Kriminalitätsbekämpfung

Observationskräfte als Zeugen vor Gericht

Von POK Christian Behrendsen, Flensburg


 

3 Grundlagen am Beispiel des Landes Schleswig-Holstein


Der zu betrachtende Interessenkonflikt ergibt sich aus der Verschwiegenheitspflicht der Beamten und dem Anspruch auf ein faires Verfahren des Angeklagten. Die Verschwiegenheitspflicht ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG und wird auch als eine Hauptpflicht bezeichnet.12 Die Verschwiegenheitspflicht ist im Grundgesetz verankert und in § 37 BeamtStG und § 67 BBG einfachgesetzlich niedergeschrieben.13 Ein strafprozessualer Verweis auf diese Aussagegenehmigungspflicht ergibt sich aus § 54 Abs. 1 StPO.


Die einfachgesetzlichen Bestimmungen legen fest, dass Beamte Verschwiegenheit über Angelegenheiten zu bewahren haben, die ihnen bei oder bei Gelegenheit ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt geworden sind. Eine Aussage ohne eine ausdrücklich erteilte Genehmigung im Einzelfall ist untersagt.14 Es ist unabhängig davon zu betrachten, ob eine Angelegenheit als vertraulich eingestuft wird.15 Ausnahmen dieser Doktrin ergeben sich aus den jeweiligen zweiten Absätzen der benannten Paragrafen. Die in diesem Aufsatz relevanten Informationen und Angelegenheiten, die einem Ermittlungsverfahren zugehörig sind und Relevanz in einer Hauptverhandlung entfalten können, fallen nicht unter die aufgeführten Ausnahmen.


Eine gerichtliche oder außergerichtliche Aussage oder Erklärung bedarf für die Landesbeamten laut BeamtStG der Genehmigung des Dienstherrn.16 Eine Delegierung der Kompetenz kann laut § 37 Abs. 3 BeamtStG durch Landesrecht geregelt werden.17 Eine solche landesgesetzliche Regelung findet z.B. in § 46 Abs. 2 LBG SH statt. Die Norm legt fest, dass Aussagegenehmigungen für Beamte des Landes Schleswig-Holstein durch den Dienstvorgesetzten erteilt werden.

3.1 Erlasslage in Schleswig-Holstein

Ferner legt das MILIG SH18 in zwei Erlassen neben besonderen Verhaltensanforderungen an seine vor Gericht geladenen Beamten auch die Grundsätze zur Verschwiegenheitspflicht fest.19 Zudem findet ein Runderlass des Finanzministeriums für die Landespolizeibeamten aus SH Anwendung.20 Der Erlass enthält insbesondere eine Wiederholung der einfachgesetzlichen Regularien und ist innerhalb der Landespolizei für den Themenbereich Verschwiegenheitspflicht Bestandteil des jährlichen Belehrungskataloges. Eine Kenntnis der Regularien kann somit vom Dienstherrn vorausgesetzt werden.


Der Erlass „Polizeiangehörige als Zeugen und Sachverständige, Aussagegenehmigung; Erteilung von Aussagegenehmigungen“ stellt die Anforderungen des § 37 BeamtStG klar. Der Erlass stellt ferner fest, dass das Land SH durch die Regelungen in § 46 LBG SH eine Delegierung der Aussagegenehmigung auf die Dienstvorgesetzten vorgenommen hat. Auf einen Erlass mit den aktuellen Regularien zu Dienstvorgesetzten wird verwiesen.


Weiterhin wird die Formfreiheit der Genehmigung festgestellt.21 An eine einheitliche schriftliche Fertigung von Genehmigungen wird appelliert. Das wird aus Beweisgründen auch geboten sein.22 Zudem wird auf die Möglichkeit der Erstellung von an Fallgruppen angepasste Aussagegenehmigungen für die einzelnen Dienststellen des Landes hingewiesen. Die besagten observierenden Dienststellen des Landes SH wären als eine solche Fallgruppe prädestiniert. Ein Muster einer als Standard anzusehenden Aussagegenehmigung ist dem Erlass als Anhang angehängt worden und steht den jeweiligen Dienstvorgesetzten des Landes zur Verfügung. In dem Muster wird eine Genehmigung mit beispielhaft aufgeführten Ausnahmen erteilt. So dürften die Polizeibeamten in der Regel keine Aussagen treffen, aus denen sich gemäß den wortwörtlichen Bestimmungen des § 37 Abs. 4 BeamtStG erhebliche Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes ergeben; oder die Aufgabenerfüllung ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde.


Darüber hinaus sind Aussagen ausgenommen, die „die Einsatzgrundsätze, Personalstärke der Dienststelle und Namen der eingesetzten Beamten (Ausnahme: Zeugen), Auswertung- und Bekämpfungssysteme, technische Einrichtungen und Einsatzmittel, Zusammenarbeit mit anderen Behörden sowie vertraulich erlangte Informationen betreffen.23


Dieses Musterformular ist hilfreich und bietet in seiner Ausformulierung bereits eine Hilfestellung für die als Zeugen benannten Beamten.

3.2 Besondere Zeugenpflichten eines Beamten

Die Aussagegenehmigung ist laut des Erlasses durch die zu Gericht geladenen Beamten selbstständig einzuholen und gesonderte Probleme des Einzelfalles sind selbstständig mit dem jeweiligen Dienstvorgesetzten zu besprechen.24 Dennoch ist festzustellen, dass das Gericht und die Staatsanwaltschaften nichtsdestotrotz auch selbst die Verantwortung dafür tragen, eine solche Aussagegenehmigung für ihre Zeugen zu bewirken.25


Die Einholung einer Aussagegenehmigung ist nicht die einzige Obliegenheit der vorgeladenen Beamten. Auch das Befassen mit dem zur Frage stehenden Ermittlungsverfahren im Vorwege wird durch die Erlasslage verlangt und höchstrichterlich als angemessen erachtet.26


Diese Gesetzes- und Erlasslage in SH verdeutlicht, welche Aussagen Observationskräfte grundsätzlich vor Gericht tätigen dürfen und welche der Geheimhaltung unterliegen. Eine pauschale Handlungsanweisung in Bezug auf die Aussagen von Observationskräften vor Gericht kann dennoch an dieser Stelle nicht gegeben werden.

 

4 Durch Aussagebeschränkungen tangierte Prozessmaxime


Das Interesse der Gerichte an der Anwesenheit und der Aussage der Observationskräfte während der Hauptverhandlung ergibt sich unter anderem aus zwei wesentlichen Prozessmaximen des Strafverfahrens. Die strafprozessualen Grundprinzipien der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit basieren auf unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen.27 Beide Prinzipien haben keinen Verfassungsrang, sind aber dennoch fundamentale Prinzipien.28


Der Unmittelbarkeitsgrundsatz erfordert, dass sämtliche entscheidungsrelevanten Tatsachen möglichst unmittelbar in die Hauptverhandlung einfließen müssen.29 Eine Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen sei durch eine reine Verlesung einer Zeugenvernehmung erschwert und würde einem fairen Verfahren widersprechen.30 Dieser Grundsatz ergibt sich für die Strafgerichtsbarkeit insbesondere aus den §§ 244, 250 und 261 StPO.31 Er fordert somit einen direkten Kontakt der Prozessbeteiligten im Sinne des Mündlichkeitsgrundsatzes an einem bestimmten Ort.32 Die Prinzipien lassen deutlich werden, dass die Vernehmung eines Zeugen während der Hauptverhandlung vor dem Angeklagten und seiner Verteidigung einer Verlesung einer Zeugenvernehmung oder eines Observationsberichtes vorzuziehen ist.33 Sie garantieren dem Angeklagten ein faires Verfahren, wie es der Art. 6 EMRK jedem Angeklagten zusichert.


Ein Umgehen der Unmittelbarkeit und ein reines Einführen eines Urkundenbeweises oder der Aussage eines Gewährsmannes kann zu Einschränkungen des Beweiswertes führen.34 Dennoch führt die Vernehmung von Verhörbeamten über die Angaben anonymer Zeugen in bestimmten Fallkonstellationen nicht zu Beweisverboten.35

 

5 Aussagegenehmigungen im Spannungsfeld


Das Recht auf ein faires Verfahren wird regelmäßig durch kollidierende Interessen auf die Probe gestellt. Dies gilt es für die Dienstvorgesetzen der Landespolizei durch ein Prinzip des Ausgleichs im Dialog mit dem vorsitzenden Richter zu vermitteln.36


Bei den durch die Dienstvorgesetzten auszustellenden Aussagegenehmigungen bzw. der Versagung einer Genehmigung handelt es sich um Verwaltungsakte.37 Dem Angeklagten steht der Klageweg zur Feststellung der Richtigkeit dieser Aussagegenehmigungen zu.38 Die verwaltungsrechtliche Prüfung der „Erteilung einer Aussagegenehmigung ist eine öffentlich-rechtliche Streitfrage nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO.“39 Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Aussagegenehmigung steht somit originär den Verwaltungsgerichten zu, die den Vorgang im konkreten Fall in vollem Umfang zu prüfen haben.40


Doch auch die mit der Hauptsache betrauten Gerichte haben aus eigener Veranlassung die Entscheidungen und Feststellungen der Exekutive zu überprüfen.41 Die Aufklärungspflicht des Gerichtes kann eine Gegenvorstellung zur behördlichen Begründung der Versagung einer Aussagegenehmigung zur Folge haben.42


Andernfalls, so stellt der BGH in Bezug auf ein Urteil des LG Würzburg43 fest, obliegt es grundsätzlich dem Gericht, die Aussagegenehmigung verwaltungsgerichtlich überprüfen zu lassen oder unter Umständen selbstständig eine Einigung mit dem Dienstvorgesetzten zu finden.44


Ein verwaltungsrechtlicher Prüfungsfall lag dem VG Freiburg45 in 2019 vor. Es handelte sich um einen Fall der organisierten Kriminalität, in dem ein Kriminalhauptkommissar eine Aussage über die Personalien eines eingesetzten Dolmetschers nicht herausgeben durfte. Die Grenzen der Aussagegenehmigung wurden durch das VG nach Abwägung der entgegenstehenden Rechtsgüter als ausreichend begründet bestätigt.46 Das Gericht sah die durch das Polizeipräsidium Tuttlingen eingebrachten Begründungen somit als ausreichend an. Das Gericht stellte in dem Zuge richtigerweise fest, dass eine vollständige Offenlegung der Gründe der Genehmigungsverweigerung vor dem Verwaltungsgericht dem Sinn des Geheimnisschutzes zuwiderlaufen würde.47


Unter Umständen kann eine solche „Klage aus dem Beamtenverhältnis48 auch zu einer verwaltungsgerichtlichen Prüfung und nach Abwägung des Verwaltungsgerichts zu der Versagung der Aussagebeschränkung führen.49 Durch eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO kann das prüfende Verwaltungsgericht, wie im Fall des VG Düsseldorf aus 2015, auch eine Aussagegenehmigung des Dienstvorgesetzten erzwingen.50 Im benannten Fall sah die Verwaltungsgerichtsbarkeit in zwei Ebenen die getroffenen Begründungen des LOSTA51 in Bezug auf die Versagung einer Aussagegenehmigung für eine Staatsanwältin als nicht statthaft an.52 In diesem Fall wurde die Generalstaatsanwaltschaft zur Ausstellung einer Aussagegenehmigung verpflichtet. Als letzte Instanz der Geheimhaltung kommt in so einem Fall nur noch die Sperrerklärung nach § 96 StPO in Betracht.


Es ist festzuhalten, dass die Gerichte im Sinne des Unmittelbarkeitsprinzips stets bemüht sein sollten, einen Ausgleich der Interessen zu finden. Der BGH stellt fest, dass der vorsitzende Richter alle nicht von vornherein aussichtslosen Schritte zu unternehmen hat, um eine möglichst zuverlässige Beweisgrundlage zu erlangen.53 Es gilt eine sinnvolle Konkordanz zwischen Wahrheitsfindung, Verteidigungsinteresse und Zeugenschutz zu finden.54 Der BGH konstatiert, dass eine stimmverzerrte Aussage hinter einer Schattenwand wertvoller sein kann, als ein kompletter Verzicht auf den Personalbeweis durch eine Sperrerklärung der Behörden.55 Eine Anwendung von Zeugenschutzparagrafen oder mildere Maßnahmen als diese, sollten einer Sperrerklärung somit stets vorgezogen werden56, wie beispielsweise die Gestattung einer Verkleidung vor Gericht.57 Diese Maßnahmen ermöglichen eine Konfrontation des Verteidigers und lassen eine unmittelbare Reaktion des Zeugen auf Fragen erkennbar werden, womit dem zugesicherten fairen Verfahren entgegengekommen wird.58


In dem vor dem LG Würzburg59 verhandelten Sachverhalt ging es um einen nicht öffentlich ermittelnden Polizeibeamten (noeP), der wesentlich an einem bedeutenden BTM-Verfahren beteiligt war. Das zuständige Polizeipräsidium erteilte eine Aussagegenehmigung mit der Voraussetzung, die Angeklagten während der Zeugenvernehmung von der Verhandlung auszuschließen. Der BGH stellte in seinem Aufhebungsurteil fest, dass das LG weitere Bemühungen hätte anstellen müssen, um eine für den Zeugen „unschädliche Präsenz der Angeklagten prozeßordnungsgemäß zu ermöglichen.60


Nebstdem seien solche Entscheidungen nach Ansicht der Richter nur hinnehmbar, wenn sie von der obersten Dienstbehörde getroffen werden.61 Die Begründung dazu stützt der BGH auf die Nähe der unteren Behörden zu den aussagenden Beamten und dem jeweiligen Fall der Hauptsache. Den obersten Dienstbehörden wird ein größerer Überblick und ein umfassenderes Urteilsvermögen zugesprochen.62 Dies gelte auch, wenn das Landesrecht die Aussagegenehmigungskompetenz grundsätzlich delegiert hat.


In einem weiteren Urteil des BGH ging es um einen verdeckt ermittelnden Polizeibeamten der Spezialeinheit MEK FAO der Berliner Landespolizei.63 Dem Urteil nach stellt der BGH fest, dass ein verdeckt ermittelnder Polizeibeamter, der selbst aufgrund strafrechtlich relevanter Vorwürfe als Angeklagter vor Gericht steht, ebenfalls den Geheimhaltungsinteressen seiner Dienststelle zu genügen hat. Das hier benannte Verfahren gegen den Beamten wurde eingestellt, da es ihm nicht möglich war, eine umfassende Verteidigung aufzustellen, ohne Aussagebeschränkungen zu überschreiten. Der verfassungsrechtliche Anspruch des Angeklagten war aufgrund der Versagung einer unbeschränkten Aussagegenehmigung der Senatsverwaltung für Inneres im Kernbereich tangiert.64