Die polizeibezogenen Empfehlungender StPO-Expertenkommission zur praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens

7. Audiovisuelle Dokumentation von Vernehmungen bei bestimmten Delikten


Die Expertenkommission empfiehlt: „Beschuldigten- und Zeugenvernehmungen sollten jedenfalls bei schweren Tatvorwürfen oder bei einer schwierigen Sach- oder Rechtslage im Regelfall audiovisuell aufgezeichnet werden. Die Vernehmung sollte nach den hierfür geltenden Regelungen zusätzlich protokolliert werden.“
Nach § 163 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 58a Abs. 1 Satz 1 StPO ist es bereits möglich, die polizeiliche Vernehmung eines Zeugen auf Bild-Ton-Träger aufzuzeichnen, in den Fällen des Satz 2 „soll“ die Aufzeichnung erfolgen. Mit guten Argumenten erläutert das Gremium, dass die audiovisuelle Aufzeichnung der Vernehmung dem üblichen schriftlichen Protokoll deutlich überlegen ist und auch deutlich weniger Aufwände als ein Wortprotokoll bedeutet. Zurecht führt die Kommission aus, dass die Aufzeichnung die Vernehmungspersonen einerseits zur besonderen Einhaltung der strafprozessualen Förmlichkeiten zwingt, sie andererseits aber auch vor unzutreffenden Behauptungen des Vernommenen schützt. Gerade der letzte Punkt kann für vernehmende Polizeibeamte bedeutend sein, sollte der Vernommene in einer Weise von der Vernehmung berichten, die für die Vernehmungspersonen straf- oder dienstrechtliche Konsequenzen haben könnte. Beide Aspekte werden auch durch den Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer als Grund dafür angegeben, den Vorschlag nicht nur zu begrüßen, sondern die Umsetzung zu fordern.
Um die Aufwände im Rahmen zu halten, ist der Ansatz überzeugend, die Aufzeichnungspflicht auf bestimmte und vom Gesetzgeber noch festzulegende Sachverhalte zu beschränken, etwa Fälle der notwendigen Verteidigung nach § 140 StPO, Schwurgerichtssachen nach § 74 Abs. 2 S. 1 GVG, Sexualdelikte, Delikte der Organisierten Kriminalität oder Fälle aus dem Katalog des § 100c Abs. 2 StPO. Auf die Protokollierung der Vernehmung in der üblichen Art soll allerdings nicht verzichtet werden, auch dies überzeugt inhaltlich.
Die Umsetzung der Empfehlung würde für die Polizei in einem ersten Schritt aber die vermehrte Anschaffung von entsprechender Technik erfordern. Auch würden mitunter erhebliche Mehraufwände für die Polizei entstehen, wenn in den dann vorgeschriebenen Fällen zwingend sowohl eine Videodokumentation als auch eine Protokollierung der Vernehmung erfolgen müsste. Zudem würde sich ein an sich unnötiges neues Angriffsfeld für die Verteidigung öffnen, wenn zwischen Videodokumentation der Vernehmung und dem nicht zwingend als wörtliches Protokoll zu führenden Inhaltsprotokoll über die Vernehmung vermeintlich oder tatsächlich Unterschiede bestehen. Andererseits könnte später Zeit vor Gericht gespart werden, wenn, wie von der Kommission an anderer Stelle empfohlen, die Einbringung von Protokollen und Aufzeichnungen in die Hauptverhandlung die Vernehmung von (polizeilichen) Zeugen teilweise verkürzen oder ersetzen könnte. In dieser Kombination erscheint der Vorschlag sehr sinnvoll, isoliert betrachtet dominiert aus polizeilicher Sicht wohl die Mehrbelastung.

8. Gesetzliche Regelungen für den Einsatz von V-Personen


Die Expertenkommission empfiehlt: „Für den Einsatz von Verbindungs- oder Vertrauenspersonen (V-Personen) sollte eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage geschaffen werden.“
Bislang ist nur der Einsatz von Verdeckten Ermittlern gesetzlich geregelt, und zwar in den §§ 110a ff. StPO. Auch die RiStBV, die als bloße Verwaltungsvorschrift ohnehin keinen Gesetzescharakter hat, bietet keinen Anhalt, denn ihre Anlage D „Gemeinsame Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Inanspruchnahme von Informanten sowie über den Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen) und Verdeckten Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung“ wurde nicht in Kraft gesetzt. Naheliegend ist es daher, auch den Einsatz von Verbindungs- und Vertrauensleuten im Mindestmaß in der StPO zu verankern. Dies wäre für die Polizei nicht nur deshalb von Vorteil, weil sie es ist, die die V-Personen anleitet, führt und in erster Linie die tatsächliche – aber nicht rechtliche – Verantwortung für diese Zeugen und ihre Verwendung in der Verbrechensaufklärung trägt. Auch die mit erheblichen Aufwänden verbundene und den Innenministerien als oberste Dienstbehörden obliegende Formulierung von Sperrerklärungen zur Geheimhaltung der Identität dieser Zeugen analog § 96 StPO könnte erleichtert werden, gäbe es eine gesetzliche Grundlage für ihren Einsatz. Daher ist dem Vorschlag zuzustimmen. Das sieht auch der Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer so.