
Strafrechtliche Rechtsprechungsübersicht
§ 183 StGB – Exhibitionistische Handlungen; hier: Auslegung des Begriffs der exhibitionistischen Handlung. § 223 Abs. 1 Alt. 1 StGB – Körperverletzung; hier: Anspucken – Vorsatz hinsichtlich Brechreiz? §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, (§ 250 Abs. 2 Nr. 1) StGB – Gefährliche Körperverletzung; hier: Beschuhter Fuß als anderes gefährliches Werkzeug.(...)
§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 4, (§§ 253, 255) StGB – Gefährliche Körperverletzung; hier: Gemeinschaftlich. Der Angeklagte (A.) – wie zuvor mit dem gesondert Verfolgten E. abgesprochen – agierte als „Lockvogel“. Er führte das Opfer (O.) und dessen Frau an einem Gebüsch vorbei, in dem sich E. und ein weiterer Mittäter versteckt hielten. Beim Passieren der Stelle sprangen E. und der Mittäter, der sich im Folgenden allerdings absprachewidrig passiv verhielt, unvermittelt aus dem Gebüsch, um – wie von Anfang an geplant – O. zu berauben und dabei gegebenenfalls auch Gewalt anzuwenden. Der gesondert Verfolgte E. versetzte dem O. sofort einen Faustschlag und forderte die Herausgabe des mitgeführten Geldes. Der A. beteiligte sich an dem Angriff auf O. nicht eigenhändig; vielmehr brachte er die Ehefrau des O., die fliehen wollte, zu Fall und drohte ihr, er werde „die Knarre“ zücken, wenn sie nicht liegenbleibe.
Der BGH stellte fest, dass es an der gemeinschaftlichen Begehungsweise im Sinne der Vorschrift fehle: Diese Voraussetzung sei nur erfüllt, wenn Täter und Beteiligter bei Begehung der Körperverletzung einverständlich zusammenwirken. Daran fehlt es jedoch, wenn sich – wie hier der O. und seine Frau – mehrere Opfer jeweils nur einem Angreifer ausgesetzt sehen, ohne dass die Positionen ausgetauscht werden. Denn in diesem Fall stehen dem jeweiligen Opfer die Beteiligten gerade nicht gemeinschaftlich gegenüber. Damit fehlt es an dem Grund für die Strafschärfung des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, der in der erhöhten abstrakten Gefährlichkeit der Tat liegt, weil einem Geschädigten mehrere Angreifer körperlich gegenüber stehen und er deshalb in seiner Verteidigungsmöglichkeit tatsächlich oder vermeintlich eingeschränkt ist. (BGH, Beschl. v. 30.06.2015 – 3 StR 171/15)
II. Prozessuales Strafrecht
Art. 6 Europäische Menschenrechtskonvention (MRK) – Recht auf ein faires Verfahren; hier: Rechtsstaatswidrige Provokation. Es bestand ein vager Tatverdacht gegen zwei Männer, diese könnten in Geldwäsche- und Betäubungsmittelstraftaten verstrickt sein. Nachdem eine langfristige Observation sowie umfangreiche Überwachungsmaßnahmen diesen Verdacht nicht bestätigt hatten, setzte die Polizei mehrere verdeckte Ermittler aus Deutschland und den Niederlanden ein, die über einen Zeitraum von mehreren Monaten versuchten, die Beschuldigten dazu zu bringen, ihnen große Mengen „Ecstasy“-Tabletten aus den Niederlanden zu besorgen. Die Beschuldigten weigerten sich, dies zu tun. Erst als einer der Verdeckten Ermittler drohend auftrat und ein anderer wahrheitswidrig behauptete, wenn er seinen Hinterleuten das Rauschgift nicht besorge, werde seine Familie mit dem Tod bedroht, halfen die Beschuldigten in zwei Fällen ohne jedes Entgelt bei der Beschaffung und Einfuhr von Ecstasy aus den Niederlanden.
Die rechtsstaatswidrige Provokation einer Straftat durch Angehörige von Strafverfolgungsbehörden oder von ihnen gelenkte Dritte hat regelmäßig ein Verfahrenshindernis zur Folge. (BGH, Urt. v. 10.06.2015 – 2 StR 97/14)
§§ 94, 102, 105 StPO – Beschlagnahme und Durchsuchung; hier: Offene Durchführung bei auf einem Mailserver gespeicherten Daten, Benachrichtigungspflicht. Bei der Beschlagnahme von auf einem Mailserver eines Providers gespeicherten Daten handelt es sich um eine offene Ermittlungsmaßnahme, deren Anordnung den davon Betroffenen und den Verfahrensbeteiligten bekannt zu machen ist (§§ 33 Abs. 1, 35 Abs. 2 StPO). Eine Zurückstellung der Benachrichtigung wegen Gefährdung des Untersuchungszwecks sieht die Strafprozessordnung für diese Untersuchungshandlung – anders als § 101 Abs. 5 StPO für die in § 101 Abs. 1 StPO abschließend aufgeführten heimlichen Ermittlungsmaßnahmen – nicht vor.
Der Verstoß gegen die Benachrichtigungspflicht führt nicht zu einem Verwertungsverbot. Anders könnte es allerdings für den Fall liegen, dass die Strafverfolgungsbehörden die Benachrichtigung deshalb unterlassen, weil sie beabsichtigen, den Eingriff – unter den erleichterten Voraussetzungen der §§ 94, 98 StPO – in zeitlichem Abstand zu wiederholen. (BGH, Beschl. v. 04.08.2015 – 3 StR 162/15)
III. Sonstiges
Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften, § 184b StGB; hier: Änderung der Rechtslage. In der Kriminalpolizei 03/2016, S. 34, ist der BGH-Beschluss v. 03.12.2014 – 4 StR 342/14, „§ 184b StGB – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften; hier: Anforderungen an die Besitzverschaffung an einer kinderpornografischen Schrift“, dargestellt. Seit dem Inkrafttreten des 49. Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches am 27.01.2015 (BT-Drucksache 18/2601) gilt die Neufassung des § 184b StGB. Dieser enthält unter Abs. 1, Ziffer 1, erstmals eine Legaldefinition des Begriffs „kinderpornografische Schrift“, durch die die Strafbarkeit auch auf solche Aufnahmen ausgedehnt wird, die bspw. ein auch nur teilweise unbekleidetes Kind in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung bzw. bereits die sexuell aufreizende Wiedergabe des unbekleideten Gesäßes eines Kindes beinhalten. Aus der Begründung der BT-Drucksache (S. 29/30) ergibt sich unter anderem: „Um auch unwillkürlich eingenommene geschlechtsbetonte Körperhaltungen, etwa durch ein schlafendes Kind, strafrechtlich in § 184b StGB zu erfassen, soll es nicht mehr auf das Einnehmen dieser Körperhaltung als sexuelle Handlung ankommen, sondern lediglich auf die Körperhaltung selbst.“
Zur Thematik: Computerbetrug (§ 263a StGB). Ein lehrreicher Beitrag mit vielen Fallbeispielen von Privatdozentin Dr. Erika Kraatz in der Zeitschrift Juristische Ausbildung, JURA 2016 (Heft 8) S. 875-883. Zum Thema: Bitcoins und Botnetze – Strafbarkeit und Vermögensabschöpfung wurde durch OStAin b. BGH Dr. Sonja Heine in der Neuen Zeitschrift für Strafrecht NStZ 08/2016, S. 441-446 veröffentlicht; insb. die Strafbarkeit gem. § 303a StGB (Datenveränderung) wird dargestellt und i. E. bejaht.
Mordprozess nach illegalem Autorennen. Das LG Berlin hat gegen zwei Autofahrer eine Anklage wegen Mordes zugelassen. Ein Wagen hatte während des Rennens auf dem „Ku´damm“ Tempo 160 drauf, als er mit einem Jeep kollidierte. Dessen Fahrer starb noch an der Unfallstelle.
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