Strafrechtliche Rechtsprechungsübersicht

§§ 176 Abs. 1, 184h Nr. 1 StGB – Sexueller Missbrauch von Kindern, § 186 StGB – Üble Nachrede; hier: Nachlässigkeit eines Polizisten, § 222 StGB – Fahrlässige Tötung; hier: Betreiben einer Handelsplattform, § 242 StGB – Diebstahl; hier: Selbstbedienungsladen, vollendete Wegnahme (...)

 

II Prozessuales Strafrecht

 

§ 81b Alt. 2 StPO; §§ 184b, 184c StGB aF; § 184b StGB – Erkennungsdienstliche Maßnahmen; hier: Verdacht auf Besitz kinderpornografischer Dateien. Mit Strafbefehl des AG Zerbst wurde der K wegen Besitzes kinder- und jugendpornografischer Schriften zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Bei K wurde die ED-Behandlung, Anfertigung von Lichtbildern (Portrait, Profil, Halbprofil, Ganzaufnahme), Abnahme von Fingerabdrücken (einschließlich Handflächen und -kanten), Messung von Gewicht, Körpergröße und Schuhgröße sowie die Anfertigung einer Personenbeschreibung angeordnet.

Sexualdelikte sind regelmäßig von einer besonderen Veranlagung oder Neigung des Täters geprägt, weswegen bereits bei der einmaligen Begehung die Gefahr der Wiederholung gegeben sein kann. Für die Gefahr der erneuten Begehung von Straftaten nach §§ 184b Abs. 4 S. 2, 184c Abs. 4 S. 1 StGB aF, spricht, wenn der Betroffene über einen unbekannten Zeitraum eine Vielzahl von Bild- und Videodateien mit kinder- oder jugendpornografischem Inhalt angesammelt hat. Dagegen lässt sich die Notwendigkeit einer ED-Behandlung nicht (zusätzlich) damit begründen, dass bei Personen, die kinder- und jugendpornografische Darstellungen konsumieren, nicht auszuschließen sei, dass sie sich auch des sexuellen Missbrauchs von Kindern oder Jugendlichen (§§ 176 f., 182 StGB) schuldig machen werden (a.A. VGH München, Beschl. v. 5.11.2012 – 10 CS 12.1855). Zur Frage, ob Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass der Verurteilte künftig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potenzieller Beteiligter einer noch aufzuklärenden Straftat einbezogen werden könnte, lässt sich einem nach Ablauf der Bewährungszeit ausgesprochenen Straferlass keine Aussage entnehmen. Bei Anordnung einer ED-Behandlung sind die konkret angeordneten Maßnahmen nicht als „Gesamtpaket“, sondern im Einzelnen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen; prinzipiell muss sich jede verfügte Einzelmaßnahme als gesonderter Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung am Übermaßverbot rechtfertigen lassen können. Besteht die Anlasstat im Besitz kinder- und jugendpornografischer Dateien, sind insbesondere Finger- und Handflächenabdrücke geeignet, auch für Ermittlungen im Zusammenhang mit so genannten Onlinedelikten eine Hilfestellung zu bieten. Auch der Fertigung von Lichtbildern, einer Personenbeschreibung sowie der Messung der Körpergröße kommt in diesem Zusammenhang eine Bedeutung zu. Die Messung von Gewicht und Schuhgröße wird bei solchen Anlasstaten von Bedeutung sein, bei denen etwa anhand von Fußabdruckspuren Rückschlüsse auf die Schuhgröße und anhand ihrer Tiefe Rückschluss auf das Gewicht des Spurenlegers gezogen werden, so dass mithilfe dieser Merkmale im Einzelfall Tatverdächtige als Täter ermittelt oder ausgeschlossen werden können. (OVG Magdeburg, Beschl. v. 8.3.2019 – 3 L 238/17)


§ 102 StPO – Durchsuchung beim Beschuldigten; hier: Unverhältnismäßig und mangelhaft begründet, Verdacht, möglicher Besitz kinder- oder jugendpornografischer Dateien. Bei der Auswertung sichergestellter Speichermedien in einem gegen zwei andere Personen wegen des Verdachts der Verbreitung, des Erwerbs und des Besitzes kinderpornografischer Schriften (§ 184b StGB) geführten Ermittlungsverfahren wurden auf einer der sichergestellten Festplatten 43 E-Mail-Nachrichten mit Bild- und Videodateien aufgefunden, die die Ermittlungsbehörden als kinder- und jugendpornografisch einstuften. Eine dieser E-Mails konnte aufgrund einer Providerauskunft dem Beschwerdeführer (Bf) zugeordnet werden. Auf Antrag der StA ordnete das AG Frankfurt a. M. gem. § 102 StPO die Durchsuchung der Wohnung des Bf. zum Zwecke der Auffindung von Computern, Speichermedien, internetfähigen Mobiltelefonen, Multimediaplayern sowie von Unterlagen mit Hinweisen auf Passwörter, externe Datenspeicher oder E-Mail-Postfächer an.

Soll der Anfangsverdacht für die Begehung von Straftaten nach §§ 184b, 184c StGB auf den möglichen Besitz kinder- oder jugendpornografischer Dateien gestützt werden, der lange Zeit zurückliegt (hier: achteinhalb Jahre), so verlangt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angesichts der besonderen Umstände des Falls eine nähere Begründung in einem Durchsuchungs- oder Bestätigungsbeschluss für die Annahme einer dauerhaften Störung der Sexualpräferenz des Betroffenen. Notwendig ist, dass sachlich zureichende, plausible Gründe dafür existieren, weshalb sich der Bf. in nicht verjährter Zeit im Besitz von jugend- oder sogar kinderpornografischen Schriften befunden haben und sich solche Schriften auch heute noch bei ihm auffinden lassen sollen. (BVerfG, Beschl. v. 20.11.2019 – 2 BvR 31/19, 2 BvR 886/19)


§ 267 StPO – Urteilsgründe; hier: (Über)lange Verfahrensdauer. Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung lag die Tat rund 5 Jahre zurücklag.

Eine überdurchschnittlich lange Verfahrensdauer ist ungeachtet eines geringeren Strafbedürfnisses aufgrund des zeitlichen Abstands zwischen Tatbegehung und Urteil und eines gewährten Vollstreckungsabschlags bei der Strafzumessung zu berücksichtigen und stellt einen bestimmenden Strafzumessungsgrund im Sinne des § 267 Abs. 3 S. 1 StPO dar. (BGH, Beschl. v. 5.10.2017 – 2 StR 573/16)

 

 

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