Illegaler (Online-)Handel

Eine immer noch unterschätzte Bedrohung

3 Bewertung

 

Es ist offensichtlich, dass der RefE mit § 126a StGB einen Straftatbestand schaffen will, der im Vorfeld der eigentlichen schädigenden Handlung (dem illegalen Online-Handel) Verhaltensweisen kriminalisiert.23 Aus Gründen der Vorverlagerung ist die Regelung aber jedenfalls nicht zu verwerfen. Methodisch bedient sich der RefE der strafbarkeitsmodifizierenden Vorverlagerung durch Tatbestandsneuschöpfung.24 Damit wird einerseits erreicht, dass eine typische Beihilfehandlung („Zugänglichmachung“) zur Täterschaft modifiziert wird. Was nach geltender Rechtslage also nur als Beihilfe bestraft werden kann, soll zukünftig als täterschaftlich begangen gelten. Andererseits bedarf es damit nicht mehr der Anknüpfung an eine vorsätzlich und rechtswidrig begangene Haupttat (bspw. dem Vertrieb von Waffen). Es kommt also nicht mehr darauf an, dass der Anbieter der Online-Plattform von dieser Tat Kenntnis hat. Diese Regelungstechnik ist dem deutschen Strafrecht nicht fremd (vgl. § 202c StGB: „verkaufen“, „überlassen“). Allerdings sind die Grenzen einer solchen Regelungstechnik zu beachten. Sie liegen in dem Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Täterschaft und Teilnahme begründet. Das hat der Gesetzgeber auch aus Gründen des Art. 3 GG zu beachten, denn was materiell Teilnahme ist, ist als Teilnahme und nicht als Täterschaft zu bestrafen. An dieser Stelle besteht erheblicher Forschungsbedarf. Auch wenn dem RefE in kriminalpolitischer Hinsicht zuzustimmen ist, bedarf es noch weiterer Justierungen, um diese neue Regelung in das geltende Strafrechtssystem widerspruchsfrei zu integrieren.

 

4 Herausforderungen durch illegalen Online-Handel


Der RefE greift in vielerlei Hinsicht wichtige Ansatzpunkte zur Effizienzsteigerung der Verfolgung des illegalen Handels auf und passt das Strafrecht an aktuelle, digitale Entwicklungen an. Durch diesen Schritt will man die Infrastruktur des illegalen Online-Handels schwächen. Allein mit den Mitteln des Strafrechts wird man den Herausforderungen jedoch nicht begegnen können. Erforderlich ist vielmehr ein strategisches Konzept, das Strafverfolgungspraxis, Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und den Verbraucher in die Prävention und Repression des illegalen Online-Handels einbezieht. Grob skizziert lassen sich die Prinzipien eines solchen Konzepts beschreiben als: Erkennen – Entfernen – Verhindern. Die Details können hier aufgrund der Komplexität des Phänomens25 des illegalen Online-Handels nicht dargelegt und sollen in einer eigenen Studie ausgeführt werden.26 An den Beginn der Überlegungen ist aber die Erkenntnis zu stellen, dass sich kriminelle Akteure mit dem Online-Handel eine enorme Profitquelle erschlossen haben, die noch zu wenig im Fokus gegenwärtiger Präventions- und Repressionsstrategien steht. Für die Zukunft muss auch stärker die Nachfrageseite in die Prävention dieser illegalen Märkte einbezogen werden.

 

Anmerkungen

 

  1. Der Autor ist Direktor des ZEIS an der Universität Osnabrück.
  2. Vgl. die Pressemitteilung euipo.europa.eu/tunnel-web/secure/webdav/guest/document_library/observatory/docs/2019_Status_Report_on_IPR_infringement/2019_Status_Report_on_IPR_infringement_pr_germany.pdf (14.6.2019).
  3. Kosmetika und Körperpflegeprodukte, Bekleidung, Schuhe und Accessoires, Sportartikel, Spielzeug und Spiele, Schmuck und Uhren, Taschen und Koffer, bespielte Tonträger, Spirituosen und Wein, Arzneimittel, Pestizide und Smartphones.
  4. Vgl. o. (EN 2).
  5. Vgl. a. Europäische Kommission C(2016) 3724 final v. 20.6.2016, S. 2.
  6. www.europol.europa.eu/activities-services/europol-in-action/operations/operation-in-our-sites-ios (14.6.2019).
  7. Vgl. Sinn, Wirtschaftsmacht Organisierte Kriminalität, Heidelberg 2017, S. 52.
  8. Vgl. kripoz.de/2019/04/04/referentenentwurf-eines-zweiten-gesetzes-zur-erhoehung-der-sicherheit-informationstechnischer-systeme-it-sicherheitsgesetz-2-0-it-sig-2-0/ (14.6.2019).
  9. Vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD „Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschland. Ein neuer Zusammenhalt für das Land“, Zeile 6006.
  10. Vgl. BR-Drs. 33/19 (Grunddrucksache) v. 18.1.2019.
  11. Vgl. dazu die Stellungnahme des bayrischen Staatsministers der Justiz Eisenreich in BR-Prot. 975 v. 15.3.2019, S. 92.
  12. Vgl. BR-Prot. 974 v. 15.2.2019, S. 18 ff.
  13. Vgl. BR-Drs. 33/1/19 (Ausschussempfehlung) v. 1.3.2019.
  14. Vgl. BR-Drs. 33/19 (Beschluss) v. 15.3.2019.
  15. Vgl. BR-Drs. 33/19 (Beschluss) v. 15.3.2019, Anlage S. 1 f.
  16. Vgl. die Lagebilder des BKA zur OK.
  17. Vgl. die Jahresstatistiken des Zolls.
  18. Vgl. Savona/Riccardi (Hrsg.), From illegal markets to legitimate businesses: The portfolio of organised crime in Europe, Final report of project OCP, 2015, S. 7.
  19. Vgl. Savona/Riccardi (Fn.17), S. 9.
  20. Vgl. Savona/Riccardi (Fn.17), S. 9.
  21. Vgl. Savona/Riccardi (Fn.17), S. 66.
  22. Vgl. bspw. die Reform des Rechts der Vermögensabschöpfung und die erst nach intensiven Beratungen (vgl. Vgl. BT-Drs. 18/11640, S. 17) erfolgte Ergänzung des § 76a Abs. 4 S. 3 Nr. 2 a) und c) um § 370 Abs. 3 Nr. 5 AO sowie § 374 Abs. 2 AO.
  23. Zu weiteren strafrechtsdogmatischen Problemen vgl. Oehmichen/Weißenberger KripoZ 2019, S. 174 ff.
  24. Sinn, in: Sinn u.a. (Hrsg.), Grenzen der Vorverlagerung in einem Tatstrafrecht, Göttingen 2011, S. 37 ff.
  25. Vgl. dazu die Studie des Verf., Wirtschaftsmacht organisierte Kriminalität, Heidelberg 2017.
  26. Vgl. dazu demnächst der Verf. in einer neuen Studie zum illegalen Online-Handel.
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