Außer Kontrolle

– Über die Freiheiten und die (Kriminalitäts-)Entwicklung in den bundesdeutschen Rotlichtmilieus –

Über Reiseerleichterungen für Täter und Opfer


Seit dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens in die Europäische Gemeinschaft im Jahre 2007 werden Frauen (und Kinder) vermehrt aus und über diese beiden Länder nach Deutschland gehandelt und auf der „Balkan-Schiene“ hierher verbracht. Dadurch sind plötzlich auch zahlreiche Ungarinnen (Romas) in den Rotlichtzentren Österreichs, der Schweiz und Deutschlands anzutreffen. Und bulgarische, rumänische und ungarische Zuhälter dazu. Doch nicht nur die mit dem EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens verbundenen Reiseerleichterungen wurden unverzüglich für die Rekrutierung und Schleusung der Opfer dieser Märkte genutzt. Nicht nur sie belegen, wie schnell und geschickt die international agierenden Täter und Tätergruppierungen auch auf grenz-politische Veränderungen hin reagieren und wie gekonnt sie bestehende Lücken nützen.
Bereits im Jahre 2002 (Im Jahr des Inkrafttretens des Prostitutionsgesetzes), machte der deutsche Botschafter in der Republik Moldowa (Moldawien) das Auswärtige Amt in Berlin wiederholt darauf aufmerksam, dass nicht mehr das Botschaftspersonal, sondern allein Gruppierungen der Organisierten Kriminalität darüber entscheiden, wer ein Visum für die Einreise von Moldowa nach Deutschland erhält und wer nicht. Vor dem Gebäude der deutschen Botschaft in Chisinau, der Hauptstadt Moldawiens, bildeten sich damals jeden Morgen lange Menschenschlangen. Drei-, vierhundert Personen, zumeist junge Männer und junge Frauen, standen täglich geduldig an, um ein Visum zur Einreise in die BRD zu ergattern. Doch nicht nur das. Vor der Botschaft, seitlich neben Gebüsch und unter Bäumen, wurden auch jeden Morgen, pünktlich zur Öffnungszeit der Botschaft, mehrere PS-starke Nobelfahrzeuge der Firma Daimler-Benz mit getönten Scheiben geparkt. Und dann gab es – Tag für Tag – fortgesetzt Bewegungen aus der Menschenschlange heraus zu diesen Fahrzeugen hin und von den Fahrzeugen in den vorderen Bereich der diszipliniert aufgereihten Menschen vor der Botschaft.
Allein die Herrschaften in den Fahrzeugen mit dem Stern auf der Motorhaube entschieden auf diese Weise über lange Zeiträume hinweg, wer das Botschaftsgebäude betreten konnte und wer nicht. Allein die der Organisierten Kriminalität zuzuordnenden Kontrolleure entschieden, wer in den Besitz eines Visums kommen und nach Deutschland einreisen konnte und wer nicht. Es kann getrost davon ausgegangen werden, dass es neben den wenigen, die dafür bezahlen konnten, vorrangig OK-Angehörige und ihre Helfer waren und deren (potenzielle) vorwiegend weibliche Opfer aus dem verarmten, kleinen Land. Es erscheint geradezu unglaublich: Die Hilferufe des Botschafters blieben ungehört.
Erst viel später wurde dann (ohne nennenswertes Ergebnis und ohne Folgen) versucht, die Angelegenheit aufzuarbeiten (Visa- oder Fischer-Volmer-Affäre mit Untersuchungsausschuss im Jahre 2005) und Außenminister Fischer musste sich im Parlament als Zuhälter bezeichnen lassen. Als solcher bestraft wurde er freilich nie.
Gegenwärtig werden von kriminellen Balkan-Syndikaten und albanischen Clans offensichtlich höchst interessiert die Vermittlungsgespräche über einen möglichen und beabsichtigten EU-Beitritt Albaniens verfolgt. Der Hintergrund: Albanische Clans – die albanische Mafia – haben während der letzten Jahre dem Kanun, den überlieferten und ungeschriebenen „Gesetzen der Berge“ wieder Leben eingehaucht. Nicht ohne Grund, denn nach diesen Gesetzen sind Frauen und Kinder geradezu rechtlos und sie sind der Besitz des Mannes. Das ist deshalb bedeutsam und von Nutzen, weil sich diese kriminellen Clans (unter anderem) auf den Frauen- und Kinderhandel spezialisiert haben und längst nicht mehr nur das Prostitutionsgeschehen in verschiedenen Balkanregionen sondern auch in weiten Teilen Italiens und in vielen Städten und Regionen Deutschlands beherrschen.
Albanien (und seine Nachbarländer, in denen Albaner wohnen) hat zudem die jüngste Bevölkerung Europas. Und mit den zahlreichen (rechtlosen und im Besitz der Männer befindlichen) Kindern und jungen Frauen des Landes und solchen aus anderen Rekrutierungsländern sind offensichtlich weiterhin Handels- und Ausbeutungsgeschäfte in großem Ausmaß geplant. Vorwiegend im dafür geradezu prädestiniert erscheinenden Zielland Bundesrepublik Deutschland, welches von diesen Clans bereits nahezu flächendeckend besetzt ist und wo die Basis bereits besteht.
Während man im politischen Deutschland noch immer davon auszugehen scheint, dass von einem kleinen und unterentwickelten Land keine Gefahr ausgehen kann, wird die albanische Mafia (nach zum Teil erschreckenden und sehr leidvollen Erfahrungen) von italienischen Experten und von der amerikanischen Bundespolizei FBI gleichermaßen und seit geraumer Zeit als die gegenwärtig gefährlichste Verbrecherorganisation dieser Welt bezeichnet.
Dass im Rahmen der Annäherung des Landes Albanien an die EU seit 15. Oktober 2010 Albanern Visafreiheit (auch) für die Einreise nach Deutschland gewährt wird – sofern die Einreisenden einen biometrischen Pass besitzen, was für den albanischen Normalbürger aus finanziellen Gründen ein Problem sein kann, für Kriminelle und der OK zuzuordnende Personen und ihre Opfer allerdings kaum –, das wird vom ersten Tag an in hohem Maße genutzt.
Und diese (Ein-)Reiseerleichterung machen sich auch nicht nur die von Albanien aus agierenden Clans sondern ganz selbstverständlich auch die albanisch-stämmigen Kriminellen in Kosovo zunutze, die noch immer ein Visum für die Einreise nach Deutschland bräuchten, aber zum Beispiel die täglich verkehrende Fähre von Durres in Albanien nach Bari/Italien benutzen, um in den EU-Raum und nach Deutschland zu gelangen. Sie bräuchten ein Visum, sie brauchen dennoch keines.
Die wenigen Beispiele (es gibt noch viel mehr davon) zeigen, dem Transport der Ware Frau und Kind von Ost- und Südosteuropa und ihrer Ausbeutung im häufig von Täter- wie von Opferseite bevorzugten Zielland Deutschland, werden durch Visabestimmungen und Einreisebeschränkungen sowie (fehlende) Grenzkontrollen längst keine ernsthaften oder wirksamen Hürden oder Grenzen mehr gesetzt. Auch deshalb nimmt der Frauen- und Kinderhandel von Arm nach Reich, von Ost nach West oder vom Balkan nach Deutschland nicht ab sondern weiterhin zu.