Vermögensabschöpfung im kriminalpolizeilichen Alltag

8.2 Vermögensarrest

Sofern die Einziehung des Wertes von Taterträgen anzuordnen ist, kommt eine vorläufige Sicherung durch einen Vermögensarrest gemäß § 111e StPO in Betracht. Die Vorschriften zum strafprozessualen Arrest wurden durch die Reform zwar verschlankt, indem der Arrestgrund durch die Streichung des Verweises auf § 917 ZPO (§ 111d Abs. 2 StPO a. F.) abgeschafft wurde25 und die starren Fristen für Arreste auf der Grundlage eines Anfangsverdachts (§ 111b Abs. 3 StPO a.F.) entfallen sind. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit werden aber die zu diesen Punkten nach altem Recht angestellten Erwägungen weiterhin von Bedeutung sein. Ohne ein Sicherungsbedürfnis des Staates ist ein Eingriff in die Rechte des möglichen Einziehungsbetroffenen nicht zulässig. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass durch das vorgeworfene strafbare Verhalten die Grundannahme, eine Person werde sich zumindest insoweit gesetzestreu verhalten, als die Grenzen des Strafrechts nicht überschritten werden, erschüttert ist.26 Die Anordnungskompetenz liegt beim zuständigen Gericht und – bei Gefahr im Verzug – bei der Staatsanwaltschaft, § 111j StPO. In allen Fällen ist frühzeitig an die Möglichkeit eines Vermögensarrestes zu denken. Es ist die Aufgabe des polizeilichen Sachbearbeiters, sich spätestens bei der Vorbereitung einer Durchsuchung an die vielfach vorhandenen Finanzermittler bzw. Vermögensabschöpfer der Polizei zu wenden, um ein Bekanntwerden des Verfahrens vor Prüfung vorläufiger Maßnahmen zu verhindern. Wenn zunächst nur hinsichtlich eines Teils des Taterlangten eine Bezifferung der Summe erfolgen kann, so ist die Sicherung dieses Teilbetrags vorzunehmen und nicht auf eine (jedenfalls hinsichtlich des Erfolgs) ungewisse, spätere Sicherung eines höheren Betrags zu setzen.

Die Vollziehung des Vermögensarrestes und die Verwaltung der gesicherten Vermögenswerte erfolgt durch den Rechtspfleger der Staatsanwaltschaft. Dieser wird, da die Verwaltungszuständigkeit auch beim späteren gerichtlichen Verfahren gemäß § 111m StPO bei der Staatsanwaltschaft verbleibt, einen Arrestvollziehungsband anlegen.

9 Vollstreckung und Berücksichtigung des Verletzten

Erst nach Rechtskraft der Einziehungsanordnung kann der Verletzte im Rahmen der Vollstreckung gemäß §§ 459h, 459j StPO seine Ansprüche, die er aus der Tat hat, anmelden bzw. geltend machen. Dies gilt auch dann, wenn vorläufig Vermögenswerte gesichert werden konnten, diese aber nicht gemäß § 111n StPO herausgegeben wurden. Eine Ausnahme bilden diejenigen öffentlich-rechtlichen Institutionen, die aufgrund des Umstands, dass sie mit dem Mittel eines abgabenrechtlichen Arrests selbst eine vorläufige Sicherung hätten vornehmen können, gemäß § 111h Abs. 2 S. 2 StPO bevorzugt werden. Die Verletzten können im Anschluss an die gemäß § 459i StPO unverzüglich zuzustellende Mitteilung über die Einziehungsanordnung ohne Nachweis ihres (sich aus der Einziehungsanordnung ergebenden) Anspruchs diesen innerhalb von sechs Monaten bei der Staatsanwaltschaft anmelden und erhalten dann aus dem Vollstreckungsergebnis das auf ihre Kosten Erlangte zurück. Reicht dieses allerdings bei mehr als einem Verletzten nicht für eine vollständige Befriedigung der Ansprüche, findet die Verteilung regelmäßig in einem auf Antrag der Staatsanwaltschaft eröffneten Insolvenzverfahren statt. Unabhängig von der Frist können sie durch die Vorlage eines Titels Auskehrung des Verwertungserlöses des Vollstreckungsergebnisses aus der in Bezug auf ihren Anspruch ergangenen Einziehungsanordnung geltend machen.

10 Festnahme und Fahndung

Auch im Rahmen der Vollstreckung kommen auf die Polizei weitere Aufgaben zu. Gemäß § 459g Abs. 3 StPO kann zur Vollstreckung der Einziehungsanordnung auf Antrag des Rechtspflegers der Staatsanwaltschaft die Durchsuchung des Einziehungsbetroffenen angeordnet werden und es kann insoweit auch eine Ausschreibung gemäß § 131 StPO erfolgen. Eine Reihenfolge der Vollstreckungsmaßnahmen ist in der Strafprozessordnung nicht geregelt. § 459b StPO betrifft lediglich den Fall einer Zahlung des Verurteilten ohne Tilgungsbestimmung. Im Falle eines Haftbefehls wegen Ersatzfreiheitsstrafe bei gleichzeitiger Ausschreibung zur Vollstreckung des Einziehungsbetrags gemäß §§ 459g Abs. 3, 111f Abs. 1, 131 Abs. 1 StPO kann daher zunächst hinsichtlich der Einziehungsanordnung (durch Pfändung gemäß § 111f Abs. 1 StPO) vollstreckt werden und danach die Verhaftung erfolgen. Dem Verurteilten muss nicht die Gelegenheit gegeben werden, die Geldstrafe aus dem Taterlangten zu begleichen.

11 Fazit

Die Vermögensabschöpfung hat sich zu einer wichtigen Aufgabe neben der (eigentlichen) Strafverfolgung entwickelt. Das Ziel, die Nutznießung von Verbrechensgewinnen zu unterbinden, wird deutlich besser erreicht als vor der Reform, bedeutet aber auch mehr Aufwand für die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft. Für die (meisten) Verletzten ergibt sich durch die Reform unter dem Strich keine Verbesserung der Situation.

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Anmerkungen

  1. Der Autor ist als Dezernent für Vermögensabschöpfung in Wirtschaftsstrafsachen bei der Staatsanwaltschaft Lübeck tätig. Der Beitrag gibt die persönliche Auffassung des Autors wieder.
  2. BGBl. I 2017, S. 872.
  3. Vgl. Korte wistra 2018, 1, 12, siehe auch schon BT-Drs. 18/9525, S. 4.
  4. BT-Drs. 18/9525, S. 1, 2, 45, 48. Durch das Reformgesetz soll auch die Richtlinie 2014/42/EU in innerstaatliches Recht umgesetzt werden.
  5. „Einziehung“ entspricht dem englischen Begriff „confiscation“, die Übersetzung des im Englischen nicht bekannten Begriffs „Verfall“ verursachte regelmäßig Schwierigkeiten.
  6. Da dieser Beitrag nur Vermögensabschöpfung und nicht Einziehung im Allgemeinen zum Thema hat, wird auf den Inhalt der §§ 74 ff. StGB hier nicht weiter eingegangen.
  7. Der Oberbegriff für die aufgezählten Personen ist der Einziehungsbetroffene. Im Folgenden wird hier der besseren Verständlichkeit wegen überwiegend nur der Täter genannt, da dieser der häufigste Einziehungsbetroffene im kriminalpolizeilichen Alltag ist. Sofern allerdings andere als der Täter Einziehungsbetroffene sein können (Ziff. 4 und 6.2) oder abstrakte Wertungen angesprochen werden (z.B. Ziff. 7), wird vom Einziehungsbetroffenen gesprochen. Im Zusammenhang mit vorläufigen Maßnahmen wird auch – da die Täterschaft noch nicht feststeht – die Bezeichnung der jeweiligen prozessualen Rolle, also Beschuldigter oder Einziehungsbeteiligter, verwendet.
  8. Dazu, dass bereits im Versuchsstadium etwas durch die Tat erlangt worden sein kann, siehe OLG Schleswig vom 8.1.2002 – 1 Ws 407/01 – BeckRS 2014, 46352. Auch bei gemäß § 30 StGB strafbaren Vorbereitungshandlungen kann bereits etwas für die Tat erlangt worden sein.
  9. Vgl. Köhler NStZ 2017, 497, Fn. 87. Anderer Auffassung zur alten Rechtslage Leipziger Kommentar-StGB-Schmidt, 12. Auflage 2010, § 73 Rn. 46.
  10. Ausführlich zur Bestimmung des Erlangten und dem Begriff der Aufwendung im Sinne des § 73d StGB Rettke vorgesehen für wistra 6/2018, 234.
  11. Vgl. BVerfG vom 1.6.2015 – 2 BvR 67/15, NStZ-RR 2015, 335.
  12. Diese in § 437 StPO für die Situation des § 76a Abs. 4 StGB (siehe Ziff. 6.2) genannten Maßstäbe finden im Rahmen der Einziehung gemäß § 73a Abs. 1 StGB, die den Nachweis zumindest einer Straftat voraussetzt, erst recht Anwendung.
  13. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 16.12.2013, aufgerufen auf www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf, S. 101: „Wir regeln, dass bei Vermögen unklarer Herkunft verfassungskonform eine Beweislastumkehr gilt, sodass der legale Erwerb der Vermögenswerte nachgewiesen werden muss.“
  14. Nur bei Einigkeit der Staatsanwaltschaft und des Gerichts kann ein Absehen von der Einziehungsanordnung erfolgen. Ein Beispiel für ein Betreiben der Einziehung gegen den erklärten Willen der Staatsanwaltschaft findet sich bei AG Kehl vom 28.11.2017 – 3 Cs 308 Js 10383/17 – juris, Rn. 8.
  15. Korte wistra 2018, 1, 10; Köhler/Burkhard NStZ 2017, 665, 675, Rettke wistra 2017, 417, 417.
  16. Ggfls. kann zumindest ein Mindesttaterlangtes gemäß § 73d Abs. 2 StGB geschätzt werden.
  17. BT-Drs. 18/9525, S. 87. Der einzige weitere dort genannte Fall des Betrugs zum Nachteil der Sozialkassen mit vergleichsweise niedrigem Schaden ist aufgrund der Besonderheit der Möglichkeit der Einbehaltung zukünftiger Leistungen nicht verallgemeinerbar.
  18. Auch bei öffentlich-rechtlichen Institutionen als Verletzten ist einzuziehen, vgl. Reh NZWiSt 2018, 20, 21. Insbesondere die Frage, ob eine Einziehung zu Gunsten des Fiskus geboten sei, wurde im Gesetzgebungsverfahren ausführlich diskutiert und bejaht, vgl. BT-Drs. 18/10146, S. 13 f.; BT-Drs. 18/11640, S. 76 f.
  19. Ansonsten wäre von einer voraussetzungslosen, also gänzlich ins freie Ermessen der Staatsanwaltschaft gestellten Möglichkeit des Absehens aus Opportunitätsgründen auszugehen. Eine solche ist der Strafprozessordnung fremd.
  20. Vgl. Löwe-Rosenberg-Menges, StPO, 26. Aufl. 2014, § 94 Rn. 44, § 98 Rn. 35, 38.
  21. Diese Regelung findet sich nicht etwa in § 111n Abs. 3 S. 2 StPO, so dass man annehmen könnte, sie bezöge sich nur auf die Herausgabe an andere als den Verletzten. Bei der Übernahme des vom Bundestag am 23.3.2017 beschlossenen Textes (BR-Drs. 237/17, S. 19) zum Bundesgesetzblatt (BGBl. I 2017, S. 881) ist lediglich – wie sich auch aus dem Schriftbild im Übrigen ergibt – der Abdruck der „(4)“ versehentlich unterlassen worden.
  22. Ob insoweit generalisierte Herausgabeentscheidungen durch die (General-)Staatsanwaltschaften, z.B. – bei Zustimmung des Beschuldigten zur Rückgabe an den mutmaßlichen Eigentümer – für die Fälle des Betreffens auf frischer Tat, bei Sachen von geringem Wert oder bei Sachen, deren baldiger Verderb droht, getroffen werden, ist noch nicht abzusehen.
  23. Zur funktionellen Zuständigkeit im Bereich der Vermögensabschöpfung siehe Rettke SchlHA 2018, 10.
  24. Eine Notveräußerung ist jedenfalls ab einem drohenden Wertverlust von 10% vorzunehmen, BT-Drs. 18/9525, S. 85. Da die Notveräußerung dem Schutz des Betroffenen bzw. Eigentümers dient, kann eine verspätete Notveräußerung möglicherweise Ersatzansprüche auslösen.
  25. Soweit teilweise aus der Formulierung „zur Sicherung der Vollstreckung“ auf das Erfordernis eines dem Arrestgrund entsprechenden Sicherungsbedürfnisses geschlossen wird, weist Meißner KriPoZ 2017, 237, 242 zutreffend darauf hin, dass es in § 111b Abs. 2 StPO a.F. eine ähnliche Formulierung („zu deren Sicherung“) gab, ohne dass hieraus auf ein besonderes Sicherungsbedürfnis geschlossen worden wäre.
  26. Vgl. zur Verhältnismäßigkeit eines Vermögensarrests Rettke wistra 2017, 417, 420 f.