Polizei

Unbemannte Luftfahrtsysteme im Polizeieinsatz

Von PD Frank Ritter und PHK Hauke Denker, Itzehoe/Kiel



Ein Polizei-Drohnenteam besteht aus mindestens zwei Personen, dem LFFF und dem „Operator“, der die Kameratechnik bedient. Idealerweise übernimmt eine dritte Person, der sog. „Spotter“, die Aufgaben der Luftraumbeobachtung und der Kommunikation14. Nach § 27 Abs. 1 LuftVO hat der LFFF die Pflicht zur ordnungsgemäßen Flugvorbereitung15. Hierzu zählt es auch, sich mit allen den Flug betreffenden Informationen vertraut zu machen (Wetter, etwaige Flugbeschränkungsgebiete, Luftverkehrsregeln).

 


Abb. 2: System aus Fluggerät, LFFF und Operator.


Nach § 43 Abs. 2 LuftVG ist der Halter eines Luftfahrzeugs (einschließlich ULS und Flugmodelle) verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, um etwaige Schadenersatzleistungen abdecken zu können. Die Versicherungspolice ist beim ULS-Betrieb mitzuführen (§ 106 Abs. 2 LuftVZO). Sofern der Bund oder ein Bundesland ULS-Halter ist, entfällt diese Versicherungspflicht, weil hier die Grundsätze der Amtshaftung nach Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB greifen.

 

5 Der „EA Luft“ in BAO-Lagen


„Alles was im Polizeieinsatz fliegt, muss in einer Hand liegen“, lautet eine bekannte taktische Grundforderung. Was heißt das konkret? Müssen alle ULS in einem Einsatzabschnitt (EA Luft) zusammengefasst werden, egal welcher Herkunft sie sind und welchen Auftrag ihre Besitzer im Gesamteinsatz haben? Mit zunehmender Beschaffung und Verfügbarkeit von Polizei-Drohnen dürfte dies kaum mehr umzusetzen sein. Sofern z.B. der EA Aufklärung über eigene ULS verfügt und für seine Auftragserfüllung ideal einsetzen kann, wäre eine organsierte Zusammenfassung dieses FEM in einem zentralen EA taktisch möglicherweise sogar hinderlich.


Der vorgenannte Merksatz sollte besser heißen: „Alles was im Polizeieinsatz fliegt, muss der EA Luft wissen!16Und zwar augenblicklich! Dies setzt ein etabliertes Meldeverfahren voraus, bei dem es aufgrund der Einsatzdynamik und der teils automatisierten ULS-Detektion nicht ausreicht, das übliche Procedere über den ULS-Piloten (LFFF), seine EA-Befehlsstelle, den Verbinder in der PF-Befehlsstelle, an die Verbinder relevanter Nachbar-EAe usw. zu wählen. Auch eine Verschriftung in einer Einsatzdokumentationssoftware, z.B. EPSweb, in der Hoffnung, dass die maßgeblichen Partner dies zügig lesen und kommunizieren werden, reicht nicht aus; auch dann nicht, wenn mit Belegfluss-Funktion gearbeitet wird. Um dem notwendigen Einsatztempo gerecht zu werden, wurde beim Einsatz zur G7-Außenministerkonferenz in SH ein sog. „Action-Kanal“ eingerichtet, auf dem zeitgleich alle EA-Befehlsstellen über den Aufstieg einer Polizei-Drohne informiert wurden (von der Zielrichtung her etwa vergleichbar mit einem Führungskanal). Erfolgt eine solche Mitteilung nicht, muss bei einer ULS-Detektion von einer Fremddrohne und einem möglichen Gefahrenszenario ausgegangen werden. Die Technik wird zwar immer besser, kann aber noch nicht zwischen „guter Drohne“ und „böser Drohne“ unterscheiden. Leider – so haben es auch zurückliegende Echtlagen gezeigt – sind unterlassene Aufstiegsmeldungen der EAe alles andere als blanke Theorie.


Die PDV 100 fordert, BAO-Einsatzabschnitte markant zu bezeichnen. Beim Begriff „EA Luft“ dürfte kein Zweifel daran bestehen, was in diesem Abschnitt (im Wesentlichen) zu bewältigen ist. Eine abweichende EA-Bezeichnung, z.B. „EA Luftraumüberwachung“, greift zu kurz, weil die Überwachung nur einen Teil des Aufgabenspektrums darstellt. Vergleichbar wäre hier bspw. die Betitelung des „EA Folgemaßnahmen“ als „EA Ermittlungen“, weil auch Ermittlungen regelmäßig nur ein Teilaspekt des Gesamtauftrages der Kriminalpolizei in BAO-Einsätzen sind17. Zu den wesentlichen Aufgaben des EA Luft zählen – oft in Unterabschnitte strukturiert – der Luftraumschutz, die Luftraumaufklärung durch PHS und/oder ULS (polizeilicher Flugdienst), die ULS-Detektion, die Drohnenabwehr, Livebild-Übertragungen in andere Abschnitte bzw. zum PF sowie der Kontakt zu benachbarten Institutionen, z.B. den Streitkräften, der Bundespolizei oder dem BKA. Aus Sicht des BKA hat sich bei der Detektion und Abwehr von ULS eine dreistufige Verfahrensweise bewährt. Diese besteht aus der Detektion (Bemerken eines anfliegenden ULS), der manuellen Verifikation (Lagebeurteilung) und der skalierbaren Intervention (Einsatz von Wirkmitteln)18.


Eine Detektion, also das rechtzeitige Erkennen von Fremddrohnen, kann technisch-automatisiert erfolgen (z.B. mittels Radarauswertung) oder durch polizeiliche Luftbeobachter (wenn man so will, die sinnreiche Variante eines „Hanns Guck-in-die-Luft“19). Auch die Intervention gegen unberechtigt in Einsatzräume einfliegende ULS kann in verschiedener Weise passieren. Die einfachste bestünde gewiss darin, den Steuerer zu erkennen und zu einem Abbruch aufzufordern. Straf-/Attentäter dürften aber kaum auszumachen sein, weil sie sich erfolgreich vor polizeilicher Entdeckung tarnen. Das polizeiliche Agieren gegen Fremd-Drohnen kann z.B. durch die Unterbrechung der Funkverbindung zwischen Controller und Gerät erfolgen (Jamming) mit „Übernahme“ der Drohne und kontrollierter Landung oder durch ein robustes Einwirken gegen die Hardware (Abdrängen oder das gezielte zum Absinken-/Absturzbringen des Fluggeräts). Da kaum vollständig erfassbar ist, „welchen Auftrag die unbekannte Drohne hat“, d.h. welches Gefahrenpotential tatsächlich von ihr ausgehen könnte, herrscht hier i.d.R. allerhöchster Zeit- und Handlungsdruck.


Eine abstrakte Maßnahme bestünde bereits im Vorwege durch den Erlass und die Kommunikation eines Drohnenmitführverbots. Dies wird zwar den entschlossenen Straftäter nicht abhalten, wohl aber Medienvertreter, Touristen und andere „harmlose Live-Bild-Interessierte“. Beim Tag der deutschen Einheit 2019 und beim G7-Außenministergipfel 2022 in SH hatten die zuständigen Ordnungsbehörden auf Bitten der Polizei entsprechende Mitführverbote für den Einsatzraum erlassen. Diese Maßnahmen wurden im Vorwege über die Medien kommuniziert.


Neben einem ULS-Mitführverbot ist die Einrichtung eines Flugbeschränkungsgebiets denkbar (ein unberechtigter Einflug stellt einen bußgeldbewährten Verstoß nach der LuftVO dar). Die Einrichtung von Flugbeschränkungsgebieten erfolgt auf der Grundlage von § 17 LuftVO. Solche Gebiete können dauerhaft bestehen (z.B. für Militäranlagen, Regierungsviertel, KKW) oder temporär eingerichtet werden (z.B. bei Großveranstaltungen oder politischen Gipfeltreffen). Für beabsichtigte Flüge innerhalb der Aktivierungszeit ist eine Aufstiegserlaubnis notwendig. ULS-Steuerer müssen diese schriftlich bei dem jeweiligen Anmelder und Verantwortlichen des Flugbeschränkungsgebietes beantragen. Diese ergeben sich aus dem NOTAM (NOtice To AirMen), in dem die Einrichtung eines Flugbeschränkungsgebietes für die Luftfahrt bekannt gemacht wird.

 

6 ULS in Versammlungslagen


Bildübertragungen (Monitorprinzip oder Aufzeichnung) in Versammlungslagen sind nur unter engen Voraussetzungen geboten (Größe, Unübersichtlichkeit, nachweislich zu erwartende erhebliche Störungen)20. Da der Einsatzzweck von ULS aber nahezu ausschließlich in eben dieser bildtechnischen Beobachtung aus dem Luftraum liegt, sind Polizei-Drohnen als FEM bei Versammlungen im Schutzbereich von Art. 8 GG grundsätzlich problematisch. Verwiesen sei hier auch auf die strategischen Leitentscheidungen des Brokdorf-Beschlusses21, insbesondere zum versammlungsfreundlichen Verfahren und der Pflicht zur deeskalierenden Einsatzgestaltung.


Ein Grenz- bzw. Streitfall zwischen den Versammlungsfreiheitsrechten der Teilnehmenden und den unabdingbaren Schutzmaßnahmen der Sicherheitsbehörden könnte sich allerdings bei sog. „Bubble-Demonstrationen“ ergeben. Dieser anlässlich des G7-Gipfels 2022 (in Elmau/Bayern) durch die Medien entwickelte Begriff umschreibt mögliche Versammlungsaktionen innerhalb der von den Sicherheitsorganen festgelegten besonderen Schutzbereiche (sog. S1- und S2-Zonen). Die S1-Zone stellt das engere Veranstaltungsareal dar, z.B. den Tagungs- und Hotelort innerhalb eines zusätzlich bewachten Außenzauns. Die Sicherungszuständigkeit bei derartigen Gipfeltreffen obliegt gemäß § 6 BKAG dem Bundeskriminalamt. Unmittelbar an den S1- schließt sich der durch die Landespolizei zu sichernde S2-Bereich an. Die Größe dieses Areals hängt von den Erkenntnissen der polizeilichen Lagebeurteilung und der örtlichen Geo- bzw. Topografie ab. Bereits beim G7-Gipfel im Jahr 2015 hatte das VG München eine Versammlung im S2-Bereich zugelassen. Der BayVGH hatte diese Entscheidung jedoch wieder aufgehoben22. Für den G7-Gipfel 2022 ließ das Landratsamt Garmisch-Patenkirchen unter Auflagen eine Versammlung im S2-Bereich zu, der Anmeldende begehrte jedoch, in den S1-Bereich vordringen zu dürfen. Seinen Eilantrag lehnten sowohl das VG München, als auch der BayVGH und schließlich das BVerfG ab23. Aus rein taktischer Sicht eine begrüßenswerte Entscheidung! Versammlungen im S1-Bereich erscheinen aus Sicht der Autoren schon deswegen maximal problematisch, weil der Zugang einem hoch professionellen und organisationsaufwendigen Akkreditierungsverfahren unterliegt. Unkontrollierte Zugänge würden die sensible Sicherheitsarchitektur ad absurdum führen. Versammlungsfreiheitsrechte sind zweifellos verfassungswesentlich, aber nicht völlig schrankenlos. Ein Diskussionsraum bliebe hier gleichwohl eröffnet. Eine Versammlung im S2-Bereich war jedoch nicht untersagt24. Damit stellt sich dann im Rahmen der ULS-Betrachtung die Frage, wie sich eine mögliche Versammlung im Grenzbereich zu einem hochsicherheitsrelevanten S1-Areal auf den Einsatz von Polizei-Drohnen auswirken kann oder muss. Darf eine zugelassene Versammlung im S2-Raum (z.B. eine Mahnwache oder eine stationäre Kundgebung) dazu führen, dass für einen direkt angrenzenden S1-Bereich die wesentlich zur Gipfel-Sicherheitsarchitektur gehörende ULS-Luftraumbeobachtung einzustellen ist? Oder einfacher gefragt: Was wiegt schwerer – das Recht auf die technisch unbeobachtete Versammlung oder die Abwehr der zweifellos hohen Risiken bei einer G7-Tagung? Eine taktische Lösung bestünde wohl darin, dass die S2-Versammlung und der S1-Bereich (im Sinne einer Auflage) so weit auseinanderliegen, dass Friktionen zwischen Versammlungsfreiheitsrechten und unabdingbarer Tagungssicherheit weitgehend auszuschließen sind. Im Einzelfall können es Sicherheitsaspekte jedoch erfordern, dass ULS sowohl im S1- als auch im S2-Gebiet vollflächig eingesetzt werden müssen, obwohl im S2-Areal zeitgleich eine Versammlung durchgeführt wird. Dies alles setzt eine entsprechende Kooperationsbereitschaft des Anmelders voraus. Mithin führt die Auflage zur „Duldung des unweiten ULS-Betriebes“ zum maximal möglichen Grundrechtsausgleich als Alternative zu einem Vollverbot. Sollte im Kontext einer Versammlungslage der Einsatz von ULS betrieben werden, agiert die Polizei nach dem „Prinzip des offenen Visiers“. Sie legt ihre Maßnahmen nicht heimlich an, sondern erhebt Daten offen und für den Betroffenen erkennbar; vgl. z.B. § 16 Abs. 3 VersFG SH. Der Aspekt des ggf. parallelen Drohneneinsatzes ist mit den Versammlungsanzeigenden und/oder -leitern unmissverständlich zu kommunizieren25.

 

7 Ausblick


„Polizei-Drohnen“ dürften trotz der hohen Dynamik der letzten Jahre noch immer erst am Anfang ihrer Möglichkeiten stehen. Der Bereich entwickelt sich temporeich, mit guten Qualitätsstandards und mit einer bundesweit erfreulichen Vernetzung. Aus Sicht der Autoren besteht kein Zweifel daran, dass wir auf ein FEM blicken, das die Polizei kaum mehr missen möchte und das eine große Zukunft hat. Es wird – sofern man dies nicht bereits heute sagen kann – zügig zum FEM-Standardrepertoire gehören, egal ob zum Zwecke der kriminalpolizeilichen Ermittlungsunterstützung oder zur Gefahrenabwehr bzw. zur Wahrnehmung der umfänglichen polizeilichen Schutzaufgaben. Die Grenzen liegen allerdings auf der Hand – hierbei wohl weniger in den ordnenden Rechtsvorschriften, als vielmehr beim Schritthalten mit dem technischen Innovationstempo und den Möglichkeiten angespannter Polizeihaushalte.


Bildrechte: Landespolizei SH/Filmgruppe.