten dabei Israel vehement unter Ausblendung der Verbrechen der Hamas als „rassistischen Apartheidstaat“ und warfen dem jüdischen Staat einen „Genozid“ an den Palästinensern vor. Ein aktuelles Fallbeispiel ist die „Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz“ vom 13.1.2024 in Berlin. Bei dieser Veranstaltung vorwiegend dogmatischer Linksextremisten stand die Palästinasolidarität mit israelfeindlichen Positionen im Mittelpunkt. So waren auch Sympathisanten der Hamas unter den Teilnehmern. Vertreter der 2018 von ehemaligen Mitgliedern der DKP und SDAJ wegen fehlender revolutionärer Perspektive gegründeten „Kommunistischen Organisation“ (KO) sollen die Auflösung des „zionistischen Staates Israel“ gefordert haben.17
An der am 14.1.2024 in Berlin stattgefunden „Liebknecht-Luxemburg-Demonstration“ skandierten u.a. auch Linksextremisten israelfeindliche Parolen wie „From the river to the sea – Palestine will be free“18 oder „Yemen, Yemen make us proud! Turn another ship around!“19 Der Widerstand gegen Israel wurde als „antiimperialistischer Befreiungskampf“ verklärt, ferner konnte eine zunehmende Vernetzung zwischen Linksextremisten und propalästinensischen Akteuren beobachtet werden.
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