Kriminalitätsbekämpfung

Subjektive Sicherheit und der Einfluss sozialdemographischer Merkmale. Ergebnisse von Bürgerbefragungen



Bei dieser Frage ist es wahrscheinlich aufschlussreich, zunächst auf die Entwicklung des Anteils derjenigen zu schauen, die im Hinblick auf die Furcht nachts allein in der Wohnung mit „nie“ geantwortet haben. In Hoyerswerda waren dies 1998 knapp 51 Prozent, 2002 dann rund 59 Prozent und 2008 rund 57 Prozent. In Görlitz stieg dieser Anteil von knapp 53 Prozent 1999 auf knapp 61 Prozent 2004 und liegt jetzt, bei der Befragung 2012 bei 38,7 Prozent. Damit ist ein sehr niedriger Wert unter allen Vergleichsgesichtspunkten erreicht, dem auf der anderen Seite mit 13,5 Prozent ein vergleichsweise hoher Anteil solcher Personen gegenübersteht, die bekunden, „sehr oft“ (1,5 Prozent) oder „oft“ (12 Prozent) Angst allein in der Wohnung zu empfinden. 
Betrachtet man den Einfluss einzelner sozialdemographischer Variablen auf die Furcht „nachts in der eigenen Wohnung“, so ist lediglich ein statistisch signifikanter Effekt des Familienstandes (Pearson-Chi-Quadrat: p = 0,0003 < 0,01, h.s.) und der Geschlechtszugehörigkeit zu erkennen. Was den Einfluss des Familienstandes betrifft, überrascht etwas, dass neben Verwitweten, mit einem Anteil von 18,2 Prozent, die „oft“ oder „sehr oft“ Angst „nachts allein in der Wohnung“ bekunden, auch mit einem Partner liierte ledige Personen zu 24,2 Prozent äußern, „oft“ oder „sehr oft“ Angst allein in der Wohnung zu haben. 
Im Hinblick auf den sehr ausgeprägten Einfluss des Geschlechts (Pearson-Chi-Quadrat: p = 0,0000 < 0,01, h.s.) sind Einzelheiten der folgenden Tabelle 7 zu entnehmen. 



Während sich Männer nur zu 9,5 Prozent „sehr oft“ (1,1 Prozent) oder „oft“ (8,4 Prozent) allein in der Wohnung fürchten, sind es bei den Frauen 17,2 Prozent, die „sehr oft“ (1,8 Prozent) oder „oft“ (15,4 Prozent) ein solches Furchtgefühl empfinden. Auf der anderen Seite sind es 49 Prozent der Männer, aber nur 31,2 Prozent der Frauen, die bekunden, sich „nie“ allein in der Wohnung gefürchtet zu haben. Inwiefern in diesem Zusammenhang auch geschlechtsspezifische Stereotype oder Selbststilisierungen zum Ausdruck kommen (Sterbling 2002, S. 125 ff), kann auf der Grundlage unserer Daten nicht genauer gesagt werden. Es wäre aber sicherlich interessant, dies genauer zu analysieren. 
Außer den behandelten affektuellen Furchtaspekten wurde auch die kognitiv-rationale Dimension der Kriminalitätsfurcht mit der Frage: „Wie oft denken Sie daran, selbst Opfer einer Straftat zu werden?“ erhoben (Tabelle 8). Neben den eher gefühlsbestimmten Reaktionen auf soziale Gegebenheiten sind solche, die stärker gedanklich erwogen und reflektiert erscheinen, natürlich gleichermaßen relevant und aussagekräftig. Dabei muss an dieser Stelle offen bleiben, wie weit sich das tatsächlich Verhalten im Einzelnen eher an emotionalen, kognitiven oder normativen Bewertungen orientiert. 



Die gedankliche Beschäftigung mit einer möglichen eigenen Viktimisierung stellt einen wichtigen Aspekt des subjektiven Sicherheitsempfindens dar und hat möglicherweise eine Schlüsselbedeutung für das Verständnis der hier im Mittelpunkt des Interesses stehenden Gesamtentwicklungszusammenhänge der subjektiven Sicherheit. Aufschlussreich erscheint zunächst, dass der Anteil derjenigen, die „sehr oft“ (4,0 Prozent) oder „oft“ daran denken, dass sie Opfer einer Straftat werden könnten, in Görlitz 2012 auf 20,2 Prozent gestiegen ist, nachdem sich 2004 lediglich 14,7 Prozent und 1999 knapp 20 Prozent in diesem Sinne äußerten. Dies ist ein auffälliger Anstieg gegenüber 2004. In Hoyerswerda waren es 2008 sogar rund ein Viertel (25,4 Prozent) der Befragten, die sich regelmäßig gedanklich mit der eigenen Viktimisierungsgefahr beschäftigten, 1998 bekundeten dies in Hoyerswerda 22,9 Prozent und 2002 auch etwas über 22 Prozent. Einer vergleichbaren Studie aus der südbadischen Stadt Rottweil ist zu entnehmen, dass 13,9 Prozent der befragten Bürger angeben, „sehr oft“ oder „oft“ Angst zu haben, Opfer einer Straftat zu werden, „manchmal“ fürchten sich 58,6 Prozent (Kury u.a. 2004). Der Anteil der Bürger in Görlitz, die sich „sehr oft“ oder „oft“ Gedanken über ihre Gefährdung machen, gleicht sich 2012 den Befunden in Hoyerswerda bzw. in Görlitz in den späten 1990er Jahren an. Dies zeigt auch der Anteil derjenigen, die sich „nie“ mit ihren eigenen Viktimisierungsrisiken beschäftigen, der in Görlitz 2012 bei 16,9 Prozent und in Hoyerswerda 2008 ganz ähnlich bei 16,2 Prozent liegt. In allen Untersuchungen bekundeten übrigens mehr als die Hälfte aller Befragten, dass sie sich zumindest „manchmal“ gedanklich mit der eigenen Viktimisierungsgefährdung beschäftigen. Welchen Einfluss haben verschiedene sozialdemographische Merkmale der Befragten in diesem Zusammenhang? 
Zunächst ist festzuhalten, dass im Hinblick auf die rationale Furchtdimension die Altersgruppenzugehörigkeit eigentlich keinen signifikanten Einfluss (Spearman-Rangkorrelationskoeffizient: p = 0,1278 > 0,05, n.s., Pearson-Chi-Quadrat: p = 0,0485 > 0,01, p = 0,0485 < 0,01, s.s.) aufweist, also das Nachdenken über die eigene Gefährdung erfolgt weitgehend altersunabhängig. Das hat, methodisch betrachtet, den Vorteil, dass die hier festgestellten Entwicklungen daher auch kaum von der Veränderung der Altersstruktur beeinflusst erscheinen. Auch der Familienstand (Pearson-Chi-Quadrat: p = 0,2139 > 0,05, n.s.) oder der Stadtteil, in dem die Befragten wohnen (Pearson-Chi-Quadrat: p = 0,1797 > 0,05, n.s.) lassen keinen systematischen Einfluss ausmachen. Die Geschlechtszugehörigkeit aber sehr wohl (p = 0,0058 < 0,01, h.s.), wie aus der folgenden Übersicht (Tabelle 9) zu entnehmen ist. 

16 Prozent der Männer denken „sehr oft“ (2,5 Prozent) oder „oft“ (13,5 Prozent) daran, Opfer einer Straftat zu werden, bei den Frauen sind es indes 24,2 Prozent, die sich „sehr oft“ (5,4 Prozent) oder „oft“ (18,8 Prozent) mit der eigenen Viktimisierungsmöglichkeit gedanklich beschäftigen. Über 20 Prozent der männlichen Befragten, aber nur rund 14 Prozent der weiblichen antworteten, dass sie sich gedanklich „nie“ mit der eigenen Viktimisierungsgefährdung auseinandersetzen würden.
Auf die kognitiv-rationale Kriminalitätsfrucht hat der Ausbildungsabschluss einen hoch signifikanten Einfluss (Pearson-Chi-Quadrat: p = 0,0000 < 0,01, h.s.), wie aus der folgenden Übersicht (Tabelle 10) entnommen werden kann. 



Während bei den Befragten ohne Ausbildungsabschluss 41,4 Prozent „sehr oft“ (3,5 Prozent) oder „oft“ (37,9 Prozent) an die eigene Viktimisierungsmöglichkeit denken, sind es bei den Befragten mit beruflichen oder fachlichen Ausbildungsabschlüssen 22,9 Prozent und bei den Befragten mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss lediglich 13,5 Prozent sowie bei den noch in der Ausbildung befindlichen Befragten nur 12,5 Prozent, die äußern, dass sie sich „sehr oft“ (0,0 Prozent) oder „oft“ (12,5 Prozent) mit der eigenen Viktimisierungsgefährdung beschäftigten. Die rationale Kriminalitätsfurcht ist also insbesondere bei höheren Ausbildungsabschlüssen und Personen, die sich noch in der Ausbildung befinden, auffällig geringer. 
Der Beschäftigungsstatus lässt keinen signifikanten Zusammenhang (Pearson-Chi-Quadrat: p = 0,2024 > 0,05, n.s.) feststellen, dafür liegt aber ein deutlicher Effekt der Zufriedenheit mit der sozialen Integration (Pearson-Chi-Quadrat: p = 0,0009 < 0,01, h.s.) vor. Von den mit ihrer sozialen Integration „sehr“ zufriedenen Befragten denken nur 7,9 Prozent „sehr oft“ (1,7 Prozent) oder „oft“ (6,2 Prozent) an ihr eigenes Viktimisierungsrisiko, bei den „eher“ Unzufriedenen sind es indes 25,9 Prozent und bei den „sehr“ Unzufriedenen sogar 36,4 Prozent. Die Zufriedenheit mit der sozialen Integration hat also auch in diesem Falle – wie übrigens bei vielen anderen Aspekten in unseren Untersuchungen – einen großen Einfluss auf das Ausmaß der Kriminalitätsfurcht. 
Das Verhalten oder der konative Aspekt ist neben dem affektuellen bzw. kognitiv-rationalen Bereich in der Betrachtung der Kriminalitätsfurcht und der subjektiven Sicherheit ebenfalls analytisch und empirisch besonders relevant. Der konative Gesichtspunkt wurde durch zwei Fragen erfasst. Die eine Frage lautete: „Als Sie das letzte Mal abends ausgegangen sind, haben Sie sich von einer anderen Person begleiten lassen, damit Ihnen nichts zustößt?“ (Tabelle 11). Als zweite verhaltensbezogene Frage wurde erhoben: „Als Sie das letzte Mal abends ausgegangen sind, haben Sie bestimmte Straßen oder Orte gemieden, um zu verhindern, dass Ihnen etwas zustößt?“ (Tabelle 12).