Kriminalität

Außer Kontrolle

– Über die Freiheiten und die (Kriminalitäts-)Entwicklung in den bundesdeutschen Rotlichtmilieus –

Über die Polizeiarbeit im Rotlicht und über Milieupersonen vor Gericht


Herkömmliche und klassische polizeiliche Mittel und Methoden sind seit jeher wenig oder gar untaugliche Instrumente, um Milieukriminalität wirksam zu bekämpfen. Was nützt eine Vernehmung, wenn das Gegenüber permanent schweigt (oder lügt)? Was nützt eine Telefonüberwachung, wenn die Polizei beim zweiten, gesprochenen Satz als Mithörer begrüßt wird? Was nützt eine Durchsuchung in einem kurz zuvor offensichtlich sauber leer gefegten Milieuobjekt ? Was nützt eine Razzia, wenn Zuhälter beim Eintreffen der Kräfte grinsend hinter dem Tresen stehen und die Pässe der Bediensteten, fein säuberlich aufbereitet, zur Einsichtnahme bereitgelegt sind?Die Milieus im Rotlicht sind ständig und seit jeher auf der Suche nach Zugängen zu den für sie interessanten und nützlichen Bereichen wie Politik, Wirtschaft, Sport, Medien, Justiz und nicht zuletzt zur Polizei… Und sie sind keineswegs immer erfolglos dabei – wie nicht zuletzt entsprechende Enthüllungen immer wieder einmal beweisen. Schließlich haben sie ja auch Gewichtiges zu bieten: Sex, Geld, Skrupellosigkeit…
Angesichts der Grenzöffnungen nach Osten hin und allen inzwischen bestehenden (Ein-)Reiseerleichterungen und -möglichkeiten, angesichts der Professionalität der Täter und Tätergruppierungen im Bereich der Anwerbung, Schleusung und Ausbeutung ihrer (potenziellen) Opfer, angesichts der veränderten Machtverhältnisse in den Milieus (deutsche Luden wurden vielfach entmachtet und in die neuen Strukturen integriert oder aber verdrängt; ausländische, vielfach der OK zuzuordnende Gruppierungen haben übernommen), angesichts der Abgeschlossenheit und der vielfach verkannten Eigen- und Besonderheiten der deutschen Rotlicht- oder Prostitutionsmilieus, sind es zumeist nur noch höchst aufwändige und langfristig angelegte, mit keiner Erfolgsgarantie ausgestattete Strukturermittlungen, die zu Ermittlungserfolgen im Bereich der Milieu- und Organisierten Kriminalität führen können.
Gerade diese aber werden der Polizei durch

  • die Personalsituation,
  • fehlende Mittel,
  • Überlagerungen und andere Erfordernisse (z. B. Islamisten-
  • szene),
  • Zwang und Jagd nach schnellen Erfolgen,
  • Statistikhörigkeit oder
  • Pleiten vor Gericht und andere Faktoren

in zunehmendem Maße erschwert oder gar unmöglich gemacht.
Die Polizei(führung) trägt allerdings selbst dazu bei, wenn sie den Forderungen nach schnellen (und doch oft fragwürdigen) Erfolgen all zu schnell nachgibt, wenn sie die Statistiken und statistische Zahlen zu sehr verehrt oder gar zum alleinigen Maßstab ihres Handelns nimmt, wenn sie aus solchen Gründen und zu solchen Zwecken der Milieukriminalität nicht (mehr) den ihr angemessen Stellenwert einräumt…
Durch die Abschaffung des GeschlKrG, durch die Streichung des Tatbestandes der Förderung der Prostitution (eine Eintrittskarte für die Polizei ins Milieu und ein Ermittlungstatbestand, der zwar reformbedürftig war aber nicht entbehrlich erscheint) und durch das Prostitutionsgesetz selbst wurden die für eine effiziente und wirksame Kriminalitätsbekämpfung zwingend erforderlichen, polizeilichen Zugänge und Kontrollen erheblich eingeschränkt oder gar unmöglich gemacht. Diese nun gegebenen, gesetzlichen Rahmenbedingungen führen im Zusammenhang mit allen anderen, täterfreundlichen und tatfördernden Veränderungen (Reiseerleichterungen, fehlendes, gesellschaftliches Problembewusstsein, geschicktes Täterverhalten, ohnmächtige Justiz…) dazu, dass sich die Polizei veranlasst sehen könnte, sich mehr und mehr aus einem höchst undankbaren Arbeits- und Kriminalitätsfeld zurückzuziehen und sich anderen, dankbareren Aufgaben zuzuwenden. Schon die mit vergleichbar geringem Aufwand mögliche Sicherstellung von einem oder zwei Kilogramm des Stoffes, aus dem die (Alb-)Träume sind, lässt sich als „Erfolg“ im Rahmen der OK-Bekämpfung verkaufen und feiern. Dabei wird der Stoff täglich containerweise ins Land gekarrt und nicht zuletzt im Rotlicht als „Vielzweckwaffe“ eingesetzt und an den Mann bzw. an die Frau gebracht.
Stellen sich bei der Bekämpfung von Milieukriminalität durch die Polizei gelegentlich aber doch noch Ermittlungserfolge ein, so werden diese nicht selten bei Gericht zunichte gemacht. Das ist nicht der Justiz, den Gerichten oder einzelnen Richtern anzulasten, sondern ergibt sich ebenfalls aus unzulänglichen und in keiner Weise den Strategien und Machenschaften der gegenwärtigen Herausforderungen angepassten, in Teilen völlig veralteten, strafprozessualen Bestimmungen oder wenig praktikablen Strafvorschriften.
Keiner anderen gesellschaftlichen Gruppierung ist es jemals gelungen, Rechtsstaatlichkeit so gekonnt, so wirksam und in so hohem Maße auszuhebeln, wie diesen Milieus und ihren Bossen im Rotlicht. Der Rechtsstaat wird kaum irgendwo so gedemütigt und vorgeführt, wie bei Zuhälter- oder Menschenhandelsprozessen in deutschen, von Milieupersonen voll besetzten und vereinnahmten Gerichtssälen. Diese Milieupersonen (und ihre Anwälte) organisieren bewusst und gezielt Provokationen, Störungen, Einschüchterungen, Widerstände, überraschende Aussagen und Wendungen. Sie versuchen einzuschüchtern und zu verunsichern. Sie halten sich nicht an die Spielregeln der Gesellschaft sondern wenden die der Parallelgesellschaften (im Rotlicht) an. Zumeist sind es nur sehr erfahrene, mit den Machenschaften und Methoden von Milieupersonen vertraute Richter, die davon unbeeindruckt bleiben.
Zuhälter verhindern die für ein Urteil erforderliche Anwesenheit der Opfer vor Gericht (indem sie diese zuvor nach Unbekannt ausfliegen lassen). Erscheinen sie dennoch, verhindern sie belastende Opferaussagen mit zumeist unbemerkten aber höchst wirksamen Methoden (dein kleiner Bruder lebt morgen nicht mehr, wenn du…). Und sie kennen zudem die Zwänge der Gerichte und der Richter und sie nutzen auch diese bis zu den Grenzen hin aus – die Zwänge der Prozessökonomie. Milieuanwälte und -personen verzögern, zwingen zum Vertagen, stellen Beweisanträge (die nach Absurdistan führen) am Fließband, zwingen die Gerichte damit ein ums andere Mal zum Deal – zum Vorteil der Täter und zum Leidwesen oder Entsetzen der Opfer.
Ganz nebenbei sind solche Deals und daraus resultierende Bagatelleurteile auch geeignet, Frustration und Demotivation bei den Ermittlungsbeamten und Ermittlungsbehörden auszulösen.
Verfahrensausgänge dieser Art belegen, dass der betriebene Aufwand in keinem Verhältnis zum erzielten Ergebnis stand. Die zwangsläufige Folge davon könnte sein: Der (polizeiliche) Aufwand wird den (zu erwartenden) Ergebnissen angepasst. Langfristige und aufwändige Strukturermittlungen werden weniger oder bleiben aus. Das wiederum würde zu abnehmenden, statistischen Zahlen führen. Zahlen, die so interpretiert werden könnten, als wären Rotlicht- und Organisierte Kriminalität rückläufig, was letztlich (fast) alle zufrieden stellen könnte: Die Politiker, die Polizisten, die Justiz, die OK-Bosse, das Milieu, die Menschenhändler und die Zuhälter… Allein den (potenziellen) Opfern wäre damit wahrlich nicht gedient. Der Rechtstaatlichkeit freilich auch nicht.

Abschließende Bemerkungen zur Öffentlichkeitsarbeit


Ich habe lange überlegt, ob ich mich zu dem Thema öffentlich äußern soll“ ließ der Staatssekretär eines für die Regulierung der Prostitution und den damit zusammenhängenden Problemen zuständigen Ministeriums im Vorfeld einer Fernsehdiskussion zum Thema (Zwangs-)Prostitution in einem Studio verlauten und er ließ auch wissen, dass die Frau Ministerin es abgelehnt habe, das zu tun.
Neben falscher Scham und mangelndem Pflichtbewusstsein könnte aus diesen Äußerungen auch darauf geschlossen werden, dass es in diesem Land selbst oder gerade an zentralen und zuständigen Stellen am erforderlichen Problembewusstsein fehlt. Freilich werden von privaten wie von den öffentlich-rechtlichen Sendern nicht nur Ministerinnen eingeladen und ersatzweise Staatssekretäre entsandt. Und auch nicht nur ihnen scheint es gelegentlich am Elementarsten, so wie an einem angemessenem Problembewusstsein zu fehlen. Nach einer Boxveranstaltung, die durch einen K.O. ein all zu schnelles Ende fand, wurden von einem Fernsehreporter nicht die am Ring sitzenden Franz Beckenbauer, Günter Jauch oder andere Prominente bemüht, um die Sendezeit zu füllen. Das Mikro wurde vielmehr einem, wohl standesgemäß ebenfalls in der ersten Reihe sitzenden, Zuhälter vor die Nase gehalten. Kaum in Freiheit und noch etwas bleich von der wegen Menschenhandels verbüßten Haft, stammelte er dann wenig Bedeutsames über den Kampfverlauf ins Mikro; neben ein paar der üblichen, wüsten Schlägereien im Milieu hatte und hat er vom Boxsport keine Ahnung.
Ob, an wen und in welcher Höhe Gelder für diesen obskuren Auftritt geflossen sind oder welche sonstigen, süßen Verlockungen wem in Aussicht gestellt wurden, das alles wurde freilich nicht bekannt.
Anderen Bordellbetreibern und (Spitzen-)Zuhältern wurde es in diesem Land wiederholt ermöglicht, in Talkshows aufzutreten, sie wurden vor laufender Kamera als clevere Geschäftemacher hofiert (Bordellbetriebe an die Börse!) oder dem staunenden Publikum als schillernde Persönlichkeiten einer modernen Gesellschaft vorgestellt, als Sammler sündhaft teurer Ferraris bewundert oder als in den Adel eingekaufte Prinzen bestaunt.
Wiederum andere wandelten sich inmitten dieser, unserer Gesellschaft sehr plötzlich in seriöse Geschäftemacher und Unternehmer. Sie betätigen sich als Großinvestoren im Bereich von Freizeitanlagen, Wellnessbetrieben, Erlebnis- oder Saunalandschaften… Sie errichteten als Freizeittempel getarnte Edelbordelle, bestens platziert neben Flughäfen, Business- oder Politzentren oder neben der Polizeiakademie (nichts ist Zufall in diesen Milieus, alles ist Strategie). Wiederum andere sind (angeblich) ausgestiegen und managten plötzlich Sportgrößen oder wandelten sich gar zu Parlamentariern…
All das kann man freilich auch einfacher und kürzer darstellen, indem man die Vermutung oder Gewissheit zum Ausdruck bringt: Sie (und damit möglicherweise auch die OK) unterwandern die Gesellschaft und dringen in sie ein. Geschickt, gekonnt, erfolgreich…
Es bleibt zu hoffen und zu wünschen, ihre Opfer sahen und sehen die genannten Shows und Präsentationen im deutschen Fernsehen nicht.
Es bleibt auch zu hoffen, sie hören das Knallen der Korken nach so manchen Gesetzesinitiativen, Reiseerleichterungen, nach ausbleibender Strafverfolgung, Bagatelleurteilen und Freisprüchen nicht und sie wissen nichts davon, dass ihre Ausbeuter hierzulande im Schampus baden.Elina, der jungen und hübschen, im deutschen Rotlicht ausgebeuteten und schwerst traumatisierten Frau, tief in den albanischen Bergen versteckt, bleibt das wenigstens vorerst erspart. Ein Fernsehgerät gibt es dort nicht.

Seite: << zurück1234