Recht und Justiz

„Klappe auf, Probleme da“

Von den strafrechtlichen Besonderheiten des EC-Karten-Einsatzes an Geldautomaten

2.4 „Cash-Trapping“

Eine weitere durch kriminellen Erfindungsreichtum bescherte Variante des Gewahrsamsbruchs am Geldautomaten wird verbreitet als „Cash-Trapping“ bezeichnet:


B bringt am Geldausgabefach eines Bankautomaten ein mit einem Klebestreifen versehendes Metallprofil an. G bedient wenig später den Geldautomaten, um Geld von seinem Konto abzuheben. Das vom Automaten auszugebende Geld bleibt am Klebestreifen haften und wird nicht ausgegeben. In der Annahme, der Automat sei defekt, zieht G von dannen. B, der in der Nähe gewartet hat, kehrt zum Automaten zurück, entfernt das Metallprofil und nimmt die Geldscheine an sich.


Abwandlung: B wird beim Anbringen beobachtet und festgenommen, bevor jemand den manipulierten Automaten bedient.


B macht sich im Ausgangsfall wegen Diebstahls gem. § 242 Abs. 1 StGB43 strafbar. Die Geldscheine verbleiben im Gewahrsam der Bank und dieser wird gebrochen, indem B die Geldscheine an sich nimmt. Da von einer ordnungsgemäßen Bedienung des Automaten angesichts der Manipulation keine Rede sein kann, dürfte – unabhängig von der oben geschilderten Problematik – auch nicht behauptet werden, dass der Gewahrsamswechsel mit Einverständnis der Bank erfolgt sei.44


In der Abwandlung macht sich B wegen versuchten Diebstahls strafbar. Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt, § 22 StGB. Nach gängiger Definition ist das der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreitet und objektiv so zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht.45


Diese Voraussetzungen wird man hier zu bejahen haben.46 B hat mit dem Anbringen der Vorrichtung alles getan, was von seiner Seite erforderlich war und kann von nun an, den Dingen ihren Lauf lassen. Die entscheidende Bedingung für den Taterfolg ist gesetzt und das gesamte weitere Geschehen stellt sich als planmäßige Fortentwicklung des so in Gang gesetzten Geschehensablaufes dar.


Für die Annahme eines Versuchsbeginns spricht auch der Vergleich mit der Rechtsprechung des BGH zum Versuchsbeginn beim Einbruchsdiebstahl. In Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung hat der BGH anerkannt, dass für den Versuchsbeginn der erste Angriff auf einen Schutzmechanismus – also bspw. das Aufhebeln eines Fensters – regelmäßig ausreicht, wenn sich der Täter bei dessen Überwindung nach dem Tatplan ohne tatbestandsfremde Zwischenschritte, zeitliche Zäsur oder weitere eigenständige Willensbildung einen ungehinderten Zugriff auf die erwartete Beute vorstellt.47 Ebenso wie beim Einbruchdiebstahl das Aufheben des Schutzmechanismus nach dem Tatplan den ungehinderten Zugriff auf die Sache ermöglicht und somit nicht als Vorbereitungshandlung abgetan werden kann, schafft der Täter beim „Cash-Trapping“ durch das Anbringen der Vorrichtung die entscheidende Bedingung, die den Zugriff auf die Sache ermöglicht.


Soweit das OLG Köln48 eine Versuchsstrafbarkeit verneint, vermag diese Entscheidung nicht zu überzeugen und sollte daher– jedenfalls außerhalb des dortigen OLG-Bezirks – der praktischen Herangehensweise nicht zugrunde gelegt werden. Das Gericht weist zu Unrecht dem noch erforderlichen Entschluss, auch tatsächlich sein Versteck zu verlassen und das Geld an sich zunehmen, die Bedeutung eines weiteren Willensimpulses zu, weshalb die Schwelle zum „jetzt geht es los“ noch nicht überschritten sei, und betrachtet das noch erforderliche Verhalten des Geschädigten als wesentlichen Zwischenakt. Der vermeintlich weitere Willensimpuls, der nach den Ausführungen des Gerichts in einer bewussten Entscheidung für die Tatbegehung, wenn „die Luft rein ist“, bestehen soll, entpuppt sich bei Lichte betrachtet als die Entscheidung, den Tatplan tatsächlich vollständig umzusetzen und nicht von der Tatvollendung i.S.d. § 24 StGB zurückzutreten. Derartige Erwägungen stehen der Annahme des Versuchsbeginns nie entgegen.49 Vielmehr bejaht der BGH den Versuchsbeginn auch in der vergleichbaren Konstellation der Gewahrsamslockerung in der Form, dass der Täter die Beute in den Räumen des Geschädigten versteckt, obwohl auch dort der Täter bei ungünstigen Umständen, die Tatvollendung noch aufgeben und die Sachen nicht an sich nehmen könnte.50


Soweit zu beurteilen ist, ob das Verhalten des Geschädigten einen dem Versuchsbeginn entgegenstehenden wesentlichen Zwischenschritt darstellt, liegt nahe, die vom BGH zu vom Täter gestellten Fallen entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Der BGH differenziert hier danach, ob für den Täter feststeht, dass ein Geschädigter erscheinen und sein für den Taterfolg eingeplantes Verhalten bewirken werde – dann Versuchsbeginn mit Abschluss der Tathandlung des Täters – oder der Täter das Erscheinen des Geschädigten im Wirkungskreis des Tatmittels hingegen für lediglich möglich, aber noch ungewiss hält – dann Versuchsbeginn, sobald sich der Geschädigte dem Tatmittel nähert.51 Vorbehaltlich besonderer Einzelfallumstände, verträgt es sich nicht mit dieser Rechtsprechung, den Zugriff auf den Geldautomaten, bei dem allenfalls das „Wann“, aber nie das „Ob“ in Frage stehen dürfte, als wesentlichen Zwischenschritt anzusehen, der dem Versuchsbeginn entgegen stehen soll.


Nach alledem ist von einer Strafbarkeit wegen versuchten Diebstahls auszugehen.

 

3 Resümee


Die Bedienung eines Geldautomaten und damit verbundene Straftaten bergen zahlreiche, teilweise tückische juristische Untiefen. Doch sollte dies keineswegs schrecken. Denn die dargestellte höchstrichterliche Rechtsprechung ermöglichen Polizei und Staatsanwaltschaft weiterhin eine effektive Strafverfolgung. Die Erfahrung hat dabei gezeigt, dass es sich in diesem Bereich oft um professionell agierende Täterstrukturen handelt, weshalb grundsätzlich nur ein schnelles, entschlossenes Vorgehen der Ermittlungsbehörden nachhaltige Erfolge zeitigt. Hierbei kommt dem überregionalen, steten Austausch der jeweiligen Erkenntnisse sicherlich eine überragende Bedeutung zu. Insofern sei abschließend noch auf die Regelung des § 30 Abs. 2, 3. Var. StGB hingewiesen, die bereits die Verabredung eines Verbrechens unter Strafe stellt. Ist aufgrund der bisherigen Ermittlungsergebnisse das Handeln mehrerer Tatverdächtiger ersichtlich, kann oftmals über § 30 Abs. 2, 3. Var. StGB i.V.m. §§ 242, 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, 244a Abs. 1 StGB ein Anfangsverdacht begründet werden, auf den umfangreiche verdeckte Ermittlungsmaßnahmen gestützt werden können, insbesondere die längerfristige Observation gemäß § 163f StPO unter Zuhilfenahme technischer Mittel i.S.d. § 100h StPO. Mittels Fortführung effektiver Ermittlungsmaßnahmen sollte daher auch zukünftig der Bevölkerung eine unbeschwerte Nutzung von Geldautomaten möglich sein, ohne stets einem unguten Gefühl durch Rütteln an der Verkleidung des Automaten oder einem Blick über die Schulter nachgehen zu müssen.


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