„Wir müssen der Ort sein, an dem auch unbequeme Fragen zur Entwicklung der Polizei diskutiert werden“

Gespräch mit Hans-Jürgen Lange, Präsident der DHPol

Kriminalpolizei: Aber warum bis 2022? Ist das nicht nahezu endlos und zu sehr akademisch?

Prof. Lange: Die DHPol war, ist und bleibt ein kompliziertes Gebilde: Getragen von 16 Bundesländern und vom Bund, wobei dieser vertreten ist vom BMI, vom BKA und von der Bundespolizei. Also 19 Akteure. Es sind zwei Wissenschaftsministerien dabei, NRW als Sitzland der Hochschule sowie das Wissenschaftsministerium des Landes, das jeweils den Vorsitz im Kuratorium ausübt. Macht 21 Akteure. Wir sind eng verbunden mit den Fachhochschulen und Akademien der Länder und des Bundes, beispielsweise in der Durchführung des ersten Jahres des Masterstudiengangs. Das sind weitere 18 Partner, die wir einbeziehen. Macht bereits 39 Mitspieler. In der DHPol sind alle fünf Statusgruppen beteiligt: Professoren, polizeiliche Fachgebietsleiter und Lehrkräfte für besondere Aufgaben, die wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen, die nicht-wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen sowie die Studierenden. Wir haben es also mit rund 44 unterschiedlichen Interessen und Sichtweisen zu tun. Wenn wir ein tragfähiges Modell der DHPol als Universität der Polizeien in Deutschland entwickeln wollen, müssen wir diese Stimmen einbeziehen. Und in einigen Punkten sind diese sehr unterschiedlich. Am Ende entscheiden die Gremien, Senat und Kuratorium.



Kriminalpolizei: Wer leitet oder moderiert diesen Prozess?

Prof. Lange: Der Präsident der DHPol gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Kuratoriums.

Kriminalpolizei: Und das funktioniert angesichts so vieler „Player“?

Prof. Lange: Ja, erstaunlich gut. Es benötigt aber Zeit, von 2017 bis 2022. Der Lackmustest kommt zum Schluss. Es soll dann ein Konzept vorliegen, das alle beteiligten Akteure zumindest in den grundlegenden Fragen mittragen.

Kriminalpolizei: Schauen wir aus einer anderen Perspektive darauf: Häufig wird die zunehmende Akademisierung in der Polizeiausbildung kritisiert, mehr Praxisorientierung eingefordert und herausgestellt, dass der Polizeiberuf schließlich ein Erfahrungsberuf sei. Ist diese Kritik berechtigt und gilt sie auch für das Studium an der DHPol, insbesondere unter den universitären Vorzeichen?

Prof. Lange: Die Forderung nach Praxisorientierung ist eine Forderung, mit der sich nahezu alle Studiengänge, vor allem aber solche, die auf einen konkreten Beruf vorbereiten, konfrontiert sehen. Anders als in der Polizei liegen z.B. für den Lehrerberuf Studien vor, die sich damit beschäftigen, was Praxis aus Sicht der Studierenden bedeutet. Dabei zeigt sich, dass Praxisorientierung aus Sicht der Studierenden nicht mit der tatsächlichen Berufspraxis übereinstimmt. Akademische Ausbildungen zielen gerade deshalb darauf ab, die Absolventinnen und Absolventen nicht nur auf die aktuelle, sondern und vor allem auf die zukünftige Berufstätigkeit vorzubereiten. Dazu bedarf es umfassender Theorie- und Methodenkenntnisse, die möglicherweise von den Studierenden als praxisfern wahrgenommen werden. Die Herausforderung in der Lehre besteht darin, den Studierenden die Funktion der Inhalte und Methoden für ihre berufsfeldbezogene akademische Qualifizierung deutlich zu machen. Aus unseren Absolventenstudien wissen wir, dass Inhalte, die im Studium als praxisfern bewertet wurden, nach Abschluss des Studiums als besonders nützlich bewertet werden. Betrachtet man die Veränderungen des polizeilichen Berufsfeldes in den letzten Jahren, so zeigt sich, dass Erfahrungen ein hohes Gut sind und in Routinesituationen des Berufsalltags sich als sehr hilfreich erweisen. Die Aufgaben der Polizei ändern sich jedoch so rasant wie unsere Gesellschaft. Deswegen müssen die Führungskräfte von morgen fähig sein, ihr Vorgehen immer wieder neu- und weiter zu entwickeln. Die Methoden und die Analysefähigkeiten dafür lernen sie bei uns.