Aus- und Fortbildung

Erste Absolventen des Masterstudienganges Kriminalistik an der HPol Brandenburg verabschiedet

Von LKD a.D. Ralph Berthel, Frankenberg/Sa.

9 Darf Laufbahnrecht wirklich nicht flexibler sein?


Obwohl, wie vorn ausgeführt, der Studiengang ohne Auflagen akkreditiert wurde, sei auf eine kritische Anmerkung des Gutachtergremiums im Akkreditierungsbericht verwiesen. Dort heißt es: „Auf der Grundlage bestehender Innen- und Kultusministerbeschlüsse wird mit dem erfolgreichen Abschluss eines Masterstudienganges die ‚Laufbahnbefähigung für den höheren Dienst in der Allgemeinen Verwaltung‘ erworben. Dies bedeutet für den zu begutachtenden Masterstudiengang der HPol BB, dass der erfolgreiche Abschluss einen Wechsel in die Laufbahn des höheren Polizeivollzugsdienstes zwingend erfordert. Ein Verbleib in der Laufbahn des gehobenen Polizeivollzugsdienstes – und sei es in den Besoldungsgruppen A13 und A14 – lässt eine Beschlusskonformität vermissen. Dies stellt ein wesentliches Entwicklungsfeld des Studienganges dar.“


2007 hatten die Innenministerkonferenz und die Kultusministerkonferenz in einer gemeinsamen Vereinbarung festgestellt, dass es einer gesonderten Feststellung von FH-Mastern als Zugangsvoraussetzung zum höheren Dienst nicht mehr bedürfe.11 Nun bleibt den Absolventen des Oranienburger Masters bisher eine entsprechende laufbahnrechtliche Anerkennung allerdings versagt. Damit wird auch mit diesen Kolleginnen und Kollegen verfahren, wie mit den Absolventen der Masterstudiengänge „Kriminologie, Kriminalistik und Polizeiwissenschaft“ an der Ruhr-Universität Bochum12 und "Kriminalistik" an der School of Criminal Investigation & Forensic Science (School CIFoS)/ Institut für Kriminalistik Steinbeis Hochschule Berlin13. Zu hinterfragen ist diese Verfahrensweise insbesondere vor dem Hintergrund, dass

  • der Studiengang an einer polizeilichen Bildungseinrichtung durchgeführt wird,
  • ganz maßgeblich auch von den polizeilichen Bedarfsträgern mitgestaltet und
  • politisch ausdrücklich gewünscht wurde und wird.

Gerade mit Blick auf die in vielen Landespolizeien beklagten Personalsorgen bei der Besetzung von Stellen im Führungsbereich der Kriminalpolizei erscheint hier künftig ein Umdenken durchaus angeraten.

 

10 Wenn man wollte, könnte man schon!


Was hindert etwa die Polizeiorganisationen daran, für Master K-Absolventen ein ähnliches Verfahren, wie es seit Jahren deutschlandweit für Absolventen juristischer Studiengänge als Zugangsvoraussetzung für den höheren Polizeivollzugsdienst geübte Praxis ist und das in den sog. Studienkurs an der Deutschen Hochschule der Polizei mündet14, zu nutzen? Das erforderliche Fachwissen und die praktischen Erfahrungen können die Master K-Absolventen auf jeden Fall vorweisen. Also was stünde dem entgegen, etwa ein Auswahlverfahren vorzuschalten, in dem sich die Master K–Absolventen einer nochmaligen Auswahlentscheidung stellen müssen? Über die grundsätzliche Eignung verfügen sie ja, wie der o. g gemeinsamen Vereinbarung von Innenminister- und Kultusministerkonferenz zu entnehmen ist.


Aber vielleicht ist doch schon ein Lichtschimmer am Ende des laufbahnrechtlichen Tunnels erkennbar. Denn erste, vorsichtige Überlegungen, wie mit Blick auf die offenkundig problematische Personalsituation im Bereich der kriminalpolizeilichen Führungsfunktionen der künftige Einsatz von Master K-Absolventen aussehen könnte, werden erkennbar und geben Anlass zum Optimismus. In einem Gesetzesentwurf zur Änderung des Brandenburgischen Besoldungsgesetzes vom Dezember vergangenen Jahres ist für die Absolventinnen und Absolventen des Masterstudienganges „Kriminalistik“ von sog. Verzahnungsämtern die Rede. In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es weiter: „Um das aufgebaute Fachwissen auch in der Polizei des Landes Brandenburg auf hohem Niveau zu halten, ist es wichtig, den ausgebildeten Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten entsprechende Personalentwicklungsperspektiven anbieten zu können. Ansonsten bleibt zu befürchten, dass insbesondere Absolventinnen und Absolventen des Masterstudienganges „Kriminalistik“ von anderen Behörden, die ebenfalls dringend Fachkräfte suchen, abgeworben werden könnten.“15

 

11 Starke Zeichen aus Politik und Polizeiführung


Nicht bei allen Vorgesetzten in der Brandenburger Landespolizei fand der Studiengang uneingeschränkte Zustimmung. Das mag einerseits an der gerade beschriebenen Unsicherheit hinsichtlich der laufbahnrechtlichen Auswirkungen des Masterabschlusses gelegen haben. Andererseits: Welcher Vorgesetzte verzichtet schon gern zwei Jahre lang auf die Leistungsträger in seinem Zuständigkeitsbereich, denn genau um die handelt es sich bei den Studenten im Master K? Hinzu kommt die schwer nachvollziehbare Zurückhaltung anderer Landespolizeien und auch des BKA, eigenen Kolleginnen und Kollegen den Zugang zum Master K -Studium zu ermöglichen. So machten dann auch immer mal wieder Gerüchte die Runde, der Studiengang könne nicht fortgeführt werden.


Umso wichtiger erschien vor diesem Hintergrund, dass sich im Rahmen der o.g. Veranstaltung sowohl die Politik als auch die Führung der Polizei Brandenburgs ausdrücklich und unmissverständlich zum Studiengang bekannten. So fand Innenminister Stübgen am Rande der vorn genannten Veranstaltung am 29.9.2022 außerordentlich anerkennende Worte für die Hochschule, die, wie er es nannte, „einen beispielgebenden Studiengang kreiert hat“. Die Absolventinnen und Absolventen bezeichnete er als „eine wichtige Verstärkung für die polizeiliche Praxis in Brandenburgs Polizei“. Man zähle auf sie und ihre durch das Studium erworbenen Fachkenntnisse. Er versicherte zudem, dass die politischen, organisatorischen und nicht zuletzt auch haushalterischen Voraussetzungen garantiert seien, diesen Studiengang auch künftig fortzusetzen.


Und Polizeipräsident Stepien ging im Rahmen seiner Rede auf dieser Veranstaltung ausführlich auf den Stellenwert dieses bundesweit einmaligen Studienmodells ein. Er hob hervor, dass man sich in den Dienststellen auf die Absolventinnen und Absolventen freue und künftig auf deren Expertise zähle. Das sei eine Antwort der Brandenburger Polizei auf die ständig zunehmenden Herausforderungen an eine moderne Verbrechensbekämpfung.

 

12 Ausblick – den Studiengang weiterentwickeln


Das kritische Reflektieren der Inhalte, der fachlichen Schwerpunktsetzungen und der Struktur, also das Evaluieren war von Beginn an eine konzeptionelle Säule des Studienganges. Dabei brachten alle Beteiligten, also sowohl die Studentinnen und Studenten als auch die Lehrkräfte, einen konstruktiv-kritischen Blick ein. Die ersten Ergebnisse dieser Auseinandersetzung flossen bereits in die Konzipierung des zweiten Studienjahrganges, der am 1.4.2022 eröffnet wurde, ein. So wurden Redundanzen aufgezeigt und bereinigt. Die Anteile von Selbststudieninhalten wurden ebenso überarbeitet, wie thematische Überschneidungen und Doppelungen. Auf einem Plakat, auf dem für den Masterstudiengang Kriminalistik geworben wird, findet sich das Schlagwort „Weiterentwickeln!“. Damit sind einerseits die Notwendigkeiten und Möglichkeiten zur fachlichen Weiterentwicklung, die der Studiengang interessierten Kriminalistinnen und Kriminalisten bietet, gemeint.


Die Weiterentwicklung betrifft andererseits auch die Kriminalistik als Wissenschaftsdisziplin. Mit der Etablierung des Studiengangs war einerseits ein Zuwachs an Professuren und Lehrkräften, welcher die Hochschule zu einem Centre of Excellence für den Bereich Kriminalistik entwickeln soll, verbunden. Neben dieser Konzentration von internem als auch externem Know-How seitens der Lehrkräfte tragen zu dieser Entwicklung ganz entscheidend auch die Studentinnen und Studenten bei. Mit ihren wissenschaftlichen Arbeiten, insbesondere der Masterthesis am Ende des Studiengangs und mit ihrem ganz persönlichen Engagement während des Studiums sind sie ein maßgeblicher Teil dieser Weiterentwicklung.“ (Pepijn van Dijk, Studiengangsleiter – Masterstudiengang Kriminalistik)

 

13 Fazit


Die 2019 geäußerte Hoffnung, dass der Master K „einen weiteren und wichtigen Schritt in der Fortentwicklung der Hochschullandschaft im kriminalwissenschaftlichen Betrachtungsfeld leisten und damit die deutsche Kriminalistik auch im internationalen Kontext aufwerten“16 kann, hat sich Dank des Engagements sowohl der Lehrkräfte als auch des Studiengangsmanagements sowie der Vertreter von Landespolizei und Staatsanwaltschaften erfüllt. Unbedingt will ich auch die Studenten … nun natürlich Absolventen nennen. Ich weiß, dass sich der Eine oder die Andere ab und zu als Versuchskaninchen empfand. Und so ehrlich müssen alle sein, die mit viel Fleiß und nach bestem Wissen und Gewissen diesen neuen Studiengang auf die Beine gestellt hatten. Ein solcher Eindruck ließ sich nicht immer verhindern. Corona machte es zusätzlich schwierig. Dass die Studentinnen und Studenten in diesen zwei Jahren nicht nur konsumiert, sondern sich (meist) in beeindruckender Weise eingebracht haben, spricht für diese Kolleginnen und Kollegen. Es spricht aber auch für den Studiengang, der wohl interessant, anregend und bereichernd war. Wenn sich nun auch noch andere Landespolizeien und vielleicht auch das BKA engagieren und diesen Studiengang für Ihre Kolleginnen und Kollegen öffnen würden, wäre ein weiterer wichtiger Schritt zur Etablierung der wissenschaftlichen Kriminalistik in der Hochschullandschaft wie auch der Praxis getan.


Gern schließe ich meinen kurzen Bericht über die ersten Erfahrungen mit dem Oranienburger Master K und hinsichtlich der Überlegungen zu dessen Fortentwicklung mit einigen Gedanken von Ulf Brünsing, den ich bereits vorn zitiert hatte: „Wahrscheinlich werde ich keine besseren Durchsuchungsberichte schreiben und auch meine Akten nicht besser aufbauen können. Was ich aber sicherlich während des Studiums gelernt habe, ist mit dem kriminalistischen Zweifel besser umzugehen, Sachverhalte methodisch klarer zu hinterfragen und so hoffentlich ein noch etwas besserer Kriminalist zu sein.