Phänomenologische Betrachtung des Wohnungseinbruchs

Von KD Christoph Frings, Duisburg

 

2 Tatzeiten

 

Der häufig zu Beginn der Schulferienzeiten bemühte Satz: „Urlaubszeit ist Einbruchszeit“ lässt sich nach Praxiserfahrungen so nicht bestätigen. Natürlich gibt es auch in den Sommermonaten Wohnungseinbrecher die gerade die günstigen Tatgelegenheiten, wie längerfristige Urlaubsabwesenheiten oder tagsüber auf „kipp“ geöffnete Fenster, trotz Abwesenheit der Bewohner ausnutzen. Die Masse der Einbruchsdelikte ereignen sich aber in der sog. „dunklen Jahreszeit“. Man könnte auch behaupten, die Saison der Wohnungseinbrecher beginnt etwa mit den St. Martinsumzügen und endet kurz nach Aschermittwoch. Diese Praxiserfahrung lässt sich durch eine Tatzeitaufschlüsselung für Nordrhein-Westfalen sehr anschaulich belegen. Im Gegenzug zum Fallzahlenanstieg ist feststellbar, dass die Aufklärungsquote in den fallzahlstarken Monaten deutlich zurückgeht. Bei kalter, feuchter Witterung und Dunkelheit mag sich kaum jemand freiwillig im Freien aufhalten. Somit geht in dieser Jahreszeit die informelle Sozialkontrolle selbst in Gebieten mit guten nachbarlichen Kontakten deutlich zurück. Somit sinkt dann auch das Hinweisaufkommen an die Polizei.

 


Abb. 5: Fallzahlenaufschlüsselung nach Tatmonaten 9/2018 – 9/2019 für NRW11.

 


Abb. 6: Aufschlüsselung der Aufklärungsquote nach Tatmonaten 9/2018 – 9/2019 für NRW12.


In Nordrhein-Westfalen hat es neben einem landesweiten Konzept zur Bekämpfung mobiler Täter (Konzeption MOTIV), der Zentralisierung der kriminalpolizeilichen Sachbearbeitung in zentralen Fachkommissariaten (statt in Regionalkommissariaten) auch eine mehrjährige Untersuchung der kriminalistisch-kriminologischen Forschungsstelle des Landeskriminalamtes zum Wohnungseinbruch gegeben. Im Rahmen dieser Forschungsstudie wurde festgestellt: „Während bei den Wohnungseinbruchsfällen durch professionelle Tatverdächtige eine auffällige Konzentration auf die Wintermonate zu beobachten ist […], verdichten sich die Fälle des sonstigen Diebstahls unter erschwerten Umständen (ohne Wohnungseinbruch) durch professionelle Tatverdächtige in den Sommermonaten.“13 D.h. es gibt eine „Grundlast“ durch örtliche Täter, der Fallzahlenanstieg in den Wintermonaten ist mit hoher Wahrscheinlichkeit aber auf die Aktivitäten überörtlicher professioneller Diebesbanden zurückzuführen. Diese Tätergruppen agieren deutlich professioneller als örtliche Täter oder Gelegenheitstäter. Da diese Tätergruppen zudem überörtlich agieren, sind die Erfolgsaussichten zur Tataufklärung reduziert.

 

3 Auswahl des Tatobjektes und der Beute


Grundsätzlich kann jeder Wohnungsinhaber Tatopfer werden, die Auswahl erfolgt in der Regel jedoch eher anhand des äußeren Erscheinungsbildes des Tatobjektes. Grundkriterien bei der Objektauswahl für die Täter sind u.a. die Faktoren

 

  • Beuteerwartung
  • Entdeckungsrisiko
  • Sicherung des Objektes
  • Annäherungs- und Fluchtmöglichkeiten Lage von Sicherheitsbehörden

Einfamilienhäuser werden vorzugsweise von der Gebäuderückseite her angegangen, gleichfalls die Erdgeschosswohnungen in Mehrfamilienhäusern. Ansonsten werden in größeren Mehrfamilienhäusern auch die Wohnungen in der obersten Etage über die Wohnungseingangstüre angegriffen.

Bei Einfamilienhäusern lässt sich die Aussicht auf Beute sowie der grundsätzliche Sicherungsumfang eines Objektes durch die Täter häufig von der Straße aus, anhand des Erscheinungsbildes des Objektes, beurteilen. Oft ist von der Straße aus bereits erkennbar, dass zudem der rückwärtige Gartenbereich des Objektes gegen die Sicht der (neugierigen) Nachbarn mittels sichthemmender Mauern, Zaunelementen oder Heckenbewuchs geschützt ist. Somit ist für die Täter das Entdeckungsrisiko, beim Angehen des Objektes von der rückwärtigen Seite aus, minimal. Bei Einfamilienhäusern minimieren freistehende Häuser für die Täter das Entdeckungsrisiko gegenüber Reihenhäusern. Bei Mehrfamilienhäusern ist das Entdeckungsrisiko der Täter dagegen etwas erhöht. Selbst beim Eindringen in die Erdgeschosswohnung besteht das Risiko, dass die Täter durch Bewohner der höher gelegenen Etagen gesehen werden. Bevorzugt werden in Mehrfamilienhäusern auch die Wohnungen der obersten Etage, insbesondere bei schlechter Sicherung der Wohnungseingangstüren – während der üblichen Arbeitszeiten – angegangen. Durch Klingeln wird zunächst überprüft, ob die Bewohner zu Hause sind. Häufig wird dann zur Sicherheit auch noch an den Wohnungstüren gehorcht, so dass hier vielfach entsprechende Ohrabdruckspuren sicherungsfähig wären. Das Entdeckungsrisiko der Tat in der obersten Etage ist für die Täter überschaubar, denn ein Personenverkehr der übrigen Hausbewohner findet dort in der Regel nicht statt.

Bevorzugt werden von professionellen Diebesbanden gerne Wohngebiete die eine gute Verkehrsanbindung haben. Sie gestatten es schnell – häufig noch vor Tatentdeckung – den Tatortbereich wieder verlassen zu können und so polizeilichen Maßnahmen zu entgehen.

Sowohl beim Modus Operandi, als auch bei der Beute lässt sich zwischen professionellen Tätern und örtlichen bzw. Gelegenheitstätern differenzieren. Laut einer Analyse der Kriminalistisch-Kriminologischen Forschungsstelle des Landeskriminalamtes optimieren professionelle Diebesbanden ihr Vorgehen bei der Durchsuchung des Tatobjektes um die Aufenthaltszeit im Objekt so gering wie möglich zu halten. Optimierte Suchstrategien der Täter sind u.a. bei der Tatortaufnahme daran erkennbar, dass diese Tätergruppen das Objekt einmal systematisch durchsuchen und an Möbelstücken mit der Öffnung der untersten Schublade beginnen. Das spart die Zeit für die Schließung der darüber befindlichen Schubladen ein.

Gestohlen wird neben Bargeld, EC-Karten, Kreditkarten und Schmuck alles was transportabel ist und sich zu Geld machen lässt. Jedoch erfolgt bei professionellen Diebesbanden die Auswahl der Beute wesentlich gezielter und die erbeuteten Werte sind höher als bei Gelegenheitstätern. „Die hohe Beutesumme bei professionellen Tätern kann insbesondere darauf zurückgeführt werden, dass professionell agierende Täter in einem Großteil der Fälle Schmuck erbeuten. Taten mit Schmuck sind häufiger in den Wintermonaten zu finden.“14

Bei professionellen Tätern findet eine deutliche Begrenzung auf wertige und leicht transportable Diebsbeute statt. Nach wie vor optimal ist für die Täter natürlich Bargeld, da es 1 zu 1 verwertet werden kann und praktisch nicht zum Opfer zurück verfolgbar ist.

 

4 Schadenshöhe


Grobsichtig könnte man zu dem Schluss kommen, dass mit dem Absinken der Fallzahlen auch der Schaden bei Wohnungseinbrüchen zurückgeht. Bezogen auf die Gesamtschadenssumme die insgesamt durch Wohnungseinbrüche verursacht wird gilt das. Ergänzend muss noch berücksichtigt werden, dass als Schaden in der polizeilichen Kriminalstatistik nur der Wert des Diebesgutes erfasst wird, nicht jedoch die verursachten Sachschäden.

Bis etwa zum Jahre 2010 galt noch der Grundsatz, dass der Schaden beim Tageswohnungseinbruch stets höher war als beim „normalen“ Wohnungseinbruch. Seit 2010 hat sich der Trend jedoch umgekehrt. Der Schaden beim „normalen“ Wohnungseinbruch übersteigt seit 2010 jährlich die Schäden die beim Tageswohnungseinbruch entstehen. Insgesamt lässt sich ein weitgehend kontinuierlicher jährlicher Anstieg der Schäden pro einzelnen vollendeten Wohnungseinbruch feststellen.

 


Abb. 7: Schadenshöhe beim Wohnungseinbruch auf Bundesebene 2002 – 201815.

 


Abb. 8: Aufschlüsselung der Schadenshöhe auf Bundesebene 2002 – 201816.

 


Abb. 9: Berechnung der durchschnittlichen Schadenssumme pro vollendetem Wohnungseinbruch bzw. Tageswohnungseinbruch auf Bundesebene17.

 

5 Tatmittel


„Professionelle Täter hebeln eher auf. Unerfahrene Täter nutzen stumpfe Gewalt. Das Aufhebeln von Fenstern und Türen ist mit Abstand die häufigste Zugangsart – in vier von fünf ungeklärten Fällen – und wird sie von Profis bevorzugt. Der Vergleich der Beutehöhe mit der Arbeitsmethode Aufhebeln zeigt: Unabhängig von der Art des Tatobjektes und der Tatklärung wurde bei den Taten, bei denen der Täter sich Zugang über das Aufhebeln von Türen und Fenstern verschafft hat, eine höhere Beute erzielt.“18

Die Masse der Tatmittel die als Einbruchswerkzeuge Verwendung finden, sind üblicherweise legal beschaffbar. Der Erwerb der Einbruchswerkzeuge (i.d.R. Massenartikel) ist durch die Täter unauffällig im Baumarkt und z.T. auch bei Sonderaktionen beim Diskounter möglich. Zum Aufhebeln von Türen oder Fenstern finden in der Regel stabile Schraubendreher Verwendung. Entsprechende Hebelwerkzeuge können im Pkw mitgeführt werden und lassen sich bei Kontrollen als übliches Bordwerkzeug erklären. Gleichfalls ist das Mitführen von Hebelwerkzeugen unter Winterbekleidung unauffällig möglich.

Wenn auch der Anteil der Versuchstaten beim Wohnungseinbruch über die Jahre kontinuierlich angestiegen ist, so sind auch heute neu errichtete Immobilien überwiegend schlecht gesichert. Nach wie vor wird für zusätzliche Sicherungseinrichtungen kaum oder kein Geld ausgegeben. Auch heute werden Neubauobjekte vorzugsweise mit Fenstern und Balkontüren in Kunststoffausführung ausgestattet. Gerade Fenster und Balkontüren mit Kunststoffrahmen lassen sich jedoch, durch die Flexibilität des Rahmenmaterials, für professionelle Täter schnell, geräuschlos und fast beschädigungsfrei aufhebeln. Hierbei sind, bei der späteren Tatortaufnahme, Lage und Zahl der Hebelmarken auch ein Indikator für die Professionalität der Täter.