Recht und Justiz

Synthetische Cannabinoide

Eine unterschätzte Gefahr

 

4 Überlegungen für die polizeiliche Praxis


Das Strafrecht hinkt den Entwicklungen hinterher, mit der Folge, dass im schlechtesten Fall keine Möglichkeit der Sanktionierung des Handels und auch keine damit einhergehenden Möglichkeiten der Therapie bzw. der erzieherischen Ansätze im Bereich des Jugendstrafrechts bestehen. Gleichzeitig konnte sich der Gesetzgeber bisher nicht dazu durchringen, gesetzliche Rahmenbedingungen für einen legalen Handel mit Cannabis zu schaffen. Staatliche Regulierung hätte das Potential, den Schwarzmarkt auszutrocknen. Zugleich würde eine legale Verfügbarkeit von natürlichem Cannabis den Nährboden für die gefährlichen synthetischen Alternativen entziehen.

Es ist nicht zielführend, weiter abzuwarten und darauf zu hoffen, dass es eine zufriedenstellende gesetzliche Regelung geben wird. Daher ist es entscheidend, dass die Polizei ein Problembewusstsein für von synthetischen Cannabinoiden ausgehende Gefahr entwickelt.

4.1 Umgang mit Konsumenten

Das NpSG sanktioniert Handel, Inverkehrbringen und Verabreichen, nicht aber Erwerb, Besitz oder Konsum. Der von der Polizei kontrollierte Endkonsument hat somit strafrechtlich nichts zu befürchten, zumal Urin- oder Schnelltest die synthetischen Varianten des THC auch nicht als THC erkennen.10 Sofern aber der Fund von vermeintlichem Cannabis oder typisches Verhalten auf Cannabiskonsum hindeuten, muss aufgrund der zuvor dargestellten Risiken die Frage gestellt werden, ob nicht aus Gründen der Gefahrenabwehr ein entschiedenes Vorgehen der Polizei geboten ist. Der Konsument begeht zwar keine Straftat, aber er bringt sich, sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit, in Gefahr. Es ist die Aufgabe der Polizei, Gefahren abzuwehren. Aufgrund des hohen Verbreitungsgrads der synthetischen Cannabinoide wäre es grob fahrlässig, deren Vorliegen nicht als wahrscheinlich in Betracht zu ziehen, auch wenn es sich lediglich um den Fund einer geringen Menge handelt. Es ist daher unbedingt erforderlich, ggf. vor Ort festzustellen, ob es sich bei der gefundenen Substanz um natürliches Cannabis oder nicht handelt. Wenn der Test kein Ergebnis liefert, sollte daher dringend der Zusatz von Chemikalien in Betracht gezogen und eine Sicherstellung des Funds im Rahmen der Gefahrenabwehr geprüft werden.

4.2 Umgang mit Händlern

Außerdem sollte man stets im Blick halten, dass es sich um ein sehr lukratives Geschäft handelt – billig im Einkauf, leicht in der Herstellung großer Absatzmarkt.11 Gerade im Bereich der organisierten Kriminalität stellt der Handel mit synthetischen Cannabinoiden neben dem „normalen“ Cannabishandel eine entscheidende, existenzielle Einkommensquelle dar und erklärt, warum der Markt skrupellos mit den Chemikalien geschwemmt wird. Um der Strafverfolgung zu entgehen, werden in den Laboren am laufenden Band neue Strukturen entwickelt, die noch nicht vom NpSG erfasst sind.

Kann das richtig sein? Obgleich die von den Stoffen ausgehende Gefahr ungleich größer ist als bei natürlichem Cannabis, befinden sich die Händler in einer strafrechtlich betrachtet deutlich sichereren Position: Die Gefahr des Entdecktwerdens ist geringer und es bestehen hohe Chancen, dass die auf die ständige Weiterentwicklung der Chemikalien spezialisierten Labore eine nicht von den strafrechtlichen Normen erfasste Variante geliefert haben.

Ein solcher Zustand ist mit Blick auf das bewusste Ausnutzen strafrechtlicher Lücken unter Aufbringung einer hohen kriminellen Energie schwer erträglich.

Wie bereits dargestellt, kann der Kampf gegen die mit Chemikalien versetzten Ersatzdrogen nicht über das BtMG und oft auch nicht über das NpSG geführt werden. Oft wird bemängelt, dass der Gesetzgeber den Entwicklungen der Labore hinter hinkt, dass die Aufnahme neuer Stoffgruppen in das NpSG viel zu langsam erfolge. Dennoch bietet das Strafrecht auf anderem Wege Möglichkeiten, zumindest gegen die Händler der synthetischen Cannabinoide vorzugehen: Angesichts der dargestellten massiven Gefahren für Leib und Leben bieten die Straften gegen die körperliche Unversehrtheit einen Ansatz. Insbesondere die gefährliche Körperverletzung mittels eines gesundheitsschädlichen Stoffs dürfte regelmäßig einschlägig sein. Ebenso muss bei tödlichen Ausgang eine entsprechende Strafbarkeit geprüft werden.

 

5 Fazit


Die Eindämmung der schädlichen synthetischen Substanzen darf nicht im Zuge der Entkriminalisierung einer völlig anders wirkenden aber gleich aussehenden Droge untergehen. Es wird immer wichtiger für die Exekutive, ganz genau hinzusehen und vor allen Dingen zu handeln. Die Gefahren, die von den synthtischen Cammbinoiden ausgehen, dürfen nicht unterschätzt werden.

 

Anmerkungen

  1. Die Autorin hat Rechtswissenschaften studiert und war nach der Zweiten Juristischen Staatsprüfung zunächst einige Jahre als Rechtsanwältin tätig. 2015 ist sie zur Landespolizei Schleswig-Holstein gewechselt und ist heute als KK`in im Sachgebiet 223 für Finanzermittlungen, Geldwäsche und Vermögensabschöpfung im Landeskriminalamt tätig.
  2. Synthetische Cannabinoide und ihre Risiken, Die Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich, 2020.
  3. Chemisch gestrecktes Cannabis - Warnung! https://ladr.de/betaeubungsmittel/chemisch-gestrecktes-cannabis, v. 12.4.2021.
  4. European Monitoring Centre for Drugs an Drug Addiction. Risk Assessments. 5F-MDMB-PINACA, 2018; Zahlreiche Konsumenten bluteten aus Augen und Mund – zwei starben. www.welt.de/kmpkt/article175113703/Synthetisches-Cannabis-Konsumenten-bluteten-aus-Augen-und-Mund-zwei-starben.html, v. 4.4.2018.
  5. Untypische Symptome alarmieren Forscher. https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/synthetische-drogen-neues-cannabis-neue-risiken-1.1746434-2, v. 11.3.2018.
  6. BVerfG, Beschluss v. 9.3.1994, 2 BvL 43/92.
  7. Drs. 19/27807, Antrag der FDP v. 23.3.2021; Programmentwurf zur Bundestagswahl 2021, Bündnis 90/Die Grünen, S. 68; „SPD will kleine Mengen Cannabis legalisieren“, https://www.spiegel.de/politik/deutschland/drogenpolitik-spd-verspricht-cannabis-in-kleinen-mengen-zu-legalisieren-a-01176dce-1a24-46a4-b432-73ef46e46638, v. 22.3.2021.
  8. DROGENPERSPEKTIVEN – Synthetische Cannabinoide in Europa. Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, v. 6.6.2017.
  9. BGH v. 4.9.2014, 3 StR 437/12.
  10. Synthetische Cannabinoide unterwandern den Markt. https://www.wn.de/Freizeit/Ratgeber/Specials/4284031-Bekannte-Droge-mit-neuem-Gesicht-Synthetische-Cannabinoide-unterwandern-den-Markt, v. 29.9.2020.
  11. Chemisch gestrecktes Cannabis - Warnung! https://ladr.de/betaeubungsmittel/chemisch-gestrecktes-cannabis, v. 12.4.2021.

 

Seite: << zurück12