Rechtssprechung

Zeugnisverweigerungsrecht bei Verlöbnis

Wichtige BGH-Entscheidung

1. Vorbemerkung

Seit 1877 ist in der Strafprozessordnung das Zeugnisverweigerungsrecht des Verlobten an erster Stelle des Katalogs des § 52 StPO aufgeführt. Da sollte man eigentlich meinen, dass in den vergangenen fast 140 Jahren alle denkbaren Fallkonstellationen schon einmal durchgespielt und höchstrichterlich entschieden worden sind. Die Praxis beweist das Gegenteil, wie der dem BGH zur Entscheidung vorliegende Sachverhalt zeigt.

Wir alle kennen das Zustandekommen eigenartiger Verlöbnisse, die dazu führen, dass eine zunächst höchst belastende und in sich schlüssige Aussage einer Frau gegen einen Mann in der Hauptverhandlung plötzlich nicht mehr verwertet werden kann, weil sich die beiden inzwischen verlobt haben.

Während man bei von vornherein bestehenden Zeugnisverweigerungsrechtskonstellationen mit einer richterlichen Vernehmung eine Aussage bekanntlich absichern kann, geht dies dann nicht, wenn, obwohl ein solches Verhältnis bestand, eine Belehrung nicht erfolgt ist oder wenn das zur Zeugnisverweigerung berechtigende Verhältnis nach der Aussage, aber vor der Hauptverhandlung entstand. Diese Fallkonstellationen sind schon seit langem durch die Rechtsprechung entschieden.

Der Fall, den der BGH nun zu entscheiden hatte, lag wieder etwas anders:

Die Zeugin hatte in den ersten Vernehmungen vor der Polizei und dem Ermittlungsrichter das Bestehen eines Verlöbnisses verneint. Sie hatte sogar beantragt, als Nebenklägerin zugelassen zu werden. Erst zu Beginn der Hauptverhandlung berief sie sich auf ein Verlöbnis mit dem Angeklagten. Hätte sie nun geschwiegen, wären ihre früheren Aussagen nicht verwertbar gewesen. Um ihren jetzigen „Verlobten" zu entlasten, entschloss sie sich aber zur Aussage, wobei sie ihre ursprünglichen Vorwürfe zurücknahm.

„Se tacuisses philosophus mansisses - wenn du geschwiegen hättest, wärst Du ein Weiser geblieben" - diese Lebensweisheit wird sich die Zeugin jetzt vor Augen halten müssen, denn der BGH schloss aus ihrer nunmehrigen Aussagebereitschaft, dass die früheren Aussagen vor Polizei und Richter in das Verfahren eingebracht werden dürfen.

2. Die BGH-Entscheidung

BGH, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 StR 445/02 (LG Erfurt), veröffentlicht u. a. in NJW 2003, 2619

2.1 Der Sachverhalt:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

Nach den Feststellungen hat der Angeklagte die Zeugin W im November 2001 in deren Wohnung in J. an den Haaren gezogen, ihren Kopf gegen die Wand geschlagen, anschließend ihr die Hände auf dem Rücken festgehalten und gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr vollzogen.

Am 19.2.2002 trat er ihr in seiner Wohnung in E. mit dem Fuß in den Bauch und zwang sie mit Gewalt zum Oralverkehr.

Das Landgericht stützt die Verurteilung des die Taten bestreitenden Angeklagten überwiegend auf Bekundungen der Zeugin W bei ihrer Vernehmung durch einen Ermittlungsrichter. Mit seiner auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision wendete sich der Angeklagte gegen diese Entscheidung. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.



2.2 Der Leitsatz

Beruft sich ein Zeuge in der Hauptverhandlung zunächst auf sein Zeugnisverweigerungsrecht als Verlobter und sagt später gleichwohl zur Sache aus, um eine frühere richterliche Vernehmung zu entkräften, so macht er die früheren Vernehmungsinhalte zum Gegenstand seiner unter Verzicht auf sein Zeugnisverweigerungsrecht erfolgten Aussage in der Hauptverhandlung; diese sind verwertbar, auch wenn er früher nicht über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt wurde.

2.3 Die Begründung

2.3.1 Das Aussageverhalten der Zeugin

Die Revision des Angeklagten macht geltend, dass der Ermittlungsrichter nicht über den Inhalt der richterlichen Vernehmung der Zeugin W hätte vernommen werden dürfen, weil die Zeugin vor der Vernehmung durch den Ermittlungsrichter nicht über ihr Zeugnisverweigerungsrecht belehrt worden sei. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:



Die Zeugin W erstattete am 19.2.2002 gegen den Angeklagten bei der Kriminalpolizei E. Strafanzeige wegen der abgeurteilten Vorfälle. Zu Beginn ihrer Vernehmung verneinte sie die Frage, ob sie mit dem Angeklagten verlobt, verheiratet, verwandt oder verschwägert sei. In der Aussage selbst schilderte sie zunächst das der Verurteilung zugrunde liegende Geschehen vom 19.2.2002, sodann von sich aus auch die frühere Tat. Sie erklärte dabei, dass sie mit dem Angeklagten seit Januar 2000 zusammen gewesen sei und mit ihm in einer Wohnung gewohnt habe. Im Oktober 2001 habe sie sich vom Angeklagten aber getrennt.

Bei einer weiteren polizeilichen Vernehmung am 25.2.2002, bei der sie ihre belastende Aussage wiederholte, verneinte sie wiederum die Frage, ob sie mit dem Angeklagten „verlobt, verheiratet, verwandt oder verschwägert" sei.

Die Tatvorwürfe bestätigte sie erneut in ihrer Vernehmung am 22.3.2002 durch den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts J., wobei sie auf ausdrückliche Frage erklärte, mit dem Angeklagten nicht verlobt zu sein, wie der Richter als Zeuge in der Hauptverhandlung bekundet hat.

Die Zeugin beantragte im Verlauf des Ermittlungsverfahrens auch ihre Zulassung als Nebenklägerin.

Nach Anklageerhebung legte der Verteidiger des Angeklagten eine schriftliche Erklärung der Zeugin W vom 6.5.2002 vor, in der diese ankündigte, ab sofort als Verlobte von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 52 Abs. 1 Nr. 1 StPO Gebrauch zu machen; ihren Antrag auf Zulassung als Nebenklägerin nahm sie zurück.

In der Hauptverhandlung verweigerte sie bei ihrer ersten Vernehmung am 28.5.2002 als Verlobte des Angeklagten die Aussage. Nach der Überzeugung des Landgerichts, das die Zeugin über die Umstände und den Zeitpunkt des Verlöbnisses anhörte, bestand zwischen dem Angeklagten und dieser tatsächlich bereits im Juni 2000 ein rechtswirksames Verlöbnis. Die Strafkammer vernahm anschließend den Ermittlungsrichter über die Bekundungen der Zeugin bei ihrer richterlichen Vernehmung. Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung beantragte der Verteidiger des Angeklagten am 6.6.2002 die erneute Vernehmung der Zeugin W, weil diese sich nunmehr zur Sache äußern wolle; dabei werde sich ergeben, dass sie bei den polizeilichen und richterlichen Vernehmungen den Angeklagten zu Unrecht belastet habe, weil sie diesen habe loswerden wollen.

Vorgelegt wurde auch eine Erklärung der Zeugin vom 5.6.2002, in der es unter anderem hieß, die Angaben bei ihren Vernehmungen durch die Kriminalpolizeiinspektion E. am 19. und 25.2.2002 sowie bei ihrer richterlichen Vernehmung am 22.3.2002 seien zu großen Teilen unrichtig. In der Hauptverhandlung widerrief sie ihre früheren Angaben und machte entsprechend dieser Erklärung den Angeklagten entlastende Angaben.

Das Landgericht hält die Angaben der Zeugin W zu den Taten in der Hauptverhandlung für unrichtig und legt seinem Urteil deren Bekundungen beim Ermittlungsrichter zugrunde.

2.3.2 Der BGH zur unterbliebenden Belehrung

„Die Revisionsrüge ist im Ergebnis unbegründet. Denn selbst wenn die Ansicht der Revision zugrunde gelegt würde, die ermittlungsrichterliche Vernehmung der Zeugin sei fehlerhaft, weil es an der erforderlichen Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Verlobte fehlte, führt dies nicht zu einem Erfolg der Revision.

Macht ein Zeuge in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, so darf über den Inhalt einer Aussage, die er bei einer früheren richterlichen Vernehmung nach Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht gemacht hat, durch Vernehmung des Richters Beweis erhoben werden. Ist eine Belehrung nicht erfolgt oder ist das ein Zeugnisverweigerungsrecht begründende Rechtsverhältnis erst später entstanden, darf auch die Bekundung vor einem Richter nicht in das Verfahren eingeführt und verwertet werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Zeuge in der Hauptverhandlung nach Belehrung gem. § 52 Abs. 3 StPO aussagt und zumindest konkludent zu erkennen gibt, dass er mit dem Rückgriff auf die frühere Aussage einverstanden ist" (so die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung).

2.3.3 Der BGH zur Bewertung neuer Aussageinhalte

„Allerdings weist die Revision zutreffend darauf hin, dass die Rechtsprechung bisher nur in solchen Fällen von einem nachträglichen Einverständnis mit der Verwertung früherer, ohne Belehrung erfolgter Aussagen ausgegangen ist, in denen die Zeugen inhaltlich bei den belastenden Angaben geblieben sind.

Nichts anderes kann aber gelten, wenn ein Zeuge nunmehr seine früheren den Angeklagten belastenden Angaben nicht mehr gelten lassen will und sich deshalb entschließt, trotz seines Zeugnisverweigerungsrechts auszusagen, um seine früheren Angaben zu entkräften.

Denn er stellt sich in Kenntnis seiner Rechte insgesamt als Beweismittel zur Verfügung. Ihm wird nur die Möglichkeit gewährt, die Aussage insgesamt zu verweigern oder Angaben zu machen.

Das Zeugnisverweigerungsrecht soll nur gewährleisten, dass der zur Zeugnisverweigerung Berechtigte bis zur Hauptverhandlung frei entscheiden kann, ob seine frühere, vielleicht voreilige und unbedachte Aussage verwertet werden darf. Er hat deshalb das Recht, in der Hauptverhandlung das Zeugnis zu verweigern sowie seine frühere Entscheidung zu ändern, nicht aber die Befugnis zu einer weitergehenden Einflussnahme auf das Verfahren. Da das auf einem Verstoß gegen § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO beruhende Beweisverwertungsverbot allein der Sicherung des mit der Gewährung des Rechts der Zeugnisverweigerung verfolgten Zwecks dient, kann der Zeuge auch nur in diesem Rahmen darüber verfügen, d.h.:

Er kann entscheiden, ob er sich als Beweismittel zur Verfügung stellen will oder nicht. Darüber hinaus hat er, jedenfalls dann, wenn er sich zur Aussage in der Hauptverhandlung entschließt, keine Möglichkeit, den Umfang der Verwertbarkeit seiner Aussage zu bestimmen.

Macht er nach Belehrung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht keinen Gebrauch, muss er die Folgen seines Entschlusses hinnehmen, auch wenn er sie sich anders vorgestellt hat.

Deshalb ist es - entgegen der Auffassung der Revision - ohne Belang, ob der Zeugin bei ihrem Entschluss zur Aussage in der Hauptverhandlung daran gelegen war, gerade auch ihre frühere Aussage gelten zu lassen oder nicht. Denn es liegt auf der Hand, dass auch ihre früheren Angaben Gegenstand der neuerlichen Vernehmung und der Erörterung in der Hauptverhandlung werden mussten. Auf diese Weise wurden sie, wenn auch als widerrufene Tatsachenbehauptungen, Gegenstand der Beweisaufnahme und unterliegen damit auch der freien Beweiswürdigung durch das Gericht. Im vorliegenden Fall konnte die Zeugin - wie die Urteilsgründe belegen - eine vollständige Aussage, die ihrem Anliegen gerecht werden sollte, nur machen, wenn sie die Umstände der Anzeige offenbarte und auch den Inhalt ihrer früheren Bekundungen, ihre Motive dafür, sowie die Gründe für ihren Aussagewechsel in ihre nunmehrige Aussage einbezog. Ohne diese Umstände wäre ihre Vernehmung unvollständig und auch unverständlich. Auch die gebotene Glaubwürdigkeits- und Glaubhaftigkeitsprüfung konnte nicht isoliert und ohne Einbeziehung der früheren - belastenden - Aussage erfolgen. Darauf, ob in dem Verhalten der Zeugin auch eine nachträgliche Zustimmung zu der Verwertung ihrer früheren richterlichen Aussage gesehen werden kann, kommt es deshalb unter den gegebenen Umständen nicht an."

2.3.4 Der BGH zur grundsätzlichen Bewertung der Aussage

„Auch die Interessen der Allgemeinheit verlangen, dass dem Einfluss eines Zeugen auf ein Strafverfahren dort Grenzen gezogen werden, wo seine eigenen schutzwürdigen Interessen dies nicht mehr zwingend gebieten. Insbesondere in Fällen unlauterer Manipulation gebührt dem Grundsatz der Wahrheitserforschung, der zum Schutz der Allgemeinheit die Aufklärung, Verfolgung und gerechte Ahndung von Straftaten unter Verwendung aller verfügbaren Beweismittel fordert, Vorrang vor den Interessen des Zeugen, der sich pflichtwidrig durch sein Verhalten zum „Herrn des Verfahrens" zu machen sucht, um durch sein Verhalten die gebotene Wahrheitsermittlung zu vereiteln.

Das gilt auch für den Fall des wahrheitswidrigen Verschweigens eines Verlöbnisses und der späteren Aussagebereitschaft des Zeugen.

Würde das auf das Verhalten des Zeugen zurückzuführende Unterbleiben der Belehrung generell ohne Rücksicht auf den Einzelfall zur Unverwertbarkeit dieser Bekundungen führen, während seine sonstigen Angaben der Beweiswürdigung zugrunde gelegt werden müssten, läge es in der Hand des Zeugen, dem Gericht bestimmte Beweise vorzuenthalten, während er ihm andere „aufnötigt".

Hätte die Zeugin bei ihrer früheren richterlichen Vernehmung eine die Belehrung nach § 52 Abs. 3 StPO gebietende Verlobung nicht verschwiegen, wäre sie unzweifelhaft über ihr Zeugnis-verweigerungsrecht belehrt worden. Sie hätte auch nach Belehrung, wie die Umstände der Aussage belegen, ausgesagt. Denn die Zeugin war nach der schweren Misshandlung durch den Angeklagten selbst zur Anzeigeerstattung bei der Kriminalpolizei erschienen, auch in der kurzfristig anberaumten Vernehmung durch den Ermittlungsrichter war sie noch voller Entsetzen über das Vorgehen des Angeklagten. Sie hat zusätzlich ihr Verlangen nach einer Bestrafung des Angeklagten ausdrücklich durch ihren Antrag auf Zulassung als Nebenklägerin bekundet.

Die Angaben der Zeugin bei ihrer früheren Vernehmung durch den Ermittlungsrichter, die durch Bekundungen weiterer Zeugen, denen die Zeugin W von den Vorfällen berichtet hat, erhärtet wurden, konnten deshalb ohne Verstoß gegen ein Verwertungsverbot zugrunde gelegt werden."

2.3.5 Der BGH zum Begriff „Verlöbnis"

„Für die Wirksamkeit eines auf Verwandtschaft und Schwägerschaft beruhenden Zeugnisverweigerungsrechts ist es nach der bisherigen BGH-Rechtsprechung ohne Bedeutung, wenn ein Zeuge sich selbst als „mit dem Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert" bezeichnet, weil es auf die Kenntnis des Gerichts von dem bestehenden Angehörigenverhältnis nicht ankommt. Ob an dieser Rechtsprechung auch bei dem auf einem Verlöbnis beruhenden Zeugnisverweigerungsrecht festgehalten werden soll, lässt der Senat offen. Dagegen könnte sprechen, dass das Verlöbnis ein vom Willen der Betroffenen abhängiges, an keine Form gebundenes Rechtsverhältnis ist, das auch form- und fristlos von einem der Beteiligten aufgelöst werden kann. Die Auflösung eines bestehenden Verlöbnisses kommt sogar dann in Betracht, wenn einer der Beteiligten einseitig den Heiratswillen aufgibt, ohne dass der andere Teil davon Kenntnis hat.

Angesichts dieser tatsächlichen Unsicherheiten über das Entstehen und die Dauer des das Zeugnisverweigungsrecht auslösenden Rechtsverhältnisses ,Verlöbnis' erscheint vor allem in Fällen der Täuschung über ein Verlöbnis eine Anwendung der genannten Rechtsprechung, die in Fällen eines kraft Gesetzes bestehenden Rechtsverhältnisses (Verwandtschaft, Schwägerschaft) eine sachliche Berechtigung haben kann, fraglich."

3. Schlussbetrachtung

Mit dieser Entscheidung hat sich der BGH wieder einmal ein Kompliment verdient. Es sind die Fälle, in denen der Rechtsmissbrauch bei der Inanspruchnahme des Zeugnisverweigerungsrechts so offensichtlich ist, dass einem manchmal der Sinn dieser Regelungen nicht einleuchtet und deren praxisorientierte Anwendung durch die Gerichte Zweifel aufwirft.

Wenn dann noch hinzu kommt, dass eine im Vorfeld gemachte und nach allen Regeln forensischer Erfahrung abgesicherte und in sich schlüssige Aussage in der Hauptverhandlung als gegenstandslos und nur aus Gründen persönlicher Rache gemacht dargestellt wird, würde ein Freispruch des Angeklagten kaum bei irgend jemand auf Verständnis stoßen.

Im Übrigen ist wirklich zu überlegen, ob im Jahre 2004 dem Begriff des „Verlöbnisses" noch die gleiche Bedeutung zukommt wie vor über einhundert Jahren. Was einmal eine fes-te voreheliche Institution mit sogar zivilrechtlichen Konsequenzen war, hat heute in weiten Bevölkerungskreisen doch kaum mehr große Bedeutung. Dem sollte auch die Rechtssetzung Rechnung tragen, vor allem, wenn das ursprünglich sicher sinnvolle Rechtsinstitut der Zeugnisverweigerung unter Verlobten in Gefahr gerät, zu einem wohlfeilen Schlupfloch für Rechtskundige (meist nach Beratung durch findige Anwälte) zu verkommen.

Das hat der 2. Strafsenat des BGH wohl auch so gesehen und - hoffentlich - einen Impuls für die künftige Rechtsprechung in solchen Fällen gegeben.

Wolfgang Jörg
Polizeidirektor a. D.