Polizist – auch in der Freizeit
Von Prof. Dr. Mirko Faber und KHK`in Kathleen Kiske-Kunter, Güstrow/Neubrandenburg¹
3 Einschreiten bei außerdienstlicher Kenntniserlangung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung
Neben der der Verfolgung von Straftaten bildet die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung als Teil der Gewährleistung der Inneren Sicherheit durch den Staat zu den bedeutendsten Aufgaben der Polizei.17 Die gesetzlichen Regelungen der polizeilichen Gefahrenabwehr gehören in der Mehrzahl zum Recht der Länder. Aus Gründen der Kompetenzverteilung nach Art. 70 ff. und Art. 83 ff. GG und den dafür geltenden Subsidiaritätsgrundsätzen darf der Bund nur kraft ausdrücklicher Zuweisung als Gesetzgeber im Polizeirecht tätig werden.18 Die Rolle als subsidiärer Akteur im Vergleich zu den Ländern spät verlassend, hat die Bedeutung des Bundes in diesem Bereich erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands und insbesondere als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 deutlich zugenommen.19 Zu den Elementen der Gefahrenabwehr gehören die benannten Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Begriff der Gefahr und die Abwehr der Gefahr unter anderem durch polizeiliches Handeln.20
Der Gefahrenbegriff im polizeilichen Sinne ist infolge seiner rechtshistorischen Entwicklung und einer stetigen Dynamik der tatsächlichen Gefahrensituation nur unter Schwierigkeiten allgemeingültig festzustellen.21 Unter Berücksichtigung der – zudem auch länderspezifisch geprägten – verschiedenen Formulierungen lässt sich als treffliche Definition zumindest folgendes festhalten: „Gefahr ist eine Sachlage, in der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für eines der Schutzgüter eintreten wird“.22 Die in den Polizeigesetzen enthaltenen, an spezifische Ermächtigungsgrundlagen angepassten, Gefahrengrade nehmen zudem stetig zu.23
Die öffentliche Sicherheit umfasst drei Kategorien von Schutzgütern, nämlich die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, die individuellen Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen und die Einrichtungen des Staates und sonstigen Träger der Hoheitsgewalt. Die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung ist ein wichtiges Sicherheitsgut, dass „das gedeihliche Zusammenleben der Menschen untereinander garantieren und darüber hinaus auch die natürlichen Lebensbedingungen der Menschen sichern soll.“24 Es beinhaltet vorrangig alle Vorschriften des öffentlichen Rechts (Gesetze, Verordnungen, Satzungen), insbesondere aller Tatbestände des Strafrechts und Ordnungswidrigkeitenrechts. Der Schutz privater Rechte betrifft alle Gefahren, die für individuelle Rechte und Rechtsgüter einzelner Personen bestehen und deren Verletzung der Gesellschaft nicht gleichgültig sein kann.25 Zum dritten Schutzgut, den Einrichtungen des Staates und sonstigen Träger der Hoheitsgewalt, gehören alle Bereiche und Betriebe der Staatsorgane, staatlichen Einrichtungen sowie Veranstaltungen, deren Funktionsfähigkeit vor äußeren Störungen geschützt wird.26
Die öffentliche Ordnung ist in ihrer Funktion als Schutzgut infolge ihrer geringen Bestimmtheit nicht unumstritten27 und beinhaltet „die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Beachtung nach den jeweiligen herrschenden Anschauungen unerlässliche Voraussetzung eines geordneten staatsbürgerlichen Zusammenlebens betrachtet wird.“28 Hierbei sind die ungeschriebenen Regeln nicht als Rechtsnorm oder Gewohnheitsrecht, sondern als gesellschaftliche Ordnungsnormen zu verstehen.29
Im Bereich des Gefahrenabwehrrechts gibt es keine gesetzlichen Vorgaben zur Pflicht, sich wirksam in den Dienst zu versetzen. Ein Einschreiten könnte in Ausnahmefällen dennoch erforderlich sein, wenn eine Gefahr im Verzug oder eine Gefahr für Leib oder Leben oder für die Freiheit einer Person gegeben ist. Ein Polizeibeamter hat regelmäßig nur während der Dienstzeit eine Garantenstellung für strafrechtlich geschützte Rechtsgüter.30 Eine solche Garantenstellung des örtlich und sachlich primär zuständigen Polizeibeamten außerhalb des Dienstes wäre jedoch zur Abwehr von drohenden Beeinträchtigungen unter der Voraussetzung einer Ermessensreduzierung auf Null ausnahmsweise denkbar.31 Schreitet ein Polizeibeamter in sonstigen Fällen außerdienstlicher Kenntniserlangung über eine Gefahr für Leib oder Leben oder in Fällen von Gefahr im Verzug nicht ein, könnte er sich wegen Unterlassener Hilfeleistung gemäß § 323c StGB strafbar machen und zudem dienstrechtlich belangt werden.
Dabei ist es anerkannt, dass ein Beamter sich nur in ein solches Verhalten zur Dienstausübung versetzen kann, das nach objektiver Betrachtungsweise auch zu den Erfordernissen des für diesen Beamten typischen Dienstes gehört.32 Ein wirksames sich-in-den-Dienst-versetzen bei der Gefahrabwehr wird folgerichtig abzulehnen sein, wenn private Belange des einschreitenden Polizeibeamten im Vordergrund stehen.33 Bejaht wird dabei regelmäßig eine Pflicht zum Einschreiten zur Verhinderung einer Straftat, sofern hier das öffentliche Interesse überwiegt. Als notwendig wird zudem erachtet, dass der Polizeibeamte sich für sein Gegenüber als Polizist im Dienst erkennbar gibt, das „In-den-Dienst-versetzen“ rechtserhebliche Wirkungen erzeugt, die nach außen hin erkennbar werden müssen. Denkbar ist dies sowohl in Form einer ausdrücklichen Erklärung, als auch konkludent durch die Vornahme sichtbarer Handlungen, die nur einem entsprechenden Hoheitsträger zustehen.34 Eine bloße nachträgliche Erklärung über ein Sich-in-den-Dienst-versetzen kann hingegen keine rückwirkende Wirksamkeit erzeugen, da der damit einhergehenden zwischenzeitliche Zustand der Rechtsunsicherheit für die Beteiligten als nicht tragbar einzuschätzen ist.35
Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege des Landes Mecklenburg-Vorpommern
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