Recht und Justiz

Hanf und CBD

In aller Munde (und manchmal auch auf der Haut)

3.2 Ausnahmen vom Verkehrsverbot

Während das Gesetz für den Stoff THC keine Ausnahmeregelungen vorsieht, ist der Vertrieb von Cannabis nur ausnahmsweise unter sehr engen Voraussetzungen zulässig, jedoch nur unter den nachfolgenden drei Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen:


(1) Das Ausgangsmaterial muss aus zertifiziertem Saatgut14 (sog. Nutzhanf) stammen. Dieser enthält im Regelfall nur geringe Mengen an THC. Für den Anbau und Vertrieb durch ein landwirtschaftliches Unternehmen existieren hierzu weitere Vorgaben. Alternativ („oder“) darf der THC-Gehalt nicht über 0,2% liegen. Es erscheint ungewöhnlich, dass beide Eingangsvoraussetzungen nicht kumulativ gefasst sind, sondern kaum psychotroper Nutzhanf strafrechtlich zunächst einmal genauso behandelt wird wie Drogenhanf.15


(2) Weitere zwingende Voraussetzung – und dies gilt für beide Alternativen – ist, dass mit Anbau und Vertrieb ausschließlich gewerbliche oder wissenschaftliche – und zugleich dem öffentlichen Interesse dienende – Zwecke verbunden sind. Ein gewerblicher Zweck wurde bislang verneint, wenn Cannabis zu Konsumzwecken an Endverbraucher abgegeben werden. Der BGH16 hat allerdings im vergangenen Jahr die bisherige Rechtsprechung aufgegeben und verlangt für die Ausnahmeregelung keinen Handel zwischen Gewerbetreibenden mehr. Es käme allein auf das folgende Missbrauchskriterium (als Korrektiv) an:


(3) Denn nach dem BtMG muss in jedem Fall ein Missbrauch zu Rauschzwecken ausgeschlossen sein. Die Rechtsprechung legt dieses Merkmal unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien17 sehr eng aus, um so Konsumzwecken entgegentreten zu können18. Hierfür spricht auch, dass die BtMG-Regelungen nach dem Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt („alles, was nicht ausdrücklich erlaubt ist, ist verboten“) und nicht nach dem z.B. im Lebensmittelrecht allgemein geltenden Missbrauchsprinzip („alles ist erlaubt, außer dem Missbrauch“) ausgestaltet sind. Ein Missbrauch wird dann bejaht, wenn der Gebrauch dem Zweck dient, sich die psychotrope Wirkung des Stoffs nutzbar zu machen19. Diesem Kriterium wohnt eine subjektive Komponente inne. Teeblätter können leicht auch geraucht oder als Grundlage für Cookies genutzt werden; durch Erhitzung (Decarboxylierung) kann z.B. der THC-Gehalt erhöht werden. Gleiches dürfte bei Tabakersatz aus Hanfblüten der Fall sein So kann z.B. der Verkauf von getrockneten/zerkleinerten Nutzhanfpflanzen als entweder als Tee oder Duftkissen ein strafbares Handeltreiben mit BtM darstellen. In diesen Fällen muss das Strafgericht nach den Vorgaben des BGH jedoch prüfen, ob der Vorsatz des Beschuldigten auch die Möglichkeit eines Missbrauchs bei dem von ihm vertriebenen Cannabis-Produkt zu Rauschzwecken umfasst, m.a.W: Hat der Verkäufer die Rauschmitteleignung z.B. des Tees erkannt oder nicht? Diese strengen Vorgaben dürften die Ermittlungsbehörden nicht nur zur Einholung eines Wirkstoffgutachtens sowie zur Prüfung der Rauscheignung zwingen, sondern das Tatgericht auch zu umfassenden Ermittlungen z.B. der Vorsatzfrage. Ein Missbrauch hingegen ist bei der Verarbeitung zu Papier oder Textilien ausgeschlossen.


(4) Hanfsamen fallen nicht unter das Betäubungsmittelrecht, soweit sie nicht zum unerlaubten Anbau bestimmt (d.h. nicht keimfähig) sind. Hanfsamen enthalten auf Grund ihrer Morphologie nämlich keine Cannabinoide.20 Daher dürfen sie zur Lebensmittelherstellung (z.B. für Müsli, Snacks, Gewürze, Mehl, Pizzabelag mit Hanfsamenmehl oder aber reines Hanfsamenöl) verwendet werden. Vom grundsätzlichen Verbot ausgenommen ist auch der sogen. Medizinalhanf (dann aber Arzneimittel!) und der Anbau von Hanf als Schutzstreifen für die Rübenzüchtung, sofern er vor der Blüte vernichtet wird.


Ansonsten gilt: Gemäß §§ 29 ff. BtMG macht sich strafbar, wer unerlaubt Betäubungsmittel anbaut, herstellt oder in den Verkehr bringt.

3.3 Sonderproblem: CBD

Der Stoff CBD lässt sich durch zahlreiche physikalischen Verfahren leicht aus der Cannabis-Pflanze extrahieren. Handelt es sich bei dem Ergebnis um reines CBD, so ist das betäubungsmittelrechtlich irrelevant. Der Stoff CBD ist nämlich als Pflanzenbestandteil in den Anlagen des BtMG (Positivliste!) nicht explizit aufgeführt. Zudem hat der Europäische Gerichtshof am 19.11.2020 – durch Wortauslegung – festgestellt, dass CBD nach derzeitigem wissenschaftlichem Stand keine psychotropen Wirkungen entfaltet.


Das eigentliche Problem liegt darin, dass CBD bei der Extraktion kaum in Reinform isoliert werden kann und dabei auch regelmäßig ein gewisser Anteil THC migriert. Die rechtliche Bewertung von Produkten, die CBD enthalten, hängt daher von ihrer (wissenschaftlich und folglich gerichtsfest beurteilten) Zusammensetzung ab: Wird allein der Stoff CBD (Cannabidiol) oder aber CBA (Cannbidiolsäure) festgestellt, unterliegt das Produkt nicht dem Betäubungsmittelrecht. Dessen Verkehrsfähigkeit ist dann – je nach Zielrichtung der Vermarktung – anhand der gesetzlichen Vorgaben zum Arznei-, Lebensmittel-, Kosmetik-, Medizinprodukte- oder Tabakrecht zu beurteilen. Wird bei einem Produkt zusätzlich THC festgestellt, muss unterschieden werden: Bei einem THC-Gehalt über 0,2% unterliegt das Produkt als unzulässige Zubereitung einem absoluten Verkehrsverbot. Dasselbe ist der Fall, wenn der Wert unter 0,2% liegt, aber die (ohnehin eng gehaltenen) Ausnahmeregelungen nicht greifen. Mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung ist festzustellen, dass auch bei geringen Wirkstoffgehalten ein Missbrauch zu Rauschzwecken nicht ausgeschlossen ist.21 In diesem Zusammenhang bietet es sich an, die vom BfR22 aufgestellten Grenzwerte als Orientierungswerte (niedrigste Wirkdosis mit beobachtetem toxischem Wert, sog. LOAEL) heranzuziehen, z.B. 2,5 mg THC/Tag THC je kg Körpergewicht. Nochmals: Die vielfach behauptete rechtliche Grauzone – THC-Produkte unter 0,2% seien per se legal – gibt es nicht. Einzige Ausnahme: Bei dem unter 0,2% liegenden THC-Gehalt handelt es sich um eine technisch nicht vermeidbare (eng auszulegen!) Kontaminante und die Grenzen der Psychoaktivität werden nicht überschritten. In diesen Fällen dürfte ein Missbrauchsvorsatz des Herstellers eher auszuschließen sein.


Zuständige Dienststelle für die Untersuchung von Produkten unter betäubungsmittelrechtlichen Gesichtspunkten sind nicht die Untersuchungsämter der Länder, sondern – je nach Bundesland – vorrangig die Sachverständigen der Polizeibehörden (z.B. in Rheinland-Pfalz das Landeskriminalamt Mainz).

 

4 CBD und Arzneimittelrecht


Nach Papierlage scheint die Einstufung von CBD-Produkten als Arzneimittel naheliegend: Seit dem 1.10.2016 unterliegt der Stoff CBD der Verschreibungspflicht, vgl. § 1 AMVV23 i.V.m. Anl. I. Denn in zahlreichen Untersuchungen war festgestellt worden, dass CBD – insbesondere durch Wechselwirkungen mit biologischen Rezeptoren – durchaus pharmakologische Wirkungen entfalten kann. Damit ist jedoch nicht gleichzeitig die Arzneimitteleigenschaft des mit CBD hergestellten Produktes impliziert. Denn nur Arzneimittel sind nach § 48 Abs. 1 AMG unabhängig von Dosis und Verabreichungsform verschreibungspflichtig.


Wann liegt ein Arzneimittel vor? Hier ist vieles streitig. Nur insoweit: Arzneimittel sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die im oder am Menschen angewendet oder verabreicht werden können, um – vereinfacht ausgedrückt – den Menschen zu heilen, dessen Gesundheit zu gewährleisten oder um eine Diagnose erstellen zu können. Entscheidend ist hierbei die Wirkweise (sog. Funktionsarzneimittel). Bei CBD wird dies bei einem Wert von über 100 mg CBD als Tagesverzehrmenge bejaht, vgl. auch § 21 Abs. 4 AMG. CBD-Funktionsarzneimittel sind allerdings selten. Derzeit wird lediglich ein Produkt in der Roten Liste aufgeführt, weitere sind in der (kostenintensiven) Entwicklung. Nach der Rspr. des EuGH24 können vorrangig rauscherzeugende Produkte – auch wegen möglicher gesundheitsgefährdender Wirkungen – im Übrigen nicht als Arzneimittel eingestuft werden. Arzneimittel können gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG jedoch auch solche Produkte sein, die als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung von Krankheiten bestimmt sind (sog. Präsentationsarzneimittel). Diese Bestimmung schließt die Form, die Aufmachung und Werbung ein, z.B. die Bewerbung als „entkrampfend“ oder „schmerzstillend“. Maßgeblich ist folglich eine Gesamtschau von Verabreichungsform, Verpackung und sonstiger Präsentation. Ein Heilversprechen kann bereits ausreichend sein. Ob das Präparat tatsächlich für die vorgenannten Zwecke geeignet ist, ist nicht Voraussetzung.25


Wenn das CBD-Produkt als verschreibungspflichtiges Arzneimittel zu qualifizieren ist, darf es außerhalb der Apotheken nicht vertrieben werden. Das unerlaubte Handeltreiben stellt nach § 95 Abs. 1 Nr. 4, 43 Abs. 1 S. 2 AMG eine Straftat dar. Der Einwand eines vorsatzausschließenden Verbotsirrtums („das war mir nicht bekannt“), greift in den seltensten Fällen: Zum einen lässt die h.M.26 ein potentielles Unrechtsbewusstsein genügen. Des Weiteren müssen sich Hersteller und Händler regelmäßig auf dem Laufenden halten. Das gilt umso mehr, als sie sich mit dem Vertrieb von Cannabisprodukten im unmittelbaren Dunstkreis des Betäubungsmittelhandels bewegen und somit regelmäßig gesteigerten Erkundigungs- und Prüfpflichten über die Rechtmäßigkeit ihrer Vertriebstätigkeit unterliegen.27 Zuständige Dienststellen sind die auf Arzneimittelprüfung spezialisierten Untersuchungsämter der Länder.

 

5 CBD und Medizinprodukte


Mittlerweile werden Cannabis-Produkte auch als Spray oder Roll-On angeboten.28 Hierbei könnte es sich um sog. Medizinprodukte handeln. Anders als Arzneimittel sollen diese auf physikalischem Weg der Gesundheit von Anwendern dienen. Medizinprodukte sind grundsätzlich zulassungsfrei, setzen vor dem ersten Inverkehrbringen jedoch die Durchführung eines Konformitätsverfahrens nach den Vorgaben der §§ 6 ff. MPG a.F. unter Berücksichtigung der Vorgaben aus einzelnen Risikoklassen I bis III. voraus. Das Medizinprodukterecht schließt derzeit die Verwendung von Cannabis zu physikalischen Zwecken nicht aus (z.B. getrocknete Blätter werden auf die Haut gelegt), wenngleich die Grenzen zum Kosmetikrecht fließend sind. Allerdings formuliert der nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 MPG strafbewehrte § 4 Abs. 1 MPG das Verbot des Inverkehrbringens potenziell gesundheitsgefährdender Medizinprodukte. Das Problem für die Praxis ist derzeit rechtlicher Natur: Das Medizinproduktegesetz (MPG) wurde in Umsetzung und Anpassung an die VO (EU) Nr. 745/2017 zum 25.6.2021 aufgehoben und – auch mit Hilfe von Übergangsregelungen – neu geregelt. Auch die Abgrenzung zum Arzneimittelrecht bleibt schwierig; insbesondere, wenn es sich um sog. körperberührende Gegenstände wie Verbandstoffe oder Pflaster handelt und offen ist, ob die bestimmungsgemäße Hauptwirkung auf pharmakologischem oder physikalisch-chemischen Wegen erzielt werden kann.29

 

6 CBD und Lebensmittelrecht


Sofern das CBD-Produkt weder hinsichtlich der signalisierten Zweckbestimmung (z.B. Aufmachung, Auslobung, Präsentation, Gebrauchsinformation) noch hinsichtlich einer analytisch bestimmbaren pharmakologischen Wirkung als Arzneimittel bewertet wird, ist es mutmaßlich ein Lebensmittel.