Recht und Justiz

„Ein Freund, ein guter Freund“

Von den Besonderheiten des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen (Teil 1)

3 Urteil des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofes vom 22.12.202018


Dem 1. Senat hat in diesem Verfahren ein komplexer Sachverhalt vorgelegen, der nicht nur in rechtlicher Hinsicht, sondern bereits faktisch aufgrund der zahlreichen involvierten Personen erhebliche Probleme aufwies. Dieser wird demzufolge nur in dem Umfang wiedergegeben, in welchem es für die Darstellung der rechtlichen Probleme erforderlich ist.


Der Polizeibeamte K leitete bereits seit längerer Zeit die Vertrauensperson V im Rahmen eines „gefahrenabwehrrechtlichen Strukturermittlungseinsatzes“ bei der Motorrad-Rockergruppierung B. Der V berichtete dem K, die Rockergruppierung plane, unter seiner Mitwirkung mittels Lastkraftwagen in Dänemark Baumaschinen zu entwenden, um diese – unter Vortäuschen einer legalen Fracht – gewinnbringend im Kosovo zu veräußern. Diese Informationen fasste K innerhalb von zwei Monaten in fünf „VP-Berichten“ zusammen. Von dem geplanten Diebstahl benachrichtigte der K jedoch nicht die Staatsanwaltschaft. Auch holte K keine Entscheidung seiner Vorgesetzten über die geplante Beteiligung des V an der Fahrt nach Dänemark ein. Der K verbot V, einen der Lastkraftwagen zu fahren, vielmehr dürfte er die übrigen Täter nur begleiten. Kurz darauf wurde die Fahrt nach Dänemark durchgeführt, über deren Details K im Vorhinein von V informiert wurde. Der V begab sich kurz darauf mit zwei weiteren Mittätern nach Dänemark und entwendete dort unter anderem vier Bagger im Gesamtwert von rund 53.000 Ä. Hierbei führte der K abredewidrig einen mit drei Baggern beladenen Lastkraftwagen. Während der Fahrt informierte V den K regelmäßig über Standort und geplante Route. In der Oberpfalz wurden V und seine Mittäter festgenommen sowie der Lastkraftwagen samt Fracht beschlagnahmt. Der K erreichte im Folgenden bei der Staatsanwaltschaft die Freilassung des V und die Einstellung des gegen diesen geführten Ermittlungsverfahrens, indem er wahrheitswidrig angab, der V wäre nur der gutgläubige Fahrer gewesen.


Zunächst widmet sich der Senat der grundsätzlichen Frage, ob es Vertrauenspersonen gestattet sein könnte, im Rahmen Ihrer Tätigkeit für die Ermittlungsbehörden Straftaten zu begehen. Dies erscheint nicht zwingend ausgeschlossen. Denn eine RiStBV Anl. D, II. Nr. 2.2 S. 1 vergleichbare Regelung, welche kriminelle Handlungen durch Verdeckte Ermittler explizit untersagt, existiert bezüglich Vertrauenspersonen gerade nicht. Der Senat stellt jedoch ausdrücklich klar, dass aus der bloßen Eigenschaft als Vertrauensperson im Vergleich zu anderen Privatpersonen keinerlei zusätzliche Befugnisse einhergehen. Lediglich für den Umgang mit Betäubungsmitteln könnte auch für Vertrauenspersonen eine Befugnis aus § 4 Abs. 2 BtMG denkbar sein19, wobei ein diesbezüglicher Irrtum der Vertrauensperson gemäß § 17 StGB zu bewerten wäre.20 Ferner kann eine Strafbarkeit der Vertrauensperson wegen Anstiftung im Sinne des § 26 StGB nach den Grundsätzen der staatlichen Tatprovokation ausgeschlossen sein, da es insoweit an dem erforderlichen Vorsatz bezüglich der Beendigung der Haupttat fehlt. Hierauf wird in der folgenden Darstellung des Urteils des Landgerichts Berlin noch näher einzugehen sein.


Hinsichtlich einer Strafbarkeit des V führt der Senat aus, dass diesem angesichts seines Verhaltens der Enteignungsvorsatz im Sinne des § 242 StGB fehlte. Denn das Vorhaben des V zielte gerade darauf ab, die Bagger mit Hilfe der Polizeikräfte wieder an den Eigentümer auszuhändigen. In Bezug auf K scheidet eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung im Amt gemäß § 258a StGB aus. Zum einen fehlt es aus den genannten Gründen an einer Bezugstat des V. Zum anderen stellt der Senat klar, dass selbst, wenn der K von einer etwaigen Strafbarkeit des V ausgegangen sein könnte, eine Strafbarkeit des K über die Regelung des § 258 Abs. 5 StGB ausgeschlossen wäre. Denn diese greift auch ein, wenn die Befürchtung der eigenen Strafverfolgung des K wegen einer Beteiligung an einer vermeintlichen Haupttat des V unbegründet ist.21


Im Weiteren wird eine rechtskräftige Entscheidung des Land-gerichts Berlin dargestellt, die in beeindruckender Weise verdeut-licht, welche weitreichenden Möglichkeiten der Einsatz Verdeck-ter Ermittler und Vertrauenspersonen bei der Aufklärung erheblicher Straftaten den Ermittlungsbehörden zu bieten vermögen.


(Der Beitrag wird in der Kriminalpolizei 4/2021 fortgesetzt)

 

Endnoten

 

  1. Dr. Sören Pansa ist bei der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein und Dr. Marius Heller bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel tätig. Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Auffassung der Verfasser wieder.
  2. BGBl. I 3202ff.
  3. Vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 29. Januar 2021 – 1 Ws 2/21 –, zitiert nach juris.
  4. Vgl. etwa den gemeinsamen Runderlass des Ministeriums für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung sowie des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume und Integration vom 27. November 2017 – II 302/4100-307 SH-IV 433/1461 –; SchlHA 2017 Nr. 12, S. 458.
  5. Vgl. statt vieler BGH, Beschluss vom 20. Februar 2019 – StB 51/18–, NStZ-RR 2019, 280.
  6. Vgl. Nachweise unter https://www.landtag.ltsh.de/ausschuesse/1-parl-untersuchungsausschuss\.
  7. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1996 – 4 StR 499/96 –, NStZ 1997, 294.
  8. Vgl. statt vieler Schneider, NStZ 2004, 359 (365).
  9. BGH, Urteil vom 17. März 1983 – 4 StR 640/82 –, BGHSt 31, 304.
  10. BGH, Urteil vom 6. Februar 1996 – 1 StR 544/95 –, NJW 1996, 2108.
  11. Vgl. statt vieler BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 2011 – 2 BvR 236/08 –, BVerfGE 129, 208.
  12. BGH, Urteil vom 6. Februar 1996 – 1 StR 544/95 –, NJW 1996, 2108.
  13. BGH, Urteil vom 7. März 1995 – 1 StR 685/94 –, BGHSt 41, 64.
  14. Offengelassen: BGH, Urteil vom 6. Februar 1997 – 1 StR 527/96 –, NJW 1997, 1516.
  15. BGH, Urteil vom 22. Februar 1995 – 3 StR 552/94 –, BGHSt 41, 42.
  16. BGH, Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99 –, BGHSt 45, 321.
  17. BGH, Urteil vom 21. Juli 1994 – 1 StR 83/94 –, BGHSt 40, 211.
  18. BGH, Urteil vom 22.12.2020 – 1 StR 165/19 -, zitiert nach juris.
  19. Ebenfalls offengelassen von BGH, Urteil vom 5. Juli 1988 – 1 StR 212/88–, zitiert nach juris.
  20. Vgl. BGH, Urteil vom 7. März 1996 – 4 StR 742/95 –, NJW 1996, 1604.
  21. So auch BGH, Urteil vom 1. September 2020 – 1 StR 373/19 –, NStZ 2021, 236.

 


 

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