Phänomenologische Betrachtung des Wohnungseinbruchs

Von KD Christoph Frings, Duisburg

8.8 Aktenführung und Vorführung

Die polizeiliche Ermittlungsarbeit im Strafverfahren ist kein Selbstzweck, sondern im Rahmen der Haftsachenbearbeitung der erste Schritt in einem justiziellen Verfahren. Die Entscheidung über den Abschluss eines Ermittlungsverfahrens steht nur der zuständigen Staatsanwaltschaft zu. Sie trifft auch die Entscheidung über eine mögliche Anklageerhebung oder Vorführung des Beschuldigten beim Haftrichter. Die entsprechenden Ermittlungsergebnisse sind der Staatsanwaltschaft in Form der Ermittlungsakte vorzulegen. Sowohl die Entscheidungsfindung der Staatsanwaltschaft über die Anklagewürdigkeit einer Straftat sowie die Entscheidung des Haftrichters über die Verkündung eines Untersuchungshaftbefehls erfolgt ausschließlich auf der Grundlage der vorliegenden Ermittlungsakte. Die Vorführentscheidung der Staatsanwaltschaft wird ebenfalls auf die vorliegende Ermittlungsakte und einen kurzen telefonischen Sachvortrag des polizeilichen Sachbearbeiters beim Eildienst der Staatsanwaltschaft gestützt. Selbst die spätere Hauptverhandlung wird durch den Tatrichter anhand der Ermittlungsakte vorbereitet. Da sowohl eine Vorführentscheidung der Staatsanwaltschaft, die Verkündung eines Untersuchungshaftbefehls durch den Ermittlungsrichter und eine spätere Aburteilung durch den Tatrichter angestrebt ist, muss eine Ermittlungsakte klar aufgebaut sein und die Ermittlungsergebnisse sind überzeugend und klar darzulegen. Es gilt der Grundsatz: „Wird der Büronachbar aus der Akte nicht ‚schlau‘ dann wird sie auch in der Vorführung und Gerichtsverhandlung nicht überzeugen.“ Die Ermittlungsakte ist bei Vorführsachverhalten dreifach zu führen. Jeweils eine Ausfertigung bekommt der Ermittlungsrichter im Rahmen der Vorführung, eine Ausfertigung bekommt unverzüglich die zuständige Staatsanwaltschaft und eine Ausfertigung verbleibt bei der Polizei zur Weiterführung der Ermittlungen. Die polizeiliche Aktenausfertigung muss alle Unterlagen enthalten, denn sie dient auch der Vorbereitung der polizeilichen Zeugen auf die spätere Gerichtsverhandlung. Im Rahmen der Vorführung müssen alle Schriftstücke zu den bis dahin durchgeführten Ermittlungen vorgelegt werden. Abgeschlossen wird die Ermittlungsakte bei Vorführungen (Vorführakte) mit dem Vorführbericht. Standard ist in Haftsachen der chronologische Aufbau der Ermittlungsakte. So finden sich in der Ermittlungsakte u.a.:

 

  • Strafanzeige/Festnahmeanzeige
  • Tatortbefundbericht
  • Bildbericht
  • Spurensicherungsbericht
  • Weitergehende Ermittlungsberichte von Streifendienst und K-Wache
  • Durchsuchungsprotokoll zur Durchsuchung der Person/mitgeführter Sachen
  • Durchsuchungsbeschluss, Durchsuchungsbericht und Durchsuchungsprotokoll zur Wohnungsdurchsuchung
  • Protokolle über Blutprobenentnahme und weitere körperliche Untersuchungen
  • Protokolle der durchgeführten Zeugenvernehmungen
  • Berichte zu durchgeführten weiteren Ermittlungen der Sachbearbeitung (z.B. Recherche zu sichergestellten Gegenständen)
  • Berichte zu eventuellen Wiedererkennungsverfahren
  • Vermerke über festgestellte Tatzusammenhänge mit weiteren bislang ungeklärten Taten
  • Niederschrift über die verantwortliche Vernehmung des Beschuldigten
  • Vermerk über Haftbefehlsantrag [des Eildienstes] der Staatsanwaltschaft
  • Vorführbericht


Sichergestellte Beweismittel bzw. beschlagnahmte Beweismittel und Einziehungsgegenstände werden nicht dem Vorführvorgang beigefügt. Sie verbleiben bei der Polizei für eine weitere Auswertung/Untersuchung und werden später der zuständigen Staatsanwaltschaft übersandt, nachdem das staatsanwaltschaftliche Aktenzeichen des Ermittlungsvorgangs bekannt ist. Der Verbleibt der Asservate, sowie eine Aufstellung der Asservate muss sich aus der Vorführakte ergeben. Entsprechende Beweismittel sind zu fotografieren, die Bilder, zur Orientierung des Ermittlungsrichters, sind der Vorführakte beizufügen.

Die Masse der vorläufigen Festnahmen durch den Streifendienst erfolgen wegen Fluchtgefahr. Im Rahmen der Haftsachenbearbeitung ist zu überprüfen, ob der Haftgrund weiterhin besteht und durch Ermittlungen auch gestützt werden kann. Insbesondere „angegebene“ Wohnsitze des Beschuldigten sind genau zu überprüfen, ob es sich hierbei wirklich um einen festen Wohnsitz (mit entsprechender Bindungswirkung) handelt oder eher einen vorübergehenden Aufenthaltsort. Gleichfalls sind behauptete familiäre Bindungen und bestehende Arbeitsverhältnisse konkret zu überprüfen. Falls sich der Beschuldigte bereits früher anhängigen Strafverfahren durch Flucht entzogen haben sollte, so ist dies im Vorführbericht ebenfalls anzuführen. Häufig stellt sich bei der Auswertung der kriminalpolizeilichen Erkenntnisse heraus, dass der Beschuldigte bereits einschlägig strafrechtlich vorbelastet ist. Hier ist, soweit es sich um eine Anlasstat nach § 112a StPO handelt, der Beschuldigte auch wegen Wiederholungsgefahr vorzuführen.

Gibt es Zweifel an der geistigen Zurechnungsfähigkeit des Beschuldigten, so sollte keinesfalls der einfache Weg der einstweiligen Unterbringung der Person in eine psychiatrische Klinik durch die örtliche Ordnungsbehörde, nach dem Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (landesrechtliche Regelung NRW, andere Bundesländer haben ähnliche Regelungen) gesucht werden. In diesen Fällen ist eine einstweilige Unterbringung nach § 126a StPO zielführend, denn nur so ist gewährleistet, dass das Verfahren über die Unterbringung weiterhin in den Händen der Staatsanwaltschaft und des Ermittlungsrichters bleibt und nicht in den Händen der Ordnungsbehörde und des Familiengerichtes.

Mit der Geschäftsstelle des zuständigen Amtsgerichtes ist für die Vorführung ein Termin zu vereinbaren, um unnötige Wartezeiten zu reduzieren. Für die Fertigung des Vorführberichts gibt es kein genormtes Schema. Die Verkündung eines Untersuchungshaftbefehls erfordert den dringenden Tatverdacht gegen den Beschuldigten und das Vorliegen entsprechender Haftgründe. Im Vorführbericht sind kurz, knapp und präzise die überzeugenden Fakten für das Vorliegen der Haftgründe und des dringenden Tatverdachtes darzulegen. Bezüglich weiterer Details kann auf die jeweilige Seite der beigefügten Ermittlungsakte verwiesen werden. Es bietet sich folgender Aufbau an:

 

  • Personalien des Beschuldigten
  • Darlegung des dringenden Tatverdachts
  • Erläuterung aller in Betracht kommenden Haftgründe
  • Name des beantragenden Eildienststaatsanwalt

Abschließend sind die Dateneinträge im polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem zu ergänzen und auf Korrektheit zu überprüfen. Nach der Gesetzeslage verantwortlich für die Durchführung der freiheitsentziehenden Maßnahmen bis zur Verkündung des Haftbefehls ist die Polizei. D.h. die Polizei bleibt auch bis zur Verkündung des Haftbefehls durch den Ermittlungsrichter zuständig für die Bewachung des vorgeführten Beschuldigten. Häufig gibt es jedoch das Arrangement, dass der Beschuldigte an die Justizwachtmeisterei übergeben werden kann, durch Justizbedienstete bewacht wird und auch durch diese dann vorgeführt wird.

Kolleginnen und Kollegen des Streifendienstes sind sicherlich daran interessiert zu erfahren, was aus „ihrer Festnahme“ geworden ist. Im Interesse weiterer guter kollegialer Zusammenarbeit bietet es sich stets an, in kleineren Dienststellen hier kurz persönlich Kontakt aufzunehmen und in größeren Dienststellen eine kurze Information per E-Mail. Gerade die Erstphase der Festnahme von Tätern birgt eine Vielzahl möglicher Fehlerquellen. Hier sollte durch Ermittlungsdienststellen ein interner Dienstunterricht für interessierte Kräfte des Streifendienstes angeboten werden. Mögliche Schwachstellen und Fehler bei früheren Festnahmen können hier nur positive Lehrbeispiele sein.


Bildrechte: C. Frings (mit freundlicher Unterstützung der KTI des LKA NRW).

 

 

Anmerkungen

 

  1. Der Autor ist Kriminaldirektor und Dozent für Kriminalwissenschaften an der Hochschule für Polizei und Verwaltung Nordrhein-Westfalen, Abteilung Duisburg.
  2. § 244 Abs. 4 StGB.
  3. RdErl. des IM vom 1.1.2003 – 42 – 6410 – (SMBl. NRW. S. 293) i.d.F. vom 1.1.2011.
  4. Bundeskriminalamt (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik Bundesrepublik 1991, S. 140 (und ältere Ausgaben).
  5. Bundeskriminalamt (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik Bundesrepublik 1991, S. 140 (und ältere Ausgaben).
  6. Bundeskriminalamt (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik Bundesrepublik 2018, Band 4, V 1.0, S. 69, Abb. 4-2.7-T 02/ Landeskriminalamt (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik NRW 2015, Düsseldorf 2016, Seite 114.
  7. Bundeskriminalamt (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik Bundesrepublik 2018, Band 4, V 1.0, S. 69, Abb. 4-2.7-T 02/Landeskriminalamt (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik NRW 2015, Düsseldorf 2016, Seite 114.
  8. Bundeskriminalamt (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik Bundesrepublik 2018, Band 1, V 2.0, S. 11, Abb. 1 -2.1 – T01.
  9. Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (Hg.), Wohnungseinbruch – Eine hypothesenprüfende Strukturanalyse (Teil I), S. 6
  10. Motiv = Konzeption: Mobile Täter im Visier.
  11. Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (Hg.), Düsseldorf 2019, Sicherheit im Fokus 9/2019, S. 3.
  12. Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (Hg.), Düsseldorf 2019, Sicherheit im Fokus 9/2019, S. 3.
  13. Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (Hg.), Wohnungseinbruch – Eine hypothesenprüfende Strukturanalyse (Teil II), S. 16.
  14. Landeskriminalamt NRW (Hg.): Wohnungseinbruchdiebstahl 10 Fakten aus der Forschung, S. 13.
  15. Bundeskriminalamt Wiesbaden (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, Band 4, V 1.0, S. 75, Abb. 4 – 2.7 – T07 (und ältere Ausgaben).
  16. Bundeskriminalamt Wiesbaden (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, Band 4, V 1.0, S. 75, Abb. 4 – 2.7 – T07 (und ältere Ausgaben).
  17. Eigene Berechnung auf der Grundlage: Bundeskriminalamt Wiesbaden (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, Band 4, V 1.0, S. 75, Abb. 4 – 2.7 – T07 (und ältere Ausgaben).
  18. Landeskriminalamt NRW (Hg.): Wohnungseinbruchdiebstahl 10 Fakten aus der Forschung, S. 11.
  19. Bundeskriminalamt Wiesbaden (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, Band 4, V 1.0, S. 70, Abb. 4 – 2.7 – T03 (und ältere Ausgaben).
  20. Bundeskriminalamt Wiesbaden (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, Band 4, V 1.0, S. 71, Abb. 4 – 2.7 – T04 (und ältere Ausgaben).
  21. Bundeskriminalamt Wiesbaden (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, Band 4, V 1.0, S. 73, Abb. 4 – 2.7 – T05 Teil 1 (und ältere Ausgaben).
  22. Bundeskriminalamt Wiesbaden (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, Band 3, V 6.0, S. 129, Abb. 3 – 2.8 – T02.
  23. Bundeskriminalamt Wiesbaden (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, Band 4, V 1.0, S. 74, Abb. 4 – 2.7 – T05 Teil 1 (und ältere Ausgaben).
  24. Statistisches Bundesamt (Hg.): Statistisches Jahrbuch 2019, S. 47, Ziff. 2.3.4.
  25. Bundeskriminalamt Wiesbaden (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, Band 4, V 1.0, S. 74, Abb. 4 – 2.7 – T05 Teil 1 (und ältere Ausgaben).
  26. Bundeskriminalamt Wiesbaden (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 2018; Band 4, V 2.0, S. 68.
  27. Darunter sind alle Delikte des Diebstahls und des Diebstahls unter erschwerten Umständen mit Ausnahme des Ladendiebstahls zu verstehen.
  28. Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (Hg.), 2013, Wohnungseinbruch – Eine hypothesenprüfende Strukturanalyse (Teil II), S. 16.
  29. Wirth, Kriminalistik-Lexikon, 4. Auflage 2011, S. 171.
  30. So können greifende und umfassende Werkzeuge in Nordrhein-Westfalen mit der Spurensammlung des Landeskriminalamtes abgeglichen werden.

 

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