Politik - Innere Sicherheit

Auf dem Weg zu einem Sicherheitsdienstleistungsgesetz (SDLG)

Von Dr. Harald Olschok, Bad Homburg/Berlin

4.8 Kommunale Sicherheit


In den letzten 20 Jahren hat sich die Polizei teilweise aus der Fläche zurückgezogen und vor allem früher wahrgenommenen Ordnungsaufgaben wieder an die Kommunen übertragen. Das hat in zahlreichen Gemeinden und Städten zum Aufbau kommunaler Ordnungs- und Sicherheitsdienste geführt. In Hessen wurde die Stadtpolizei gegründet. Seit der Coronapandemie sind die kommunalen Ordnungsdienste zusätzlich besonders stark gefordert. Sie kontrollieren die vielfältigen und komplexen Regelungen der Coronaschutzverordnungen und sanktionieren Verstöße. Zu Beginn der Coronapandemie ging es um die Überwachung der Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr oder die Einhaltung von Schließungsanordnungen im Einzelhandel und der Gastronomie. Inzwischen werden die 2G- oder 3G-Auflagen kontrolliert.

Zur Bewältigung dieser Herausforderungen kommen die Kommunen immer wieder an personelle Grenzen. Sie können häufig weder kurz- noch mittelfristig auf eigene personelle Ressourcen zurückgreifen. Sie beauftragen deshalb private Sicherheitsdienste mit der Durchführung von Ordnungsaufgaben. Hierzu gehört z. B. eine Streifentätigkeit im öffentlichen Raum, besonders zum Schutz von Bahnhofsvorplätzen und Fußgängerzonen. Bei diesen Aufgaben beobachten die Mitarbeiter*innen privater Sicherheitsdienste häufig Ordnungswidrigkeiten, dokumentieren diese und melden diese an die jeweiligen Auftraggeber bzw. an die Polizei. Die privaten Einsatzkräfte haben jedoch keinerlei hoheitliche Befugnisse auf einer rechtssicheren Ermächtigungsgrundlage. In Problemlagen muss die Polizei hinzugezogen werden. Dies ist ein unbefriedigender Zustand, auf den auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund seit Längerem hinweist. Um die Polizei bzw. die kommunalen Ordnungsdienste wirksam zu entlasten, ist die gesetzliche Einführung von Minimalbefugnissen für private Sicherheitsdienstleister zu diskutieren. Das sind Regelungen über Befugnisse zur Überprüfung der Personalien und zur Aussprache eines Platzverweises. Voraussetzung hierfür wären landesrechtliche Ermächtigungsgrundlagen für die Beleihung von privaten Sicherheitsdiensten für kommunale Ordnungsdienste. Bundesregierung und Bundesländer sollten mit den kommunalen Spitzenverbänden in Gespräche über einen „Pakt für kommunale Sicherheits- und Ordnungsdienste“ einsteigen.

4.9 Beauftragter/Beauftragte für den Wirtschaftsschutz


Der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands basiert im Wesentlichen auf Ideenreichtum, Innovation und Wissensvorsprung. Es gilt die deutschen Unternehmen, insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) besser zu schützen. Sie werden täglich durch Spionage, Sabotage, Cyberangriffe und Kriminalität bedroht. Der jährliche Schaden für die deutsche Volkswirtschaft beläuft sich nach Studien auf 220 Mrd. Euro. Die Mitgliedsunternehmen des BDSW bieten hochwertige integrierte Sicherheitsdienstleistungen für Industrie, Einrichtungen der kritischen Infrastrukturensowie für KMU an. Auf dem Gebiet des Wirtschaftsschutzes bilden wir die Brücke zum deutschen Mittelstand mit seinen „Hidden Champions“ und zu den Sicherheitsbehörden. Wir sind Mitinitiator der „Initiative Wirtschaftsschutz“ und bringen uns durch die Kooperation mit den Sicherheitsbehörden aktiv in die Weiterentwicklung der nationalen Sicherheitsarchitektur auf Bundes- bzw. Landesebene ein.

Dem Wirtschaftsschutz muss eine größere sicherheitspolitische Bedeutung beigemessen werden. Die Sicherheit der Wirtschaft ist eine Querschnittsaufgabe, sie berührt die Zuständigkeit verschiedener Ministerien. Es sind derzeit zu viele Abstimmungsprozesse innerhalb der Bundesregierung erforderlich, um kurzfristige und mittelfristig wichtige Maßnahmen zum Schutz der Wirtschaft zu ergreifen. Deshalb fordert der BDSW eine/n Beauftragte/n der Bundesregierung für den Wirtschaftsschutz. Auch in anderen wichtigen Themenfeldern hat sich die Benennung von Beauftragten durch die Bundesregierung bewährt, wie zum Beispiel für Luft- und Raumfahrt und für die Maritime Wirtschaft.

4.10 Reform der öffentliche Auftragsvergabe


Der Anteil öffentlicher Aufträge am gesamten Umsatz der privaten Sicherheitswirtschaft liegt bundesweit bei rund einem Drittel, das sind rund 3 Mrd. Euro jährlich. Dazu gehören u.a. die Aufgaben nach dem Luftsicherheitsgesetz, die Bewachung von militärischen und sonstigen öffentlichen Liegenschaften, der Schutz von Flüchtlingsunterkünften, des ÖPV und zahlreicher öffentlicher Einrichtungen und Ministerien. Sehr häufig werden bei der öffentlichen Auftragsvergabe, selbst in sensiblen Bereichen, anerkannte Qualitätskriterien nicht in der Ausschreibung gefordert. Öffentliche Auftraggeber stellen häufig auf das preiswerteste, billigste Angebot als vermeintlich wirtschaftlichstes Angebot ab. Dies hat Folgen für die Qualität der Sicherheitsdienstleistung. Die Mitarbeiter*innen der „Billiganbieter“ sind nicht ausreichend qualifiziert. Das schadet nicht nur dem Auftraggeber, sondern schadet letztlich dem Image der gesamten Sicherheitswirtschaft. Bereits auf der 2. Europäischen Sicherheitskonferenz der Europäischen Sozialpartner CoESS und UNI Europa im Jahre 1999 in Berlin wurde, mit Unterstützung der Europäischen Kommission, das sog. „Bestbieterkonzept“ für die Sicherheitswirtschaft vorgestellt. Eine gründliche Überarbeitung fand vor zehn Jahren statt. Das Handbuch „Auftragsvergabe für qualitätsvolle private Sicherheitsdienstleistungen“4 fordert für die Beurteilung des „wirtschaftlichsten“ Angebots, Qualität und Preis in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Die Qualität muss deutlich mehr Gewicht als der Preis haben, denkbar ist ein Verhältnis 60 zu 40%. Gemeinsam mit Verbänden von privaten Auftraggebern sowie nationalen und internationalen Normeninstitutionen hat die Sicherheitswirtschaft zahlreiche weitere Qualitätsnormen, Handbücher und Leitfäden entwickelt. Dies muss sich deutlich stärker in der Vergabepraxis/Ausschreibungspraxis öffentlicher Auftraggeber widerspiegeln.

 

5 Fazit und Ausblick


Die Sicherheitswirtschaft und der sie vertretende BDSW haben in den letzten 20 Jahren an einer beispiellosen Qualitätsoffensive für die Branche aktiv mitgearbeitet. Wir haben zwei Ausbildungsberufe und mehrere Fortbildungsregelungen initiiert, an mehreren Studiengängen „Sicherheitsmanagement“ an Polizeihochschulen mitgewirkt, zahlreiche nationale und europäische Normungsvorhaben begleitet und konstruktiv an Veränderungen im Gewerberecht mitgearbeitet. Wir haben in elf Bundesländern Kooperationsvereinbarungen mit den Landespolizeibehörden unter dem Motto „beobachten, erkennen, melden“ unterzeichnet. Mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz haben wir im Mai 2015 in München eine Vereinbarung zum Wirtschaftsschutz unterzeichnet. Gemeinsam mit drei anderen Verbänden wurde unter Federführung des BMI die „Initiative Wirtschaftsschutz“ gegründet. Diese Anstrengungen für höhere Qualität und Seriosität der Sicherheitsdienstleistungen werden nur dann nachhaltig sein, wenn der Staat seiner politischen und gesetzgeberischen Verantwortung gerecht wird. Die Rahmenbedingungen für die privaten Sicherheitsdienste müssen in dieser Legislaturperiode auf eine neue, zeitgemäße Rechtsgrundlage gestellt werden. Die Zeit für die Verabschiedung eines Sicherheitsdienstleistungsgesetzes ist gekommen!

 

Anmerkungen

 

  1. Der Autor ist Hauptgeschäftsführer und geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des BDSW Bundesverband der Sicherheitswirtschaft und Hauptgeschäftsführer der BDGW Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste.
  2. Die folgenden Ausführungen basieren in großen Teilen auf dem Positionspapier des BDSW zur Bundestagswahl 2021 DEUTSCHLAND (NOCH) SICHERER MACHEN: Sicherheitswirtschaft stärken – Sicherheitsdienstleistungsgesetz (SDLG) verabschieden
  3. VBG-Securityreport 2018.
  4. https://www.bdsw.de/images/broschueren/Auftragsvergabe-EU-2014.pdf
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