Recht und Justiz

„Ein Freund, ein guter Freund“

Von den Besonderheiten des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen (Teil 2)

4.3 Zusammenfassung der Entscheidung des 5. Senates des Bundesgerichtshofs vom 8.12.20

Der 5. Senat hat mit seiner Entscheidung den Einsatz Verdeckter Ermittler einen bemerkenswert weitreichenden Spielraum gewährt. Sowohl der Tatvorwurf des Mordes sowie eine entsprechende Tatgeneigtheit des A rechtfertigten vorliegend selbst das Vortäuschen eines weiteren Kapitaldelikts im Rahmen der Legende des Verdeckten Ermittlers VE-2. Der Sachverhalt zeigt, dass Fingerspitzengefühl und Geduld im Verlaufe des dort über ein Jahr andauernden Einsatzes sich auszahlten.

 

5 Resümee


Den erläuterten Entscheidungen lassen sich jeweils Beispiele für die erfolgreiche Beweisgewinnung durch Vertrauenspersonen sowie Verdeckte Ermittler entnehmen. Die Tendenz der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung, jenen komplexen und äußerst effektiven Ermittlungsmethoden einen Rahmen zu bieten, der ihren vielversprechenden Einsatz weiterhin erlaubt, ist uneingeschränkt zu begrüßen. Es ist deshalb nun an den Strafverfolgungsbehörden, diese Werkzeuge auch umfänglich zu nutzen. Gerade das Urteil des Landgerichts Berlin hat die sich vielfältig bietenden Optionen in kaum noch steigerbarem Maße aufgezeigt. Ohne den einjährigen Einsatz der Verdeckten Ermittler und der übrigen involvierten Beamten der zuständigen Ermittlungsbehörden wäre die Erhebung der öffentlichen Klage und die anschließende Verurteilung des Täters wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe undenkbar gewesen. Natürlich ist den Kritikern derartiger investigativer Maßnahmen zuzugeben, dass die Selbstbelastungsfreiheit des Beschuldigten ausgehöhlt werden könnte. Denn die Beweisgewinnung bewegt sich grundsätzlich im Spannungsfeld zwischen (noch) zulässiger Täuschung einerseits und der Überschreitung der aus § 136a StPO sowie dem Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit herzuleitenden Grenzen anderseits. Halten sich die Ermittlungen jedoch innerhalb der dargestellten höchstrichterlichen Parameter, bestehen an der Verwertbarkeit der erlangten Beweismittel keine Zweifel, weshalb es angesichts dieser Umstände kaum vertretbar erscheint, bei geeigneten Sachverhalten nicht unverzüglich auf Verdeckte Ermittler und/oder Vertrauenspersonen zurückzugreifen. Wer nicht handelt, macht zwar grundsätzlich auch weniger Fehler. Es werden dabei jedoch auch zahlreiche vielversprechende Chancen zur Aufklärung von Straftaten vertan. Und dies widerspricht nicht nur dem gesunden Menschenverstand, sondern auch den in §§ 152 Abs. 1, 163 Abs. 1 StPO geregelten Aufgaben der Ermittlungsbehörden. Die dargestellten Entscheidungen jedenfalls, bieten zahlreiche Innovationen für zukünftige Ermittlungsansätze.


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Anmerkungen

 

  1. Dr. Sören Pansa ist bei der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein und Dr. Marius Heller bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel tätig. Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Zum 1. Teil des Beitrages vgl. Die Kriminalpolizei 3/2021, S. 13-16.
  2. LG Berlin, Urteil vom 17. März 2020 – (522 Ks) 234 Js 154/17 (3/19) –.
  3. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2020 – 5 StR 437/20 –.
  4. Vgl. zur nicht erforderlichen Begründung eines Verwerfungsbeschlusses exemplarisch BGH, Beschluss vom 19. Februar 2018 – 1 StR 224/17 –, zitiert nach juris; BGH, Beschluss vom 1. August 2018 – 2 StR 20/18 –, zitiert nach juris.
  5. BGH, Beschluss vom 13. Mai 1996 – GSSt 1/96 –, BGHSt 42, 139.
  6. BGH, Beschluss vom 13. Mai 1996 – GSSt 1/96 –, BGHSt 42, 139.
  7. BGH, Beschluss vom 13. Mai 1996 – GSSt 1/96 –, BGHSt 42, 139; BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 – 3 StR 104/07 –, BGHSt 52, 11.
  8. BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 – 3 StR 104/07 –, BGHSt 52, 11.
  9. BGH, Beschluss vom 13. Mai 1996 – GSSt 1/96 –, BGHSt 42, 139; BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 – 3 StR 104/07 –, BGHSt 52, 11.
  10. A. A. etwa Meyer-Mews, NJW 2007, 3142 f. in Anm. zu BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 – 3 StR 104/07 –, BGHSt 52, 11.
  11. BGH, Beschluss vom 13. Mai 1996 – GSSt 1/96 –, BGHSt 42, 139.
  12. Vgl. Rogall, NStZ 2008, 110 ff m.w.N. in Anm. zu BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 – 3 StR 104/07 –, BGHSt 52, 11.
  13. BGH, Beschluss vom 31. März 2011 – 3 StR 400/10 –, NStZ 2011, 596; mit abl. Anm. Roxin StV 2012, 131 ff.
  14. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2016 – 3 StR 230/16 –, NJW 2017, 1828; BGH, Urteil vom 27. September 1988 – 1 StR 187/88 –, NJW 1989, 843.
  15. BGH, Urteil vom 27. September 1988 – 1 StR 187/88 –, NJW 1989, 843.
  16. BGH, Urteil vom 28. April 1987 – 5 StR 666/86 –, BGHSt 34, 362; vgl. auch H. Schneider, NStZ 2001, 8 (10).
  17. Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, 63. Auflage StPO, § 110c, Rn. 3.
  18. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 31. Juli 2019 – 1 Ws 242/19 –, Rn. 25, zitiert nach juris.
  19. So ausdrücklich auch Bruns in Karlsruher Kommentar, 8. Auflage, StPO, § 100c Rn. 20.
  20. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26. Mai 2010 – 1 Ws 241/09 –, Rn. 44, zitiert nach juris.
  21. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26. Mai 2010 – 1 Ws 241/09 –, Rn. 45, zitiert nach juris.
  22. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1974 – 2 BvR 747/73 u.a. –, BVerfGE 38, 105; BVerfG, Beschluss vom 13. Januar 1981 – 1 BvR 116/77 –, BVerfGE 56, 37.
  23. BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 – 3 StR 104/07 –, BGHSt 52, 11; BGH, Beschluss vom 27. Januar 2009 – 4 StR 296/08 –, NStZ 2009, 343 (344).
  24. BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 – 3 StR 104/07 –, BGHSt 52, 11.
  25. BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 – 3 StR 104/07 –, BGHSt 52, 11.
  26. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2009 – 4 StR 296/08 –, NStZ 2009, 343.
  27. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2009 – 4 StR 296/08 –, NStZ 2009, 343 (344).
  28. Dazu BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 – 3 StR 104/07 –, BGHSt 52, 11.
  29. BGH, Beschluss vom 13. Mai 1996 – GSSt 1/96 –, BGHSt 42, 139.
  30. BGH, Beschluss vom 13. Mai 1996 – GSSt 1/96 –, BGHSt 42, 139. Einen weitreichenderen Schutz hatte demgegenüber wohl der EGMR, Urteil vom 5. November 2002 – 48539/99 – Allan ./. Vereinigtes Königreich, StV 2003, 257 angenommen. In einer späteren Entscheidung – EGMR, Urteil vom 10. März 2009 – 4378/02 – Bykov/Russland, zitiert nach juris –, wird indes ebenfalls der „unzulässige Zwang“ als Schutzzweck eines fairen Verfahrens betont; vgl. insgesamt hierzu Rogall, NStZ 2008, 110 (112) in Anm. zu BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 – 3 StR 104/07 –, BGHSt 52, 11; a. A. Roxin StV 2012, 131 ff. in Anm. zu BGH, Beschluss vom 31. März 2011 – 3 StR 400/10 –, der sich für eine grundsätzliche Unverwertbarkeit von selbstbelastenden Äußerungen eines Verdächtigen ausspricht, die durch Vertrauensmissbrauch durch Polizei bzw. polizeilichen Agenten erlangt wurden.
  31. Rogall, NStZ 2008, 110 (113) in Anm. zu BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 – 3 StR 104/07 –, BGHSt 52, 11.
  32. Rogall, NStZ 2008, 110 (113).
  33. Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, 63. Auflage StPO, § 110c, Rn. 4.
  34. Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, 63. Auflage StPO, § 110c, Rn. 4.
  35. Zu den Voraussetzungen eines Verfahrenshindernisses einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 2017 – 1 StR 320/17 – m.w.N., NStZ 2018, 355; auch BGH, Urteil vom 4. Juli 2018 – 5 StR 650/17 –, StraFo 2019, 17; BGH, Beschluss vom 28. Februar 2018 – 4 StR 640/17 –, zitiert nach juris, in denen jeweils ein Verfahrenshindernis abgelehnt wird; vgl. auch EGMR, Urteil vom 15. Oktober 2020 – 40495/15 –, zitiert nach juris; EGMR, Urteil vom 5. Februar 2008 – 74420/01 –, NJW 2009, 3565, wobei der EGMR im Falle einer polizeilichen Tatprovokation den Ausschluss sämtlicher dadurch erlangten Beweise annimmt; so auch BGH, Urteil vom 10. Juni 2015, - 2 StR 97/14 –, StraFo 2015, 501, wohingegen insb. der 1. Senat an der bisherigen „Strafzumessungslösung“ festhält: BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15 –, BGHSt 60, 238; BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2019 – 1 StR 206/19 –, StV 2020, 681.

 

 

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