Mit dem Musterpolizeigesetz zu gemeinsamen Standards bei der Terrorbekämpfung?

Die anhaltende Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus führt nicht zuletzt nach dem Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz am 19.12.2016 zu einer Vielzahl von Maßnahmen und Anpassungen zur Abwehr von terroristischen Gefahren. In der 206. Konferenz der Innenminister und -senatoren (IMK) im Juni 2017 in Dresden wurde zur Erreichung gemeinsamer Standards bei der Terrorbekämpfung u.a. die Erarbeitung eines Musterpolizeigesetzes beschlossen, um die Harmonisierung der Landespolizeigesetze zu fördern.2

3.2 Harmonisierungsbemühungen stärken und Regelungslücken schließen

Die Harmonisierung der Polizeigesetze ist kein Selbstzweck, sondern führt zu einem einheitlichen Sicherheitsniveau in Deutschland und trägt zur gleichförmigen Anwendung von gefahrenabwehrrechtlichen Befugnissen bei. Von polizeilichen Maßnahmen betroffene Personen können kaum noch nachvollziehen, unter welchen Voraussetzungen sie in welcher Situation von der Polizei in Anspruch genommen werden dürfen. Aber auch Polizeikräfte werden vor großen Herausforderungen gestellt, wenn sie bei länderübergreifenden Einätzen wie Fußballspielen oder Großveranstaltungen ein „fremdes“ Landesrecht anwenden müssen. Eine Problematik, die sich durch die Verlagerung des Versammlungsrechts in die Länderkompetenz auch bei der Bewältigung von größeren Versammlungslagen stellt.67

Besonders problematisch sind unterschiedliche Gefahrenabwehrgesetze bei der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus und der damit verbundenen länderübergreifenden Überwachung des dazugehörigen Personenpotentials. Wechselt eine überwachte Person ihren Wohnsitz in ein anderes Land, wird dort zwar die Überwachung fortgesetzt, die gefahrenabwehrrechtlichen Möglichkeiten können aber andere sein. Bestimmte Maßnahmen können evtl. nicht fortgeführt werden, weil die entsprechende Befugnis im Polizeigesetz nicht vorgesehen, unter anderen Tatbestandsmerkmalen gefasst oder nur bei bestimmten drohenden Straftaten angewandt werden darf. Das gilt besonders bei den sehr unterschiedlichen Regelungen zur Elektronischen Aufenthaltsüberwachung mit differierenden Straftatenkatalogen und Durchsetzungsmöglichkeiten.

Der unterschiedliche Umsetzungsstand bei den neuen Befugnissen zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus könnte dazu führen, dass das entsprechende Personenpotential in diejenigen Länder ausweicht, die über weniger weitreichende Befugnisse verfügen. Unterschiedliche oder fehlende Befugnisse begrenzen zugleich den nötigen Datenaustausch zwischen dem Bund und den Ländern bzw. zwischen den Ländern. Durch besondere Eingriffsbefugnisse gewonnene Daten dürfen nicht übermittelt werden, wenn in dem Empfängerland eine entsprechende Befugnis nicht zur Verfügung steht. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 20.4.2016 zum BKAG klargestellt, dass sich die Nutzung von Daten zu anderen Zwecken als denen der ursprünglichen Datenerhebung (Zweckänderung) an dem Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung orientieren muss.68

4 Erfahrungen mit dem Musterentwurf eines Landesversammlungsgesetzes

Nachdem mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.8.2006 (Föderalismusreform I69) das Versammlungsrecht aus der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes entlassen und den Ländern übertragen wurde, sind die Landesgesetzgeber aufgefordert, das bisherige Bundesversammlungsgesetz durch eigene Landesversammlungsgesetze zu ersetzen.70 Im Jahr 2011 legte der „Arbeitskreis Versammlungsrecht“, ein Zusammenschluss anerkannter Wissenschaftler und Fachautoren, einen Musterentwurf für ein einheitliches Versammlungsgesetz mit Begründung (MEVersG) vor. Ziel des Arbeitskreises war es, „den Parlamenten in den Bundesländern Anregungen für die Novellierung des Versammlungsrechts auch mit dem Ziel einer möglichst weitgehenden Vereinheitlichung zu geben.“71 Dieses Ziel ist aus heutiger Sicht nicht erreicht worden, denn obwohl bisher nur sieben Länder eigene Landesversammlungsgesetze geschaffen haben und davon nur die Gesetze in Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein als sog. Vollregelungen anerkannt sind, ist „eine uneinheitliche, fragmentierte und wenig übersichtliche Rechtlage72 entstanden.

5 Zum Abschluss

Das geplante Musterpolizeigesetz wird sein Ziel, die Polizeigesetze in Bund und Länder zu harmonisieren und ein einheitliches Polizeigesetz zu schaffen, nicht erreichen. Ihm droht vielmehr, wie seinen Vorgängern aus den 1970er und 1980er Jahren, die weitgehende Bedeutungslosigkeit:

Die Erfahrungen mit dem Musterentwurf eines Landesversammlungsgesetzes zeigen, dass die Gesetzgeber nur eingeschränkt bereit sind, ihre eigenen Gestaltungsspielräume aufzugeben.

Der Musterentwurf für ein einheitliches Polizeigesetz kommt zudem zu spät, da viele Polizeigesetze bereits überarbeitet wurden oder das Gesetzgebungsverfahren schon so weit vorangeschritten ist, dass eine kurzfristige erneute Überarbeitung nach Erscheinen des Musterentwurfs nicht zu erwarten ist.

Die vorliegenden Gesetzentwürfe zeigen vielmehr, dass sich die Gesetzgeber an den bereits überarbeiteten Gesetzen wie dem BKAG oder dem BayPAG orientieren.

Das Musterpolizeigesetz kann aber als Handreichung und Formulierungshilfe bei der Entwicklung neuer und der Überarbeitung bestehender Befugnisnormen hilfreich sein, da der Gesetzgeber bei neuen Ermächtigungen zu einer Detailtiefe und wortreichen Regelungen tendiert, die für den Rechtsanwender kaum noch verständlich sind.

Zugleich kann der Musterentwurf die zurzeit sehr unterschiedlich ausgestatteten Polizeigesetze von Bund und Ländern soweit harmonisieren, dass zumindest alle Gesetze zeitnah ein Mindestmaß an vergleichbaren Befugnisnormen vorweisen.

Der damalige Bundesinnenminister, Dr. Thomas de Maizière, sagte auf der Innenministerkonferenz in Dresden mit Bezug auf die großen Herausforderungen bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus: „Es darf zukünftig nicht mehr passieren, dass eine als gefährlich qualifizierte Person im Bundesland A polizeilich völlig anders behandelt wird als in Bundesland B.73 Dies droht allerdings, wenn die Polizeigesetze bei Bund und Ländern weiter auseinandergehen und eine Harmonisierung nicht gelingt. Es bleibt, dem Musterpolizeigesetz – trotz aller Bedenken – viel Erfolg zu wünschen.