Eingriffsbefugnisse für eine Präventive Gewinnabschöpfung

3.1 Sicherstellung von Forderungen als zukünftige Norm (§ 29a NPOG-E)

Unter den Voraussetzungen des § 26 Nr. 1 können die Verwaltungsbehörden und die Polizei eine Forderung oder andere Vermögensrechte, die nicht den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen, sicherstellen. Die Sicherstellung hat in den Fällen des Satzes 1 die Rechtswirkungen einer Pfändung gemäß § 829 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Zivilprozessordnung. Sie bedarf der Schriftform. Ihr ist ein Hinweis auf die in Satz 2 bezeichneten Rechtwirkungen beizufügen.

Sobald die Voraussetzungen für die Sicherstellung weggefallen sind, ist sie aufzuheben. Die Aufhebung bedarf der Schriftform. § 29 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 gilt entsprechend.

Dauert die Sicherstellung ein Jahr an, ohne dass sie nach Absatz 2 aufzuheben ist, ist die Forderung oder das andere Vermögensrecht durch die Verwaltungsbehörde oder die Polizei einzuziehen. § 28 Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend.

Auf die Sicherstellung und die Einziehung finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte sinngemäß Anwendung. An die Stelle des Vollstreckungsgerichts treten die Verwaltungsbehörden und die Polizei.

3.2 Begründung zu § 29a NPOG-E

§ 29a schafft eine neue Rechtsgrundlage für die Sicherstellung von Forderungen. Diese Sicherstellung – insbesondere von Buchgeld – ist in Niedersachsen nach geltender Rechtsprechung in analoger Anwendung von § 26 nur dann zulässig, wenn sichergestelltes Bargeld zum Zweck der Verwahrung auf ein Konto eingezahlt worden ist.12 Diese Rechtsprechung soll in das geschriebene Recht überführt und auf alle Arten von Forderungen und vergleichbaren Vermögensrechten ausgeweitet werden.

Die Sicherstellung von Forderungen und vergleichbaren Vermögenswerten dient der Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr. Diese liegt regelmäßig darin begründet, dass die Vermögenswerte zur Begehung von Straftaten eingesetzt werden sollen. Als Straftaten kommen insbesondere Taten der organisierten Kriminalität – etwa Geldwäsche und Hehlerei – und Straftaten mit Bezug zum internationalen Terrorismus – etwa Terrorismusfinanzierung – in Betracht. Der Entzug der finanziellen Mittel schränkt gerade bei derartigen Straftaten die Handlungsmöglichkeiten der kriminellen Gruppierungen und Personen erheblich ein. Anders als die strafrechtlichen Regelungen zur Vermögensabschöpfung hat § 29a rein präventiven Charakter ohne eine repressive Zweckrichtung. Maßgeblich ist allein, dass der Vermögenswert in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zur Begehung von Straftaten verwendet werden wird.13 Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens unterstützt die Schaffung dieser neuen Rechtsgrundlage.14

4 Gefahrenabwehrende Einziehung

Die gefahrenabwehrende Einziehung ist bereits Inhalt mehrerer Polizeigesetze der Bundesländer (§ 34 PolG BW, § 40 Abs. 4 ASOG Bln, § 25 Abs. 4 BremPolG, § 14 Abs. 6 HmbSOG, § 64 Abs. 4 SOG M-V, § 28 SächsPolG, § 213 Abs. 4 LVwG SH). Schon in früheren Veröffentlichungen habe ich die Aufnahme der gefahrenabwehrenden Einziehung in die Polizeigesetze angeregt.15

4.1 Begründung zu dieser Eingriffsmaßnahme (z.B. § 40 Abs. 4 ASOG Bln)

Mit der Ergänzung von § 40 Abs. 4 ASOG durch die Möglichkeit der Einziehung zum Zwecke der Gefahrenabwehr wird eine Regelungslücke geschlossen. In der praktischen Anwendung fehlt eine Rechtsgrundlage, sofern Gegenstände, die der Sicherstellung unterliegen, erstens nicht zurückgegeben werden können, ohne dass die Voraussetzungen der Sicherstellung erneut eintreten (§ 40 Abs. 1 Nr. 4 ASOG) und zweitens die bestehenden Maßnahmenalternativen in Form von Verwertung, Unbrauchbarmachung oder Vernichtung nicht auf den betroffenen Gegenstand zugeschnitten sind. Zweck der Regelung ist nicht vorrangig, dass die eingezogene Sache an den Fiskus fällt, sondern gestützt auf eine bereichsspezifische Rechtsgrundlage soll die Einziehung verhindern, dass im Anschluss an Sicherstellungen infolge von regelungslückenbedingten Rückgabepflichten erneut vorhersehbare Gefahrenlagen entstehen. Insbesondere soll verhindert werden, dass mit Hilfe von offensichtlich illegal erworbenen Werten neue Straftaten vorbereitet und begangen werden.

Beispielhaft aufgeführt werden kann als Gegenstand der Einziehung Bargeld, das bei einer betroffenen Person, der Handel mit Betäubungsmitteln vorgeworfen wird, aufgefundenen und beschlagnahmt wird. Im Anschluss an ein Strafverfahren gibt die Staatsanwaltschaft das Bargeld wieder frei. Nach polizeirechtlicher Betrachtung kann in diesem Fall weiterhin eine Gefahr bestehen, die ein Einschreiten zum Zwecke der Gefahrenabwehr erfordert. Denn strafverfahrensrechtliche und gefahrenabwehrrechtliche Vorschriften besitzen unterschiedliche Zielrichtungen. Der präventiv geprägte Zweck, z.B. der Sicherstellung nach § 38 ASOG, kann fortwirken, auch wenn eine auf die StPO gestützte Maßnahme abgeschlossen ist.16 Die Gefahrenlage für eine Sicherstellung braucht nicht in einer Eigenschaft der sicherzustellenden Sache begründet zu sein, sondern kann sich aus dem Verhalten ihres Besitzers ergeben.17 Die Einziehung knüpft an in der Vergangenheit begründete Zustände an, ist in ihrer Zielrichtung aber zukunftsbezogen.

Aus polizeirechtlicher Perspektive kann bei Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte demnach der Rückgabe entgegenstehen, dass die gegenwärtige Gefahr besteht, die betroffene Person werde das Bargeld nach Rückgabe erneut für illegale Drogengeschäfte verwenden (vgl. § 40 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. § 38 Nr. 1 ASOG). Es fehlte jedoch bisher eine Rechtsgrundlage zur Gefahrenabwehr, um das vorhersehbare Wiederaufleben der Störung dauerhaft zu verhindern.

Bargeld ist zwar eine Sache und damit tauglicher Gegenstand einer Sicherstellung. Auf die Regelungen der Sicherstellung einschließlich der Anschlussmaßnahmen in bisheriger Fassung lässt sich jedoch eine dauerhafte Entziehung von Bargeld nicht stützen. Die Sicherstellung ist ihrer Natur nach lediglich eine vorübergehende Maßnahme18, die folglich nicht zu einem dauerhaften Einbehalten des Geldes ermächtigt. Mit der Einziehung wird die Eigentumsposition der betroffenen Person aufgelöst.

Das im Bereich des Drogenhandels zugleich betroffene Eigentumsrecht des beteiligten Drogenkäufers verdient keinen verfassungsrechtlichen Schutz, da er seine Vermögensposition für deliktische Zwecke freiwillig aufgegeben hat.19