Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung – ein Überblick (Teil 2)

Von Prof. Dr. Dennis Bock und Cathrin Lebro, Kiel

 

E – Straftaten gegen die Beeinträchtigung der sexuellen Entwicklung in der Jugend



Dem Schutz der Beeinträchtigung der ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen dienen die §§ 174, 176, 176a, 176b, 180, 184g StGB.

 

1 Sexueller Missbrauch von Kindern, § 176 StGB

 

1.1 Allgemeines

 

§ 176 StGB bedroht den sexuellen Missbrauch von Kindern mit Strafe und bestimmt eine absolute Grenze des sexualbezogenen Umgangs mit Kindern: Sexualkontakte müssen ausnahmslos unterbleiben, auf eine etwaige Einwilligung oder ein Einverständnis des Opfers kommt es nicht an.2 Es handelt sich (zusammen mit §§ 176a, 176b StGB) um das polizeilich am häufigsten registrierte Sexualdelikt (19,6% 2019).3

 

1.2 Tatbestand

1.2.1 Objektiver Tatbestand

1.2.1.1 Kind

Opfer der Tat können nur Kinder, also gem. § 176 I StGB Mädchen oder Jungen unter 14 Jahren sein.

1.2.1.2 Tathandlung

1.2.1.2.1 § 176 I, II StGB

 

§ 176 I StGB betrifft die Vornahme oder das Vornehmen lassen sexueller Handlungen „an“ einem Kind. Ein „Vornehmen lassen“ setzt zwar nicht ein Bestimmen, aber wenigstens ein Ermuntern voraus.4Die Erheblichkeit der sexuellen Handlung kann im Einzelfall fehlen (z.B. Kuss auf die Wange)5, wobei prinzipiell aufgrund des geringen Alters keine hohen Anforderungen zu stellen sind. Von § 176 II StGB StGB werden die Fälle erfasst, in denen der Täter das Kind zu körperlichen Kontakten mit Dritten bestimmt.

 

1.2.1.2.2 § 176 IV StGB

Eine geringere Strafdrohung sieht § 176 IV StGB für Handlungen ohne unmittelbaren Körperkontakt mit dem Kind vor. Gem. § 176 IV Nr. 1 StGB muss der Täter sexuelle Handlungen „vor“ einem Kind vornehmen. Auf eine unmittelbare Nähe zwischen Täter und Opfer oder eine visuelle Wahrnehmung kommt es nicht an.6Bsp.: T trat über das Internet in Kontakt mit den Kindern R und M, die zur Tatzeit 8 und 12 Jahre alt waren. Es wurden Live-Bilder des T und der R und M mittels Webcam übertragen. T richtete seine Webcam auf sein entblößtes Glied und führte Onanierbewegungen durch, um sich sexuell zu erregen, wobei es ihm darauf ankam, dass die Kinder seine Handlungen am Bildschirm wahrnahmen.


§ 176 IV Nr. 2 StGB erfasst das Bestimmen des Kindes zur Vornahme solcher sexueller Handlungen. Hierfür genügt bereits die Aufforderung zum Posieren in sexuell aufreizender Weise.7


Gem. § 176 IV Nr. 3 StGB macht sich strafbar, wer in sexueller Absicht auf ein Kind mittels Schriften i.S.d. § 11 Abs. oder mittels Informations- oder Kommunikationstechnologie (sog. Cybergrooming) einwirkt. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Kontaktaufnahme von Erwachsenen im Internet, werden damit Vorbereitungshandlungen unter Strafe gestellt.8 Die Einwirkung muss auf ein konkretes Kind9bezogen sein und kann durch jedwede Form technischer Kommunikation geschehen10. Der Inhalt muss keinen Sexualbezug aufweisen, sondern kann insbesondere auch täuschender Natur sein.11 Bsp.: T nimmt auf Facebook Kontakt zur 12-jährigen O auf. Dabei gibt sich T als 13-jähriger Junge aus und versucht, O zu einem Treffen zu überreden.


§ 176 IV Nr. 4 StGB betrifft die Vermittlung pornographischer Abbildungen oder Darstellungen. Der Täter muss mittels Gedankenäußerung auf das Opfer einwirken, wobei im Unterschied zur Nr. 3 ein pornographischer Inhalt – d.h. eine vergröbernde Darstellung sexuellen Verhaltens unter Ausklammerung emotional-individualisierter Bezüge12 – vorausgesetzt wird.

1.2.1.2.3 § 176 V StGB

§ 176 V erfasst das Anbieten, das Versprechen des Nachweises eines Kindes und die Verabredung zu einer solchen Tat. Da es sich bei den Tatbeständen um abstrakte Gefährdungsdelikte handelt, reicht es bereits aus, dass das Versprechen ernstlich erscheint.13

1.2.2 Subjektiver Tatbestand

Der Täter muss in allen Fällen mit (bedingtem) Vorsatz handeln, der sich insbesondere auf das Alter des Opfers erstrecken muss.14 § 176 IV Nr. 3 StGB stellt zusätzliche Anforderungen an die subjektive Tatseite. Nach § 176 IV Nr. 3 lit. a StGB muss die Einwirkung des Täters in der Absicht erfolgen, das Kind zu sexuellen Handlungen zu bringen. Hierfür ausreichend ist das Ziel des Täters, die sexuellen Handlungen in irgendeiner Weise kausal herbeizuführen.15 Zur Ausklammerung sozialadäquater Verhaltensweisen ist ein Interesse des Täters an den sexuellen Handlungen erforderlich.16 Nach § 176 IV Nr. 3 lit. b StGB muss der Täter in der Absicht handeln, eine Tat nach § 184b I Nr. 3 oder § 184b III StGB zu begehen.

1.3 Sonstiges

§ 176 I und IV Nr. 1 StGB sind eigenhändige Delikte: Täter kann nur sein, wer selbst die sexuelle Handlung mit dem Kind bzw. vor dem Kind vornimmt.17 § 176 III StGB enthält eine Strafzumessungsregel für unbenannte besonders schwere Fälle der § 176 I, II StGB und ordnet eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr an. § 176 VI StGB stellt den Versuch mit Ausnahme von Vorfeldtaten nach § 176 IV Nr. 3, 4 und V StGB unter Strafe.

 

2 Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern, § 176a StGB


§ 176a StGB stellt den schweren sexuellen Missbrauch von Kindern unter Strafe und qualifiziert Taten nach § 176 I, II StGB zum Verbrechen. Abs. 1 betrifft Wiederholungstaten, Abs. 2 den Vollzug des Beischlafs sowie ähnlicher sexueller Handlungen (Nr. 1), die gemeinschaftliche Begehung (Nr. 2) und die Herbeiführung der Gefahr schwerer Gesundheits- und Entwicklungsschäden (Nr. 3). Abs. 3 erfasst Fälle, in denen der Täter bei Begehung der Tat in der Absicht handelt, die Tat zum Gegenstand eines kinderpornographischen Inhalts zu machen, der verbreitet werden soll. Abs. 4 nennt einen Strafrahmen für minder schwere Fälle, die etwa bei einvernehmlichen sexuellen Handlungen in Betracht kommen. Abs. 5 sieht eine Freiheitsstrafe von nicht unter fünf Jahren für die Fälle vor, in denen das Kind bei der Tat schwer misshandelt oder durch die Tat in die Gefahr des Todes gebracht wird. § 176a StGB verdrängt § 176 I StGB und zwar auch, wenn ein minder schwerer Fall angenommen wird.18

 

3 Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge, § 176b StGB


§ 176b StGB stellt den sexuellen Missbrauch von Kindern mit Todesfolge unter Strafe und ist eine Erfolgsqualifikation i.S.d. § 18 StGB zu § 176 StGB.19 Der Tod des Kindes muss durch die sexuelle Handlung oder durch eine andere zur Tatbestandsverwirklichung gehörenden Handlung, z.B. eine körperliche Misshandlung i.S.v. § 176 V Alt. 1 StGB, wenigstens leichtfertig herbeigeführt worden sein.20 Auf der Ebene der Konkurrenzen verdrängt § 176b die §§ 176, 176a StGB; Tateinheit ist möglich mit §§ 177, 178 StGB.21

 


 

4 Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen, § 174 StGB

4.1 Allgemeines

§ 174 StGB stellt den sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen unter Strafe und schützt damit neben Kindern auch Jugendliche vor Beeinträchtigungen ihrer sexuellen Entwicklung, soweit sie aufgrund eines Abhängigkeits- oder Unterordnungsverhältnisses besonderen strafrechtlichen Schutzes bedürfen.22

4.2 Tatbestand

4.2.1 Objektiver Tatbestand

4.2.1.1 Schutzverhältnis

Das Opfer muss eine schutzbefohlene Person sein und zu dem Täter in einem besonderen Verhältnis stehen. Der Tatbestand unterscheidet drei Gruppen von Schutzverhältnissen.


Nach § 174 I Nr. 1 StGB muss das Opfer unter sechzehn Jahren alt sein und dem Täter zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut sein. Das Anvertrautsein kann rechtlicher oder tatsächlicher Art sein und ist zu bejahen, wenn der Schutzbefohlene zum Täter in einer engen, durch Unterordnung und Abhängigkeit geprägten Beziehung steht.23 Als Täter kommen damit z.B. Sorgeberechtigte oder Lehrer in Betracht.


Nach § 174 I Nr. 2 StGB ist Täter auch der, dem eine Person unter 18 Jahren anvertraut ist oder wem die Person unter 18 Jahren im Rahmen eines Dienst- oder Ausbildungsverhältnisses untergeordnet ist (z.B. Ausbildungsleiter). Als einschränkendes Merkmal muss ein Missbrauch dieses Verhältnisses hinzukommen, der vorliegt, wenn die aus dem spezifischen Täter-Opfer-Verhältnis folgende Abhängigkeit für die Vor- oder Hinnahme der sexuellen Handlungen ursächlich ist und Täter und Opfer sich des Zusammenhangs zwischen Abhängigkeit und Sexualkontakt bewusst sind.24


§ 174 I Nr. 3 StGB erfasst mit Blick auf die Veränderungen der sozialen Realität auch Abkömmlinge, die einem „Scheinvater“ gem. § 1592 BGB rechtlich zugeordnet werden können, Stiefkinder des Täters und Kinder von Personen, mit denen der Täter in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Beziehung zusammenlebt.25 Unerheblich ist, ob zwischen dem Täter und dem Opfer ein sozialer Kontakt besteht und ob dem Täter die Personensorge zusteht.26


§ 174 II StGB erweitert den Anwendungsbereich des „Anvertrautseins“ i.S.d. § 174 I Nr. 2 StGB dergestalt, dass das Opfer dem Täter in der Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Lebensführung von Jugendlichen nur allgemein anvertraut sein muss. So werden nun z.B. auch Lehrkräfte erfasst, die als Vertretungslehrer nur gelegentlich in einer Klasse den Unterricht übernehmen und sexuelle Beziehungen zu einem der Schüler unterhalten.27

4.2.1.2 Tathandlung: Sexuelle Handlung

I.R.d. § 174 I, II StGB muss der Täter eine sexuelle Handlung „an“ dem Schutzbefohlenen vornehmen oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen lassen. Im Falle des § 174 III StGB muss der Täter eine sexuelle Handlung „vor“ dem Schutzbefohlenen vornehmen oder den Schutzbefohlenen dazu bestimmen, solche Handlungen „vor“ dem Täter vorzunehmen.

4.2.2 Subjektiver Tatbestand

Grundsätzlich muss der Täter mit (wenigstens bedingtem) Vorsatz gem. § 15 StGB handeln. Im Falle des § 174 III StGB muss die Absicht des Täters hinzukommen, sich oder den Schutzbefohlenen sexuell zu erregen. Es muss ihm darauf ankommen, eine bereits bestehende geschlechtliche Erregung zu steigern oder fortdauern zu lassen.28

4.3 Sonstiges

In allen Fällen ist gem. § 174 IV StGB der Versuch strafbar.


Das Delikt ist ein eigenhändig zu verwirklichendes Sonderdelikt, bei dem sich der Schutzbefohlene als notwendiger Teilnehmer selbst bei Vorliegen eines Einverständnisses nicht strafbar machen kann.29


Innerhalb des Tatbestandes werden im Wege der Gesetzeskonkurrenz Taten nach § 174 I Nr. 1 und 2 StGB von solchen nach § 174 I Nr. 3 StGB, Taten nach § 174 I Nr. 2 StGB von solchen nach § 174 I Nr. 1 StGB und Taten nach § 174 III StGB von solchen nach § 174 I Nr. 1 und 3 StGB verdrängt (Subsidiarität).30 Tateinheit kann mit §§ 173, 174a, 174b, 176, 177 oder 240 StGB bestehen.31 Wird eine Zwangslage gerade durch das Abhängigkeitsverhältnis begründet, tritt § 182 I Nr. 1 StGB hinter § 174 I Nr. 2, II Nr. 2 StGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück.32

 

5 Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger, § 180 StGB


§ 180 StGB stellt die Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger unter Strafe.

5.1 Tatbestand

5.1.1 Geschützte Person

Opfer der Tat können nur Personen unter 16 (§ 180 I StGB) bzw. 18 (§ 180 II, III StGB) Jahren sein.

5.1.2 Tathandlung

Das Delikt enthält drei eigenständige Begehungsweisen.

5.1.2.1 Förderung sexueller Handlungen, § 180 I StGB

Nach § 180 I StGB muss der Täter sexuellen Handlungen des Opfers an oder vor einem Dritten oder sexuellen Handlungen eines Dritten an dem Opfer durch seine Vermittlung (Nr. 1) oder durch Gewähren oder Verschaffen von Gelegenheit (Nr. 2) Vorschub leisten.


Vermitteln ist das Herstellen eines persönlichen Kontakts zwischen der minderjährigen Person und einem Partner.33 Gewähren oder Verschaffen von Gelegenheit meint die Bereitstellung auf Verlangen oder die sonstige Herbeiführung äußerer Umstände, unter denen die sexuelle Handlung unmittelbar erleichtert wird.34 Hierzu zählt etwa das Zurverfügungstellen von Räumlichkeiten35 oder das Verbringen der geschützten Person an einen Ort, wo diese dann der Prostitution nachgehen kann.36 Vorschubleisten ist die Schaffung günstigerer Bedingungen für eine sexuelle Handlung, ohne dass es tatsächlich zu sexuellen Handlungen gekommen sein muss.37


Sorgeberechtigte handeln gem. § 180 I 2 StGB im Falle des Gewährens oder Verschaffens von Möglichkeit tatbestandslos, soweit sie ihre Erziehungspflicht durch das Vorschubleisten nicht gröblich verletzen.

5.1.2.2 Förderung entgeltlicher Sexualkontakte, § 180 II StGB

Gem. § 180 II StGB muss der Täter das Opfer entweder erfolgreich zur Vornahme oder zum Vornehmen lassen sexueller Handlungen gegen Entgelt bestimmen oder solchen vollzogenen Handlungen durch Vermittlung Vorschub geleistet haben. In allen Fällen muss eine Einigung vorliegen, wonach ein geldwerter Vorteil – auch Sachwerte, z.B. Reisen38 – Gegenleistung für die sexuelle Handlung sein soll.39 Wem das Geld zufließen soll, ist unerheblich.40

5.1.2.3 Missbrauch von Abhängigkeitsverhältnissen, § 180 III StGB

§ 180 III StGB stellt systematisch eine Ergänzung zu § 174 I Nr. 2 StGB dar.41 Vorausgesetzt wird zunächst einen Abhängigkeitsverhältnis i.S.d. § 174 I Nr. 1 oder 2 StGB. Zudem muss der Täter unter Missbrauch der Abhängigkeitsstellung die geschützte Person erfolgreich zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen bestimmt haben.

5.2 Sonstiges

§ 180 III StGB ist ein Sonderdelikt.42 Als notwendige Teilnehmer sind das Opfer und der Dritte, deren sexuellen Handlungen der Täter fördert, straflos.43 Der Versuch der § 180 II und III StGB ist gem. § 180 IV StGB strafbar.

 

6  Sexueller Missbrauch von Jugendlichen, § 182 StGB


§ 182 StGB stellt den sexuellen Missbrauch von Jugendlichen unter Strafe. Anders als in § 176 StGB gesteht der Gesetzgeber den Jugendlichen hier eine gewisse sexuelle Selbstbestimmung zu, sodass solche sexuelle Handlungen, die mit dem Einverständnis des Jugendlichen einhergehen, grundsätzlich straffrei sind. Ein Schutz vor sexualbezogenen Kontakten besteht demnach nur in bestimmten Situationen, in denen die Minderjährigen aufgrund ihrer Unerfahrenheit gefährdet sind.44

6.1 Tatbestand

Das Opfer darf im Falle der Abs. 1 und 2 das 18. Lebensjahr, im Falle des Abs. 3 das 16. Lebensjahr noch nicht erreicht haben. Täter ist nur, wer strafmündig (§ 182 I StGB), volljährig (§ 182 II StGB) bzw. 21 Jahre alt (§ 182 III StGB) ist. In allen Tatvarianten muss der Täter das Opfer missbrauchen. Diesem Merkmal kommt indes nur eine Negativfunktion zu und soll bloß in außergewöhnlichen Ausnahmefällen zu einer Einschränkung des Tatbestandes führen.45


Nach § 182 I Nr. 1 StGB muss der Täter sexuelle Handlungen mit unmittelbarem Körperkontakt unter Ausnutzung einer Zwangslage vornehmen oder vornehmen lassen. Eine Zwangslage ist anzunehmen, wenn sich das Opfer in einer ernsten persönlichen oder wirtschaftlichen Bedrängnis befindet.46 Damit werden insbesondere drogenabhängige oder von zu Hause weggelaufene Jugendliche erfasst.47 Ausgenutzt wird die Zwangslage, wenn hierdurch der Taterfolg ermöglicht oder erleichtert wird und dies vom Täter bewusst einkalkuliert wird.48Bsp.: T verspricht O, eine Lehrstelle zu gewähren, wenn sie sexuelle Handlungen mit ihm vornimmt.


§ 182 I Nr. 2 StGB umfasst das Bestimmen des Opfers zu sexuellen Handlungen mit Dritten unter Ausnutzung einer Zwangslage.


Gem. § 182 II StGB muss es zu sexuellen Handlungen zwischen Täter und Opfer gegen Entgelt kommen. Die Vereinbarung eines Entgelts genügt, sodass auch täuschendes Verhalten des Täters erfasst wird.49


§ 182 III StGB betrifft das Ausnutzen der fehlenden sexuellen Selbstbestimmungsfähigkeit des Opfers über die Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen mit dem Täter oder mit Dritten. Die fehlende Fähigkeit ist im Einzelfall vom Gericht zu beurteilen und stellt keine generell dem Opfer zukommende Eigenschaft dar.50

6.2 Sonstiges

Der Versuch ist gem. § 182 IV StGB strafbar. § 182 V StGB normiert ein Antragserfordernis für Taten nach § 182 III StGB. Im Übrigen kann das Gericht nach § 182 VI StGB bei geringem Unrecht von Strafe absehen (§ 153 StGB).

 

7 Jugendgefährdende Prostitution, § 184g StGB


§ 184g StGB stellt die jugendgefährdende Prostitution unter Strafe. Es handelt sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt, das nur eigenhändig begangen werden kann.51 Strafbar macht sich, wer bestimmte Formen der Prostitution in der Nähe einer Schule oder anderen Örtlichkeit, die zum Besuch durch Personen unter 18 Jahren bestimmt ist (z.B. Kindergärten, Spielplätze)52, oder in einem Haus, in dem Personen unter 18 Jahren wohnen, in einer Weise nachgeht, die diese Personen sittlich gefährdet. Eine solche konkrete Gefährdung ist anzunehmen, wenn die Kinder durch Beobachtungen so beeinflusst werden, dass sie in der Entwicklung ihrer ethischen Wertvorstellungen beeinträchtigt werden können.53 Die Tageszeit spielt zwar grds. keine Rolle, jedoch ist eine Gefährdung zu verneinen, wenn z.B. mit dem Erscheinen von Kindern nicht zu rechnen ist.54

 

F – Straftaten gegen den Missbrauch institutioneller und psychotherapeutischer Abhängigkeiten


Der Verhinderung der Ausnutzung institutioneller Abhängigkeiten zum Schutze der sexuellen Selbstbestimmung der abhängigen Personen dienen die §§ 174a-c StGB.


Geschützt werden von § 174a StGB Gefangene und behördlich Verwahrte sowie Kranke oder Hilfsbedürftige in Einrichtungen (§ 174a StGB), von § 174b StGB die von einem Strafverfahren und die von einem Verfahren zur Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung und Besserung Betroffenen und von § 174c StGB Personen in einem Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnis.


Täter ist nach §§ 174a, 174c, wem die geschützte Person anvertraut ist. Dies setzt das Bestehen eines konkreten Betreuungs-, Beratungs- oder Beaufsichtigungsverhältnisses voraus, aus dem sich ein Über-Unterordnungsverhältnis ergibt. 55 Erfasst sind z.B. Aufsichts- und Pflegepersonal, Betreuer oder Therapeuten.56 Täter i.S.d. § 174b StGB sind dagegen die als Amtsträger (§ 11 I Nr. 2 StGB) zur Mitwirkung an einem einschlägigen Verfahren Berufenen, z.B. Richter oder die über die Unterbringung entscheidenden Ärzte.


Es handelt sich somit um Sonderdelikte.57 Strafbar macht sich der Täter, wenn er unter Missbrauch der sich aus dem jeweiligen Verhältnis ergebenden Abhängigkeit sexuelle Handlungen am Opfer vornimmt oder vom Opfer an sich vornehmen lässt. Der Versuch ist jeweils nach Abs. 3 strafbar.

G – Straftaten gegen Prostitution


 

1 Ausbeutung von Prostituierten, § 180a StGB


§ 180a StGB stellt die Ausbeutung von Prostituierten unter Strafe. Die Betroffenen sollen in erster Linie vor den Gefahren geschützt werden, die ihrer persönlichen Selbstbestimmung und wirtschaftlichen Unabhängigkeit aufgrund der organisatorischen Zusammenfassung der Prostitutionsausübung in einem Betrieb erfahrungsgemäß drohen.58 Verhindert werden soll damit, dass Personen zur Prostitution gebracht, darin festgehalten und ausgebeutet werden.59


Unter Prostitution versteht man die auf gewisse Dauer angelegte Vornahme sexueller Handlungen gegen Entgelt an oder vor wechselnden Partnern oder Zuschauern sowie die Duldung derartiger Handlungen an sich durch Dritte.60

 

2 Zuhälterei, § 181a StGB


§ 181a StGB stellt die Zuhälterei unter Strafe und schützt damit das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Prostituierten, indem sie davor bewahrt werden sollen, als Ausbeutungsobjekt von Zuhältern in der Prostitution zu verharren.61 Es handelt sich um ein Dauerdelikt.62


Die Vorschrift enthält in Abs. 1 die schweren Formen der Zuhälterei.63 Nr. 1 betrifft die Ausbeutung einer Person, die der Prostitution nachgeht. Ein Ausnutzen verlangt einen eigennützigen planmäßigen Einsatz der Prostitution als Erwerbsquelle, der zu einer spürbaren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Prostituierten führt.64 Dagegen erfasst Nr. 2 die dirigierende Zuhälterei, also Fälle, in denen der Täter in bestimmender Weise auf die Ausübung Einfluss nimmt und Maßnahmen gegen das Aufgeben der Prostitution trifft (z.B. Geldmittel entziehen oder drohen)65.


§ 181a II StGB betrifft die gewerbsmäßige Förderung durch Vermittlung sexuellen Verkehrs, z.B. den Unterhalt eines Call-Girl-Ringes oder Schleppertätigkeit.66 Objektiv muss das Handeln des Täters zu einer konkreten Beeinträchtigung der persönlichen oder wirtschaftlichen Unabhängigkeit geführt haben.67


Abs. 3 stellt auch Taten von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner unter Strafe. Vermieden werden soll damit das Umgehen von Strafbarkeitsvorwürfen durch das formale Eingehen einer Ehe bzw. Lebenspartnerschaft.68

 

H – Straftaten gegen Pornographie, §§ 184-184e StGB


Das StGB stellt in den §§ 184-184e StGB die Weitergabe und den Besitz pornographischer Inhalte unter Strafe.


§ 184 StGB enthält einen allgemeinen, „weichen“ Pornographietatbestand, der vornehmlich dem Kinder- und Jugendschutz dient.69 Die §§ 184a-c StGB betreffen die „harte“ Pornographie, deren Gegenstand Gewalthandlungen, sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren (§ 184a StGB), oder der sexuelle Missbrauch von Kindern (§ 184b StGB) oder Jugendlichen (§ 184c StGB) ist, während § 184e StGB Live-Darbietungen pönalisiert.70


Lediglich hinsichtlich der qualifizierten Pornographie

(§§ 184a-184c) besteht ein absolutes Verbreitungsverbot, im Übrigen ist die Verbreitung weicher Pornographie erlaubt und nur unter bestimmten Voraussetzungen unter Strafe gestellt.71


Besondere strafrechtliche Relevanz kommt in der Praxis

§ 184b StGB zu, der nicht nur die Verbreitung, sondern auch den

Erwerb, den Besitz und die Herstellung kinderpornographischer Schriften unter Strafe stellt. Zur Bekämpfung des Austausches von Kinderpornographie, der sich in den letzten Jahren zunehmend ins Internet verlagert hat, hat der Gesetzgeber jüngst Polizeibeamten im Ermittlungsverfahren die Möglichkeit eröffnet, unter engen Voraussetzungen straffrei künstlich erzeugtes kinderpornographisches Material zu posten.72 Regelungstechnisch wurde dies durch die Einführung eines materiellen Tatbestandsausschlusses (§ 184b V 2 StGB) sowie einer flankierenden strafprozessualen Befugnisnorm (§ 110d StPO) erreicht.73

Endnoten

 

  1. Zum 1. Teil des Beitrages und zu den Autoren vgl. Die Kriminalpolizei 2/2021, S. 4-9.
  2. Laubenthal Rn. 438ff.
  3. Bundeskriminalamt, PKS Jahrbuch 2019, Bd. 4, S. 18.
  4. Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 174 Rn. 12.
  5. OLG Zweibrücken NStZ 1998, 357.
  6. BGH NStZ 2009, 500; BGHSt 60, 44 (46ff.).
  7. Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 176 Rn. 15.
  8. BT-Drs. 15/350, S. 17.
  9. BT-Drs. 15/350, S. 18.
  10. Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 176 Rn. 49.
  11. BT-Drs. 15/350, S. 17.
  12. BGH B. v. 20.10.2011 – 2 StR 344/11, BeckRS 2011, 26577.
  13. BT-Drs. 15/350 S. 18; Hilgendorf, in: LPK-StGB, 8. Aufl. 2019, § 176 Rn. 11.
  14. Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 176 Rn. 30.
  15. Renzikowski, in: MK-StGB, 3. Aufl. 2017, § 176 Rn. 48.
  16. BT-Drs. 15/350, S. 18; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 176 Rn. 14e.
  17. BGHSt 41, 242 (243); Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 30, Aufl. 2019, § 176 Rn. 25.
  18. BGH NStZ 2005, 90 zu § 176a Abs. 3 a.F.
  19. Hilgendorf, in: LPK-StGB, 8. Aufl. 2019, § 176b Rn. 1.
  20. Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 176b Rn. 2; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 176b Rn. 1; Renzikowski, in: MK-StGB, 3. Aufl. 2017, § 176b Rn. 7.
  21. Fischer, StGB, 61. Aufl. 2021, § 176b Rn. 6.
  22. Laubenthal Rn. 564.
  23. BGH NStZ 1995, 496; BGH NStZ 1997, 119; BGH NStZ 1998, S. 131 Nr. 7, 8, 9; BGH StraFO 2011, 236; Renzikowski, in: MK-StGB, 3. Aufl. 2017, § 174 Rn. 25; Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 174 Rn. 4.
  24. Laubenthal, 2012, Rn. 595.
  25. BT-Drs. 18/2602, S. 26.
  26. Fischer, StGB, 68. Auf. 2021, § 174 Rn. 10a.
  27. Zur vorherigen Straflosigkeit siehe OLG Koblenz NJW 2012, 629.
  28. BT-Drs. VI/3521, S. 25; Frommel, in: NK-StGB, 5. Aufl. 2017, § 174 Rn. 24.
  29. Hilgendorf, in: LPK-StGB, 8. Aufl. 2019, § 174 Rn. 1.
  30. BGH NJW 1982, 1109; NStZ 1998, 131; Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 174 Rn. 21; anders Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 174 Rn. 1.
  31. Hilgendorf, in: LPK-StGB, 8. Aufl. 2019, § 174 Rn. 13.
  32. BGH NStZ-RR 2014, 46.
  33. Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 180 Rn. 4.
  34. BGH NJW 1959, 1284; Hilgendorf, in: LPK-StGB, § 180 Rn. 3.
  35. Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 180 Rn. 6.
  36. Dallinger MDR 1966, 558.
  37. KG Berlin, NStZ 1998, 571; Laubenthal, Rn. 630;
  38. BGH NJW 1997, 334.
  39. BGH NStZ 1995, 540.
  40. Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 180 Rn. 7.
  41. Laubenthal, Rn. 668; Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 180 Rn. 17.
  42. Hilgendorf, in: LPK-StGB, 8. Aufl. 2019, § 180 Rn. 1.
  43. Wolters, in: SK-StGB, 9. Aufl. 2017, § 180 Rn. 26; a.A. zur Person des Dritten BGHSt 15, 377 zu § 180 a.F.
  44. Laubenthal Rn. 670f.
  45. Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 182 Rn. 7; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 182 Rn. 2.
  46. BGH NStZ-RR 2008, 238; 2020, 277.
  47. BGHSt 42, 399 = NJW 1997, 1590; Amtl. Begr. zum RegE BT-Drs. 12/4584, S. 8.
  48. Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 182 Rn. 9.
  49. BGH NStZ 2004, 683.
  50. BGH NStZ 1997, 98; NJW-Spezial 2013, 728 = BeckRS 2013, 18467; NStZ-RR 2020, 344; BT-Drs. 18/2601, S. 15.
  51. Hilgendorf, in: LPK-StGB, 8. Aufl. 2019, § 184g Rn. 1.
  52. Laubenthal Rn. 882.
  53. Wolters, in: SK-StGB, 9. Aufl. 2017, § 184g Rn. 5.
  54. Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 184g Rn. 4.
  55. Zu § 174a s. BGH NStZ 1999, 29; Maurach/Schroeder/Maiwald/Hoyer/Momsen, BT 1, 11. Aufl. 2019, § 19 Rn. 12; zu § 174c s. BT-Drs. 13/8267 S. 6f.; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 174c Rn. 5a.
  56. Maurach/Schroeder/Maiwald/Hoyer/Momsen, BT 1, 11. Aufl. 2019, § 19 Rn. 12ff.
  57. Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 174a Rn. 3, § 174b Rn. 3, § 174c Rn. 3.
  58. BGH NJW 1995, 1686 (1687); BGHSt 38, 95 = NJW 1992, 1182.
  59. Joecks/Jäger, StGB, 13. Aufl. 2021, § 180a Rn. 1.
  60. Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 180a Rn. 1a.
  61. BGH NStZ 1996, 188; StV 1983, 239; BGHSt 42, 179 (184) = NJW 1996, 2875.
  62. BGHSt 19, 107 (109) = NJW 1963, 2238; BGHSt 39, 390 (391) = NJW 1994, 1015.
  63. Hilgendorf, in: LPK-StGB, 8. Aufl. 2019, § 181a Rn. 2.
  64. Joecks/Jäger, StGB, 13. Aufl. 2020, § 181a Rn. 1.
  65. Otto, Grundkurs Strafrecht: Die einzelnen Delikte, 7. Aufl. 2005, S. 325.
  66. Otto, Grundkurs Strafrecht: Die einzelnen Delikte, 7. Aufl. 2005, S. 325.
  67. Gössel, Sexualstrafrecht, 2005, § 5 Rn. 160.
  68. Joecks/Jäger, StGB, 13. Aufl. 2021, § 181a Rn. 2.
  69. Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 184 Rn. 2; Schroeder ZRP 1990, 299; ders. NJW 1993, 2581.
  70. Maurach/Schröder/Maiwald/Hoyer/Momsen, Strafrecht BT 1, 11. Aufl. 2019, § 23 Rn. 2.
  71. Maurach/Schröder/Maiwald/Hoyer/Momsen, Strafrecht BT 1, 11. Aufl. 2019, § 23 Rn. 2.
  72. S. hierzu Strauß NStZ 2020, 708ff.
  73. Rückert/Goger MMR 2020, 373ff.