Recht und Justiz

V-Leute im Recht

4. Wie wirkt sich dieses Rechtsverhältnis auf die Frage der Offenlegung von Quellen aus, auch möglicherweise gegen den Willen der Vertrauensperson?


Erfolgt die Offenlegung einer Quelle mit deren Einverständnis, ist die Rechtslage unproblematisch. Die Vertragsparteien sind jederzeit in der Lage, einvernehmlich die Zusammenarbeit publik zu machen. Insofern bestehen auch keine Rechte Dritter.
Die Enttarnung, mithin die vorsätzliche oder fahrlässige Offenlegung der Zusammenarbeit, gegen den Willen der Quelle, könnte hingegen vertragliche und/oder deliktische Ansprüche der Quelle auslösen. Insofern ist auch zu differenzieren, ob die Enttarnung offiziell erfolgt, dass heißt durch das Ministerium bzw. den Nachrichtendienst oder durch Mitarbeiter der jeweiligen Behörden oder gar Dritte mit entsprechendem Kenntnisstand. 
Die Geheimhaltung der Beziehung ist zwar keine Hauptleistungspflicht der Vertragsparteien, sie ist aber zumindest für eine Vertragspartei, nämlich für die Quelle von so essentiellem Interesse, dass ohne die Wahrung des Geheimschutzes der Vertrag nicht zustande käme. Mithin ist die Geheimhaltung nicht nur Geschäftsgrundlage, sondern auch eine besondere Nebenpflicht, die über das Ende der Zusammenarbeit hinaus wirkt. Solche Nebenpflichten sind weder für Werk- noch Dienstverträge ungewöhnlich53
Wenn die Behörde, die um die Bedeutung der Wahrung der Geheimhaltung weiß, diese Nebenpflicht der Verschwiegenheit aber vorsätzlich oder fahrlässig verletzt, so können vertragliche als auch deliktische Ansprüche entstehen, zumal schon die Handlungen der Quelle selbst zivilrechtlich nach den Bestimmungen über die Hoheitshaftung (Art. 34 GG, § 839 BGB) erfasst werden können54. Dieses ist jedoch anhand des Einzelfalles zu prüfen. 
Der vertragliche Anspruch könnte sich aus § 280 BGB ergeben. Danach kann ein Vertragspartner bei der Verletzung der aus einem Schuldverhältnis bestehenden Pflichten Ersatz des dadurch entstandenen Schadens verlangen55. Dies gilt auch, soweit nachvertragliche Pflichten bestehen und verletzt werden56
Die Wahrung der Geheimhaltung gehört zu den Schutzpflichten im Sinne des § 280 BGB57, d.h. der Pflichten der Vertragsparteien sich bei der Abwicklung des Vertrages so zu verhalten, dass Leben, Körper, Eigentum und sonstige Rechtsgüter des anderen Teils nicht verletzt werden58
Zwar schädigt die Enttarnung noch kein Rechtsgut der Quelle, denn es müssen regelmäßig noch weitere Aktivitäten Dritter hinzutreten, um eine Verletzung herbeizuführen. Die Enttarnung ist aber kausal für die Gefährdung der Quelle. Diese Gefährdung kann die Quelle zu teuren Handlungen zwingen, beispielsweise zu einem Wohnortwechsel. Dies stellt einen Vermögensschaden dar, der auch kausal auf die Enttarnung zurückzuführen ist. Für die Zurechenbarkeit eines Schadens reicht die Mitverursachung59. So ist die Verletzung von Leib und Leben der Quelle im Nachgang zur Enttarnung häufig ein wahrscheinlicher Kausalverlauf (Adäquanztheorie). 
Der Anspruch auf Schadensersatz tritt neben den auf die Hauptleistung. Nach Art und Umfang sind alle unmittelbaren und mittelbaren Nachteile des schädigenden Verhaltens zu ersetzen60. Wird eines der in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechtsgüter verletzt, so kann auch Schmerzensgeld verlangt werden61
Darüber hinaus kommen grundsätzlich auch deliktische Ansprüche der Quelle aus § 823?ff. BGB in Frage, insbesondere aus § 823 Abs. 1 und § 839 BGB. Wenn ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm gegenüber einem Dritten obliegende Amtspflicht verletzt, so hat er dem Dritten den Schaden nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB zu ersetzen. Es wird in diesem Fall zwar von einer persönlichen Haftung des Beamten ausgegangen, diese Haftung wird aber nach Art. 34 GG auf den Staat übergeleitet. Letztlich dürfte auch kein Haftungsausschluss (§ 839 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 BGB) vorliegen. Einschlägig könnte auch ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 203 Abs. 2 StGB werden, je nach dem, ob die unbefugte Enttarnung durch einen Beamten und Mitarbeiter der Behörden (Nr. 1 und 2), einen Minister (Nr. 1) oder gar einen Abgeordneten (Nr. 4) erfolgt. § 203 StGB ist ein Schutzgesetz im Sinne § 823 Abs. 2 BGB62
Mithin kann die Enttarnung grundsätzlich eine deliktische Handlung darstellen, die – wie bereits dargestellt – auch zu einem Schaden an einem geschützten Rechtsgut führen kann. Der Schaden beurteilt sich je nach Einzelfall, wie auch die Frage nach Rechtfertigungsgründen. 
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass das BVerwG in der genannten Entscheidung ausgeführt hat, dass an der Beurteilung des Begehrens des Klägers als privatrechtlich auch der Umstand nichts ändert, dass er darüber hinaus die Beklagte aus Art. 2 Abs. 2 GG für verpflichtet hält, ihm einen besonderen Schutz vor Angriffen auf sein eigenes Leben und das von Angehörigen zu gewähren63. Jeder habe nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Daran sei auch die vollziehende Gewalt als unmittelbar geltendes Recht gebunden (Art. 1 Abs. 3 GG). Dies geschehe aber nach Maßgabe der einfachrechtlichen Anspruchsgrundlagen.
So könne unter Umständen, falls eine unmittelbare und konkrete Gefahr für Leib und Leben des Klägers bzw. seiner Familienangehörigen vorhanden sei, eine Handlungspflicht des Staates im Rahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr bestehen, deren Adressat allerdings nicht die Beklagte, sondern die zuständige Landespolizeibehörde sei. In dem Verhältnis zur Beklagten, das nach Maßgabe der oben angestellten Erwägungen zivilrechtlich geprägt sei, mag die Privatrechtsordnung durch das Grundrecht des Klägers auf Leben und körperliche Unversehrtheit öffentlich-rechtlich modifiziert und überlagert sein.