Der G7-Gipfel in Schloss Elmau

5. Ausblick


Wie schon bei den Weltwirtschaftsgipfeln zuvor, so wird auch der G7-Gipfel von Elmau von einer breitgefächerten, aus Nichtextremisten, aber auch aus Linksextremisten bestehenden Protestbewegung begleitet werden. Dabei muss auch mit Teilnehmern zumindest aus dem angrenzenden europäischen Ausland, z.B. aus Österreich oder der Schweiz, gerechnet werden. Zu einem ersten Gradmesser für die Dimension der zu erwartenden Proteste könnten im Vorfeld des G7-Gipfels die Treffen der Außen-, Energie- und Finanzminister in Lübeck bzw. Hamburg und Dresden im April und Mai werden.
Einen weiteren Motivierungsschub könnte die Protestbewegung gegen den G 7-Gipfel durch die Aktionen des Blockupy-Bündnisses gegen die Eröffnungsfeierlichkeiten für den Neubau der Europäischen Zentralbank (EZB) am 18. März in Frankfurt am Main erhalten haben. Während Demokraten fassungslos auf die Verwüstungen dieses Tages blicken, könnten die zahlreichen Übergriffe vor allem auf Polizeibeamte und Feuerwehrleute, aber auch die Brandanschläge auf Gebäude sowie die brennenden Polizeifahrzeuge und Barrikaden eine euphorisierende Wirkung auf die (internationale) linksextremistische Szene haben, insbesondere mit Blick auf den G7-Gipfel, und sie dort dann zu weiteren Aktionen dieser Art veranlassen. Werden doch bereits seit geraumer Zeit die Proteste gegen die EZB-Neueröffnung nicht nur in linksextremistischen Kreisen als Auftakt zu den Protesten gegen den G7-Gipfel verstanden und als thematisch eng miteinander verbunden beworben. So fordert beispielsweise die DKP und die SDAJ in einer gemeinsamen Erklärung zu den Blockupy-Protesten: „Dieser Widerstand muss weitergehen und weiterverbreitet werden, z. B. bei den Protesten gegen den G-7-Gipfel.“7
Auch 2015 ist es das erklärte Ziel der G7-Gegner, ihren Protest bis auf das Gipfelgelände zu tragen. Wie schon beim G8-Gipfel in Heiligendamm, so wird aber auch 2015 nicht der Gipfelort im Fokus der Gegenproteste stehen, sondern die nächstgelegenen größeren Städte. War das 2007 Rostock, so werden es 2015 Garmisch-Partenkirchen und die bayerische Landeshauptstadt München sein. Dort wird sich der Protest konzentrieren, dort können auch gewaltsame Auseinandersetzungen nicht ausgeschlossen werden. Dennoch muss damit gerechnet werden, dass wie in Heiligendamm vor allem Linksautonome bzw. Postautonome versuchen werden, die Zufahrtswege nach Schloss Elmau zu blockieren und mit Hilfe der vorher einstudierten Fünf-Finger-Taktik die Polizeiketten zu durchfließen, um so zumindest in die Reichweite des Tagungsortes zu gelangen. Auch dieses Mal werden sie dieses Ziel wohl kaum erreichen. Schon seit Jahren finden die Weltwirtschaftsgipfel an zwar idyllischen, aber weit abgelegenen und für die Allgemeinheit nur schwer zugänglichen Orten statt. So liegt Schloss Elmau oberhalb der Ortschaft Klais auf ca. 1.000 Meter Höhe am Fuß des Wettersteinkamms. Diese exponierte Lage dürfte es den Sicherheitsbehörden ermöglichen, die Zufahrtswege zum Veranstaltungsort weitgehend zu kontrollieren und ein Eindringen zu verhindern. Das wissen auch die Gipfelgegner. Ihnen kommt es daher mit ihren Aktionen eher auf Symbolik denn auf die konkrete Verhinderung des Gipfels an. Mit ihrem Protest wollen sie das kapitalistische System und dessen Repressionsapparat „entlarven“. Wie schon bei anderen Großereignissen, etwa den über viele Jahre nahezu alljährlich ins atomare Zwischenlager Gorleben im niedersächsischen Wendland rollenden Castor-Transporten mit hochradioaktiven Brennstäben, wollen sie mit ihren Protestaktionen zugleich auch die Kosten für den Staat für entsprechende Großereignisse in die Höhe treiben. Einerseits hoffen sie so, sie ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz zu berauben und andererseits sie zumindest auf lange Sicht allein aus Kostengründen undurchführbar zu machen. Ferner muss auch diesmal wieder im Vorfeld und im Verlauf des Gipfeltreffens mit militanten Aktionen gerechnet werden, insbesondere mit Anschlägen auf Gebäude, Kraftfahrzeuge und die Infrastruktur in Allgemeinen.
Wie schon 2007, so versuchen auch 2015 Linksextremisten, allen voran die IL und das [3A]* Revolutionäres Bündnis, die Proteste gegen den Weltwirtschaftsgipfel in Elmau zu organisieren. Insbesondere die IL wird versuchen, damit an die Erfolge von Heiligendamm anzuknüpfen, um sich auch gegenüber dem demokratischen Protestorganisationen als unentbehrlicher Bündnispartner zu erweisen. Dabei steht gerade für diese Bündnisse viel auf dem Spiel. Unübersehbar hat die linksautonome Szene in den letzten Jahren an Attraktivität und öffentlichen Interesse verloren. Ein Mitte April 2014 auf Initiative der IL in Berlin durchgeführter linksautonomer Kongress, der unter der Überschrift „Antifa in der Krise“ einer Neuorientierung der linksautonomen Szene dienen sollte, scheiterte kläglich. Statt Lösungen anzubieten, hinterließ er weitgehende Ratlosigkeit über die weitere inhaltliche und strukturelle Ausrichtung der Linksautonomen. Zahlreiche linksautonome Gruppierungen wie die Antifaschistische Linke Berlin (ALB), die Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin (ARAB) oder die Antifa [f] aus Frankfurt am Main lösten sich daraufhin wegen fehlender Perspektiven auf bzw. gingen teilweise in anderen Gruppierungen auf. Die linksextremistische Szene im Allgemeinen und die linksautonome bzw. postautonome Szene im Besonderen brauchen deshalb dringend eine Neuorientierung und Erfolgserlebnisse, um die zentrifugalen Kräfte in den eigenen Reihen zu stoppen.
Betrachtet man die Weltwirtschaftsgipfel seit Heiligendamm, so stellt man fest, dass die Gegenproteste von Jahr zu Jahr an Zulauf und öffentlichem Interesse verloren haben. Auch wenn insbesondere die linksautonome Szene an die Erfolge der Proteste gegen den G8-Gipfel von Heiligendamm und an die jüngsten Blockupy-Proteste gegen die EZB-Neueröffnung anknüpfen möchte, so spricht zum gegenwärtigen Zeitpunkt dennoch eher weniger dafür, dass es 2015 zu vergleichbaren Massenprotesten gegen den G7-Gipfel in Elmau kommt.


Foto: A. Lemberger

Anmerkungen

  1. Bundeszentrale für politische Bildung: Weltwirtschaftsgipfel, www.bpb.de/nachschlagen/lexika/lexikon-der-wirtschaft/21189/weltwirtschaftsgipfel, Stand: 20.10.2014.
  2. Die Fünf-Finger-Taktik beschreibt eine Vorgehensweise größerer Menschengruppen zum Umgehen von Polizeiabsperrungen. Bei der Fünf-Finger-Taktik setzt sich der zunächst geschlossene Demonstrationszug aus mehreren Blöcken zusammen, deren Teilnehmer sich einer bestimmten Farbe oder Symbolik zuordnen. Bei dem Zusammentreffen mit einer Polizeiabsperrung teilt sich der Zug in eine erforderliche Anzahl an Blöcken in verschiedene Richtungen auf, um die Absperrung umfließen und sich dahinter wieder sammeln zu können. Der Name Fünf-Finger-Taktik entstand, da es sich meist um fünf Blöcke handelt, die sich in verschiedene Richtungen auffächern wie fünf sich spreizende Finger. Die einzelnen Blöcke bestehen wiederum aus sogenannten Bezugsgruppen, was ein weiteres systematisches Zerstreuen in einzelne Gruppen ermöglicht. Umgesetzt wurde dieses Prinzip bisher vor allem in schwer absperr- und kontrollierbaren Flur- und Waldgebieten.
  3. Aufruf „Proteste gegen G7-Gipfel geplant –isw unterstützt `Gegengipfel´“, www.isw-muenchen.de/download/elmau-g7-01-201409.html.
  4. 3 [A] steht für antifaschistisch, antimilitaristisch und antikapitalistisch
  5. www.g7-mobi.org
  6. Die Interventionistische Linke-Wir über uns, www.interventionistische-linke.org/interventionistische-linke/die-interventionistische-linke-wir-ueber-uns (gelesen am 11.11.2014).
  7. Gemeinsame Erklärung von SDAJ und DKP zu den Blockupy-Protesten in Frankfurt am Main, abgedruckt in: Junge Welt vom 20.März 2015, S. 8.
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