Recht und Justiz

Gesetzliche Änderungen im Sexualstrafrecht

Von Prof. Dr. Dennis Bock und Cathrin Lebro, Kiel

2.1.2.2 Strafschärfungen

Großes Aufsehen hat unter den Experten die Anhebung der Strafrahmen der §§ 176, 176a StGB erregt.32 Der Strafrahmen des § 176 StGB wurde von sechsmonatiger bis zehnjähriger Freiheitsstrafe auf Freiheitsstrafe von einem bis fünfzehn Jahren erhöht und damit zu einem Verbrechen hochgestuft (§ 12 I StGB). Dies führt dazu, dass zum einen in materiell-rechtlicher Hinsicht der Anwendungsbereich des § 30 StGB eröffnet und somit auch eine Vorfeldbestrafung möglich ist, und zum anderen in prozessrechtlicher Hinsicht eine Einstellung von Verfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs gegen Kinder aus Gründen der Opportunität wegen Geringfügigkeit nach den §§ 153, 153a StGB ausgeschlossen ist.33 In § 176a StGB wurde der Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren auf sechs Monate bis zehn Jahre Freiheitsstrafe angehoben. Bei den übrigen Tatbeständen blieben die Strafrahmen weitgehend unverändert. Hervorzuheben ist in Bezug auf § 176b StGB aber noch, dass die Mindeststrafe für bestimmte Taten nach § 176 I Nr. 1, 2 StGB von einem Jahr auf zwei Jahre erhöht und die Regelung für minder schwere Fälle (§ 176a IV StGB a.F.) gestrichen wurde. Der Gesetzgeber begründet die Strafschärfungen zuvorderst mit der gestiegenen Zahl bekanntgewordener Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern und erhofft sich einen besseren Schutz von Kindern sexualisierter Gewalt durch Abschreckungsprävention.34 Dabei verschließt er sich aber kriminalpolitischen Erkenntnissen und ist insofern dem – berechtigten – Vorwurf einer „symbolischen ad-hoc-Gesetzgebung“35 ausgesetzt.36 Zugleich soll stärker als bisher das besonders schwere Unrecht der Tat widergespiegelt werden.37 Unter dem Aspekt der besonderen Wehrlosigkeit der Tatopfer und der psychischen Langzeitfolgen solcher Taten, mag die Einordung als schwerstes Unrecht und der damit einhergehenden Gestaltung des Strafrahmens gerechtfertigt sein.38

2.1.3 § 184b StGB

Neben dem sexuellen Missbrauch von Kindern wurde auch der Tatbestand des § 184b StGB, der die zentrale Norm für Erscheinungsformen der Kinderpornographie darstellt,39 neu gefasst und dabei der Strafrahmen enorm angehoben.

2.1.3.1 Strafschärfungen

Nunmehr werden unterschiedslos alle Umgangsformen mit tatsächlicher und wirklichkeitsnaher Kinderpornographie, namentlich das Verbreiten, der Besitz und die Besitzverschaffung, als Verbrechen ausgestaltet.40 Dabei sind die Strafrahmen der ersten drei Absätze gestaffelt. Bei der Verbreitung kinderpornographischer Inhalte droht gem. § 184b I StGB eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren (zuvor: Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren). Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren werden gem. § 184b II StGB Täter bestraft, die gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande bestimmte kinderpornographische Inhalte verbreiten (zuvor: Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahre). Massiv angehoben wurde der Besitz und die Besitzverschaffung von kinderpornographischen Inhalten nach § 184b III StGB auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren (zuvor: Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe).


Anlass der Strafschärfungen war eine aus Sicht des Gesetzgebers zu milde Sanktionspraxis der Gerichte sowie gestiegene Fallzahlen, aus denen eine zu geringe Abschreckungswirkung gefolgert wurde.41 Ziel ist es, das Unrecht dieser Taten stärker widerzuspiegeln und eine der Schwere der Tat entsprechende Bestrafung zu ermöglichen. Zugleich sollen potentielle Täter von einer Straftatbegehung bereits im Vorfeld abgeschreckt und somit die Anzahl der Straftaten reduziert werden.42


In der Tat ist die Zahl der registrierten Taten nach § 184b StGB seit Jahren angestiegen.43 Der Ansatz, dieser Problematik allein durch eine Verschärfung des Strafrahmens Herr zu werden, greift jedoch zu kurz und hat sich auch in der Vergangenheit nicht als probates Mittel erwiesen.44 So beruht der massive Anstieg der Deliktszahlen nicht nur auf der ständigen Verfügbarkeit moderner Kommunikationsmittel, sondern auch auf einer insgesamt bei den Sexualdelikten deutlich angestiegenen Wahrnehmungs-, Anzeige- und Verfolgungsbereitschaft.45 Hinzu kommt das Phänomen, dass zunehmend Kinder oder Jugendliche selbst entsprechende Inhalte herunterladen oder gar selbst erstellen und verbreiten.46 Letztere Tatgruppe dem Bereich der Schwerstkriminalität zuzuordnen, scheint kaum angemessen.


Besonders kritisch zu würdigen ist zudem die Anhebung des Strafrahmens für den Besitz und die Besitzverschaffung von kinderpornographischen Inhalten gem. § 184b III StGB. Der Gesetzgeber rechtfertigt die Verschärfung damit, dass die Täter durch ihre Nachfrage den Markt für Kinderpornographie befeuerten und sich folglich am Missbrauch kindlicher Opfer mitschuldig machten.47 Auch wenn dies einleuchtet, ist es schwer verständlich, dass etwa der nach § 184b III StGB strafbare bloße Besitz eines einzigen Bildes mit der „sexuell aufreizenden Wiedergabe ... des unbekleideten Gesäßes eines Kindes“ derselben Strafdrohung wie eine sexuelle Handlung mit Körperkontakt (§ 176 I StGB) unterliegt.48 Angezeigt wäre viel mehr eine differenzierende Betrachtung nach Tätertypen und Handlungsweisen.49

2.1.3.2 Privilegierung, § 184b I 2 StGB

Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit enthält § 184b I 2 StGB noch einen Vergehenstatbestand (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren) und privilegiert darin Taten nach § 184b I Nr. 1, 2 StGB, soweit lediglich fiktive, also erkennbar künstliche Kinderpornographie, betroffen ist.50 Hierunter fallen z.B. kinderpornographische Comics, Zeichnungen, Inhalte in virtuellen Welten oder Erzählungen. Mangels Beteiligung eines realen Kindes bestünde nicht in gleicher Weise die Befürchtung einer Nachahmung der Konsumenten, 51 sodass hier etwa eine Geldstrafe über § 47 II StGB oder Einstellungen gem. § 153a StPO möglich sind.52 Problematisch ist aber, dass angesichts des technischen Fortschritts in der Datenverarbeitung die Grenzen zwischen „wirklichkeitsnaher“ und „fiktiver“ Kinderpornographie verschwimmen und daher z.B. Formate der „virtuellen Realität“ kaum zuverlässig einzuordnen sind.53

2.1.3.3 § 184b V, VI StGB

Zuletzt wurde der Tatbestandsausschluss des § 184b V StGB a.F. für eine bessere Übersichtlichkeit und einfachere Zitierung in zwei Absätze aufgeteilt.54 § 184b V StGB schließt die Strafbarkeit für Handlungen nach § 184b I 1 Nr. 2, III StGB aus, die ausschließlich der rechtmäßigen Erfüllung von staatlichen Aufgaben (Nr. 1), Aufgaben, die sich aus Vereinbarungen mit einer zuständigen staatlichen Stelle ergeben (Nr. 2) oder dienstlichen oder beruflichen Pflichten (Nr. 3) dienen. In § 184b VI StGB wird die Strafbarkeit nach § 184b I Nr. 1 und 4 StGB für bestimmte „dienstliche Handlungen i.R.v. strafrechtlichen Ermittlungsverfahren“ ausgeschlossen.

2.1.4 § 184l StGB

Im Zuge der Gesetzesänderung wurde zudem mit § 184l StGB ein neuer Tatbestand geschaffen, der das Inverkehrbringen, den Erwerb und auch den Besitz von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild pönalisiert.55 Anlass waren wohl Funde solcher Sexpuppen i.R.d. Ermittlungen bei den Missbrauchsfällen von Bergisch-Gladbach und Münster.56 Es handelt sich hierbei um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, dem die Erwägung zu Grunde liegt, dass kindliche Sexpuppen die Neigungen von Missbrauchstätern bestärken und die Hemmschwelle, entsprechende Fantasien an echten Kindern auszuüben, senken könnte.57 Gleichsam ist es aber auch möglich, dass ein Umgang mit kindlichen Sexpuppen die sexuellen Fantasien potentieller Täter mit pädophilen Neigungen befriedigt und insofern die Hemmschwelle erhöht.58 In Anbetracht dessen, dass z.B. der Besitz entsprechender „erwachsener“ Sexpuppen nicht pönalisiert wird, um eine mittelbare Förderung der Begehung von Straftaten nach § 177 StGB zu verhindern,59 steht letztlich hinter der Gesetzesinitiative der Wille, ein unmoralisches Verhalten, die Pädophilie, zu bestrafen.60 Tatobjekt ist die körperliche Nachbildung eines Kindes oder eines Körperteils eines Kindes, die nach ihrer Beschaffenheit zur Vornahme sexueller Handlungen bestimmt ist. Hierunter fallen i.d.R. Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild.61 Wirklichkeitsgetreu muss die Nachbildung nicht sein.62 Tathandlungen sind das Herstellen, Anbieten oder Bewerben (Nr. 1), das Handeltreiben oder Verbringen (Nr. 2), sowie das Veräußern, Abgeben oder sonstige Inverkehrbringen ohne Handeltreiben (Nr. 3). Sie entsprechen im Wesentlichen § 184b I Nr. 3 und 4 StGB.63


Beispiel: A schenkt B eine Sexpuppe mit kindlichem Erscheinungsbild und macht sich somit nach § 184b I Nr. 3 Var. 2 StGB strafbar.


Für Fälle, in denen das Tatobjekt erworben, besessen oder ins Inland verbracht wird, normiert § 184l II StGB einen Qualifikationstatbestand.64 Hier reicht die Strafe bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe, während § 184l I StGB einen Höchststrafrahmen von fünf Jahren Freiheitsstrafe normiert. § 184l III StGB stellt den Versuch der § 184l I Nr. 2 und 3 StGB unter Strafe. In § 184l IV StGB wird der Tatbestand nach dem Vorbild des § 184b V StGB für Fälle ausgeschlossen, in denen durch die Tathandlung staatliche Aufgaben (z.B. Strafverfolgung) wahrgenommen werden bzw. dienstliche Pflichten erfüllt werden.65 Eine Strafbarkeit nach § 184l StGB kommt gem. § 184l I 2 StGB nur in Betracht, wenn die Tat nicht nach § 184b StGB mit schwerer Strafe bedroht ist (formelle Subsidiarität). Der Gesetzgeber ist folglich davon ausgegangen, dass Sexpuppen zugleich pornographische Inhalte nach § 184b StGB sein können, wobei unklar geblieben ist, welche Fälle dies sein könnten.66

2.2 Strafprozessuale Begleitmaßnahmen

Zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder wurden zudem einige Maßnahmen zur Effektivierung der Strafverfolgung getroffen. So ist zum einen durch eine Änderung des § 112 III StPO die Anordnung von Untersuchungshaft unter erleichterten Voraussetzungen bei schwerem sexuellem Missbrauch gegen Kinder möglich.67 Zum anderen besteht künftig gem. § 100a I, II Nr. 1 lit. g StPO die Möglichkeit zur Durchführung einer Telekommunikationsüberwachung auch bei Ermittlungen wegen Sichverschaffens oder Besitzes von Kinderpornographie nach § 184b III StGB.68 Zuletzt kann nun bei sämtlichen Formen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie bei der Verbreitung kinderpornographischer Inhalte eine Onlinedurchsuchung angeordnet werden (vgl. § 100b I Nr. 1, II Nr. 1 lit. e, f StPO).