Strafrechtliche Rechtsprechungsübersicht

Wir bieten Ihnen einen Überblick über strafrechtliche Entscheidungen, welche überwiegend – jedoch nicht ausschließlich – für die kriminalpolizeiliche Arbeit von Bedeutung sind. Im Anschluss an eine Kurzdarstellung ist das Aktenzeichen zitiert, so dass eine Recherche möglich ist

 

II Prozessuales Strafrecht

 


§§ 102, 105 StPO – Wohnungsdurchsuchung; hier: (Kein) kriminalistischer Erfahrungssatz bei Eigenkonsum. Der B fuhr zweimal mit seinem Pkw unter Amphetamineinfluss. Eine durchgeführte Durchsuchung des Pkw verlief negativ. Ein gegen B wegen dieser Vorfälle geführtes Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. Nachdem er erneut beim Fahren unter Amphetamineinfluss angetroffen wurde, beantragte die Staatsanwaltschaft die Durchsuchung seiner Wohnung, weil B nach eigenen Angaben jedes Mal Cannabis und darüber hinaus – tatsächlich belegt – Amphetamine konsumiert habe. Der Ermittlungsrichter lehnte den Antrag ab.

Es lag kein Verdacht im Sinne des § 102 StPO vor, der auf konkreten Tatsachen beruht. Vielmehr stelle sich das Ergebnis der Ermittlungen als bloße Vermutung dar, dass der B Betäubungsmittel in seiner Wohnung verwahre. Es wurden bei keiner einzigen Verkehrskontrolle Betäubungsmittel aufgefunden. Es gibt keinen kriminalistischen Erfahrungssatz, dass bei Eigenkonsum eine plausible Vermutung formuliert werden kann, dass der Beschuldigte Betäubungsmittel besitzt. (LG Mainz, Beschl. v. 23.9.2019 – 3 Qs 57/19)


§§ 102, 105 StPO – Wohnungsdurchsuchung; hier: Voraussetzungen eines Anfangsverdachts der Geldwäsche. Eine Wohnungsdurchsuchung wegen des Verdachts der Geldwäsche setzt voraus, dass ein Anfangsverdacht nicht nur für die Geldwäschehandlung vorliegt, sondern auch für das Herrühren des Vermögensgegenstands aus einer Katalogvortat im Sinne von § 261 Abs. 1 S. 2 StGB gegeben ist („doppelter Anfangsverdacht“). Für den eine Durchsuchungsanordnung tragenden Anfangsverdacht der Geldwäsche ist zunächst erforderlich, dass konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer bestimmten Geldwäschehandlung bestehen. Zusätzlich müssen nachvollziehbare Anhaltspunkte vorhanden sein, die die Begehung einer der in § 261 Abs. 1 S. 2 StGB genannten Vortaten möglich erscheinen lassen. Dabei ist als Ausfluss des Wohnungsgrundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG die mögliche Katalogtat zu konkretisieren, ohne dass allerdings erforderlich ist, die Geldwäschevortat bereits in ihren Einzelheiten zu kennen. (BVerfG, Beschl. v. 31.1.2020 – 2 BvR 2992/14)


§ 112 Abs. 2 Nrn. 2, 3 StPO – Voraussetzungen der Untersuchungshaft, Haftgründe; hier: Begründungstiefe bezüglich dringenden Tatverdachts. Bei der Anordnung und Aufrechterhaltung von Untersuchungshaft muss dem Spannungsverhältnis zwischen der durch Art. 2 Abs. 2 GG gewährleisteten persönlichen Freiheit des Einzelnen und einer wirksamen Strafverfolgung unter maßgeblicher Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Rechnung getragen werden. Der dringende Tatverdacht muss sich auf konkrete Anhaltspunkte stützen und liegt nur dann vor, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beschuldigte eine Straftat begangen hat. Die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft verletzt Art. 2 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 104 GG, wenn in dem Beschluss dem Beschuldigten kein konkreter Tatbeitrag oder – sollte passives Verhalten für eine Beihilfehandlung ausreichend sein – ein entsprechender Vorsatz zugeordnet wird, sondern im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nicht zwischen den einzelnen Beschuldigten und den ihnen vorgeworfenen Taten differenziert wird. Erforderlich ist die Darlegung einer konkreten Tatbeteiligung eines jeden einzelnen Beschuldigten. Es genügt insoweit auch nicht, wenn die Sachverhaltswürdigung pauschal – und daher nicht näher nachvollziehbar – damit begründet wird, dass sie sich mit „ausreichender Deutlichkeit“ aus den vorliegenden Beweismitteln (hier: Videoaufzeichnung, Zeugenaussagen) ergebe und daneben auf eine rein gruppenbezogene „Gesamtbetrachtung“ abgestellt wurde. (BVerfG, Beschl. v. 9.3.2020 – 2 BvR 103/20)

 

III Sonstiges


Einen sehr gelungenen ersten Überblick über das „Neue Sexualstrafrecht“ bietet ein Aufsatz von Prof. Dr. Elisa Hoven in der NStZ 10/2020, S. 578 - 586. Zum „Elektronischen Taschendiebstahl“ bei Kleinstbetragszahlungen finden Sie einen lesenswerten Beitrag von Dr. Stefan Christoph / Dr. Verena Dorn-Haag in der NStZ 12/2020, S. 697 – 703. Mit der Einziehung von Kraftfahrzeugen bei Straftaten nach § 315d StGB beschäftigt sich eine Abhandlung von Alexander Bleckat in der NStZ 12/2020, S. 715 – 717. Prof. Dr. Fredrik Roggan merkt im StV 5/2020, S. 328 - 332 zur Strafbarkeit des Filmens von Polizeieinsätzen – seine Überlegungen zur Auslegung des Tatbestands von § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB an(s.o. unter I Materielles Strafrecht)an.

 

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