Die Verständigung im Strafverfahren

Von Staatsanwalt Dr. Sören Pansa, Kiel

 

3 Resümee

 

Es bleibt festzuhalten, dass eine wirksame und revisionsfeste Verständigung im Strafverfahren für das Gericht keineswegs einen „Elfmeter ohne Torwart“ darstellt, sondern die Einhaltung sämtlicher Formalien eine nicht zu unterschätzende Herausforderung bedeutet.

Es soll noch kurz auf einen weiteren relevanten Aspekt eingegangen werden: Die Schöffen. Bezüglich diesen besteht aufgrund des komplizierten Ablaufs einer Verständigung, grundsätzlich die Gefahr der Überforderung. Was die Schöffen aber nach der Erfahrung des Verfassers regelmäßig definitiv nicht nachvollziehen können, ist die Ausgangslage im Verfahren nach gescheiterten Verständigungsgesprächen. Die Schöffen fragen sich dann (nicht ganz zu Unrecht): Wie kann noch von der Unschuld des Angeklagten ausgegangen werden, wenn sein Verteidiger doch vorhin für den Fall einer Bewährungsstrafe ein Geständnis angeboten hatte?

Ferner sei angemerkt, dass das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Jahr 2018 eine Forschungsgruppe beauftragt hat, unter anderem die Akzeptanz und den praktischen Nutzen der Verständigungsvorschriften zu untersuchen. Die Ergebnisse sind nun auf 540 (!) Seiten veröffentlich worden und stellen den gesetzlichen Regelungen ein durchwachsenes Zeugnis aus.38 Insofern bleibt abzuwarten, ob sich der Gesetzgeber zeitnah zu grundlegenden Neuregelungen veranlasst sieht.

Angesichts dieser aufgezeigten Schwierigkeiten sollte ein Gericht genau abwägen, ob es das Verfahren mit den Risiken einer Verständigung belasten oder nicht besser eine „normale“ Beweisaufnahme bevorzugen sollte. Wenn die Anfrage eines Verteidigers bezüglich eines „Rechtsgesprächs“ erfolgt, sollte die grundsätzliche Antwort daher lauten: „Nein, danke“.


Bildrechte: Autor (B 1); F. Ellermann (B 2); Redaktion (B 3).

 

Anmerkungen

  1. Der Verfasser ist als Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel tätig. Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Auffassung des Verfassers wieder.
  2. BGBl. I 2009 S. 2353.
  3. Weider, StV 1982, 545.
  4. Nachweise bei Heller, Das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren, 16.
  5. Vgl. etwa BGH, Beschluss vom 14. August 2007 – 3 StR 266/07 –, NStZ 2008, 171.
  6. BGH, Urteil vom 28. August 1997 – 4 StR 240/97 –, BGHSt 43, 195.
  7. Vgl. exemplarisch BGH, Beschluss vom 19. Oktober 1999 – 4 StR 86/99 –, BGHSt 45, 227.
  8. BGH, Beschluss vom 3. März 2005 – GSSt 1/04 –, BGHSt 50, 40.
  9. BT-Drucks. 16/12310, S. 1.
  10. BT-Drucks. 16/12310, S. 8.
  11. Vgl. umfassend hierzu Heller, Das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren, 62ff., 187ff.
  12. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 –, BVerfGE 133, 168.
  13. Vgl. BT-Drucks. 16/12310, S. 1.
  14. Bittmann, NStZ 2017, 484.
  15. So etwa Schneider, NStZ 2014, 192.
  16. BGH, Beschluss vom 13. September 2016 – 5 StR 338/16 – NStZ 2017, 173.
  17. BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13 –, NJW 2014, 2132.
  18. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2018 – 5 StR 600/17 –, NStZ 2018, 366.
  19. BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 – 3 StR 470/14 –, NJW 2016, 513.
  20. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2016 – 1 StR 136/16 –, NStZ 2017, 56.
  21. Ablehnend bezüglich einer Bindungswirkung wohl BGH, Urteil vom 18. April 1990 – 3 StR 252/88 –, BGHSt 37, 10; BGH, Urteil vom 12. März 2008 – 3 StR 433/07 –, BGHSt 52, 165.
  22. Zur weiten Auslegung der Mitteilungspflicht BGH, Urteil vom 28. Juli 2016 – 3 StR 153/16 –, NStZ 2017, 52.
  23. BGH, Urteil vom 25. Juli 2017 – 5 StR 176/17 –, NStZ 2018, 232; BGH, Urteil vom 13. März 2019 – 1 StR 424/18 –, zitiert nach juris; BGH, Beschluss vom 8. Mai 2019 – 4 StR 449/18 –, JR 2020, 139.
  24. BGH, Urteil vom 2. September 2020 – 5 StR 630/19 –, zitiert nach juris.
  25. So auch Schneider, NStZ 2018, 232.
  26. BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. August 2014 – 2 BvR 2172/13 –, NStZ 2014, 592.
  27. Vgl. statt vieler BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 – 5 StR 310/13 –, NJW 2015, 1260.
  28. BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Februar 2020 – 2 BvR 900/19 –, NJW 2020, 2461.
  29. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2017 – 3 StR 511/16 –, NStZ 2017, 596.
  30. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2020 – 5 StR 366/19 –, BGHSt 64, 246.
  31. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2017 – 5 StR 607/16 –, NStZ 2017, 299.
  32. BGH, Beschluss vom 9. April 2014 – 1 StR 612/13 –, NStZ 2014, 416.
  33. BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Februar 2020 – 2 BvR 900/19 –, NJW 2020, 2461.
  34. BGH, Beschluss vom 21. März 2017 – 1 StR 622/16 –, NStZ 2017, 482.
  35. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2018 – 5 StR 180/18 –, NStZ-RR 2018, 355.
  36. BGH, Beschluss vom 24. April 2019 – 1 StR 153/19 –, NStZ 2019, 483.
  37. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 –, BVerfGE 133, 168.
  38. Altenhain/Jahn/Kinzig, Die Praxis der Verständigung im Strafprozess: Eine Evaluation der Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009, 2020.

 

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