Kriminalitätsbekämpfung

„Umweltschutz ist wichtig“ – Die Arbeit des Referats E23

Von PHK Peter Berg, Hamburg*

 

3 „Früh-Team“ im Kontrolleinsatz


Nach einem kurzen Briefing starte das „Früh-Team“ ins Tagesgeschäft. Es ist Teamarbeit und somit ist die Schiffsauswahl für anstehende Kontrollen auch eine gemeinsame Entscheidung. Heute soll es nun der Tanker sein.


Die Erfahrungen der Kollegen zeigt, dass sie nicht traurig darüber sind, dass in den bremischen Häfen keine „Major Hazard-Stoffe“, also keine hochgiftigen Chemikalien umgeschlagen werden. Der Umschlag dieser extrem gefährlichen Chemikalien bedarf einer speziellen Handhabung.


Die beiden Umweltschützer der WSP erreichen das Seeschiff zu einem Zeitpunkt, wo der Umschlag vom Schiff an Land gerade in vollem Umfang läuft. Nachdem die Gangway-Wache die Zugangsberechtigung geprüft hat, werden die Beamten vom Ladungsoffizier abgeholt und ins „Ships-Office“ geleitet. Es beginnt der normale und freundliche Smalltalk mit der Schiffsführung, dem Kapitän, dem Leitenden Ingenieur und dem 1. Offizier, der für die Ladung und den Umgang mit dem Ballastwasser und dem Schiffsmüll verantwortlich ist. Die Schiffsführung legt zahlreiche Dokumente, Ordner, Tage- und Handbücher, Pläne und Abgabebescheinigungen vor. Die Führung der Unterlagen würde durchaus eine spezielle Verwaltungskraft an Bord rechtfertigen. Allein der Reeder spart sich diese Kosten und überträgt die Arbeit den Offizieren. Ein Mehraufwand, der in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat, ohne dass ein Ende in Sicht ist. Auf vielen Schiffen kommt der Kapitän aus diesem Grund kaum noch dazu sein Schiff selbst zu „fahren“, sondern überlässt diese wichtige Tätigkeit seinen nautischen Offizieren.


Zunächst prüfen die Beamten die Schiffszeugnisse und widmen sich dann den nach den internationalen Übereinkommen geforderten Tagebüchern. Und da gibt es mit dem Öl- und Ladungstagebuch, dem Müll- und Ballastwassertagebuch sowie den Maschinen- und Brückentagebuch eine ganze Reihe Dokumente, die es zu überprüfen gilt. Um nicht den Überblick zu verlieren, gehen die beiden Beamten arbeitsteilig vor. Einer übernimmt den Maschinenraum und der andere Beamte nimmt sich den Ladungspart, den Bereich Ballastwasser und Schiffsmüll vor.


Der „Riecher“ vom Morgen war richtig. Bei dem Schiff handelt es sich um den „Produktentanker“, der mal Öl oder Kraftstoffe und dann auch wieder Chemikalien transportiert. Der Umgang mit Chemikalien ist für die Besatzung an sich schon eine Herausforderung aber der Umgang mit den Laderäumen, den jeweils installierten Pumpen und speziellen Rohrleitungen und den nach dem Transport und der Reinigung der jeweiligen Tanks anfallenden Rückständen stellt Besatzung und Meeresumwelt immer wieder auf eine harte Probe. Nicht selten führen Fehler im Umgang mit den Chemikalien und deren Rückständen an Bord zu Problemen, die dann so gelöst werden, dass sie einfach, wie es in der Tankersprache genannt wird, „in den blauen Schrank gestellt“, also nach See entsorgt werden. Ein Vorgang, selbst wenn er streng nach bestehenden Vorschriften abläuft, heutzutage nicht mehr stattfinden müsste. Die Technik zum vollständigen Entleeren der Tanks und die umweltgerechte Entsorgung sollte in der heutigen Zeit zur Verfügung stehen. Leider fehlt hierfür in aller Regel die Zeit und der Wille.


Setzt man sich intensiv mit dem Text der Anlage II zum internationalen Meeresumweltschutz-Übereinkommen „Marpol“ auseinander, dann erkennt man schnell, dass es hierbei nicht wirklich um die komplette Vermeidung der Verschmutzung geht. Wie gesagt, Umweltschutz ist im internationalen Seerecht ein Thema, bei dem man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt hat, der unser Umweltstrafrecht oder das Wasserhaushaltsgesetz sowie die flankierenden Vorschriften stark aufweicht.


Die Regelung zur Anlage II des Marpol-Übereinkommen lautet: „Vorschriften zur Überwachung der Verschmutzung durch als Massengut beförderte schädliche Stoffe“. Das hier nicht von „Verhinderung der Verschmutzung“ gesprochen wird, sagt schon einiges aus. Leider ermöglicht die Systematik im Umweltrecht im Rahmen der Verwaltungsakzessorietät dieses Handeln zum Nachteil der Umwelt. Aber genau deshalb gibt es die maritime Umweltüberwachung, die eine strikte Einhaltung der internationalen Vorschriften fordert.


Der kontrollierende Beamte nimmt sich das Ladungstagebuch vor, das für den Laien aussieht wie kryptische Aufzeichnungen eines Geheimbundes. Aber dafür sind die Beamten ausgebildet. Zunächst scheint alles ordentlich dokumentiert zu sein. Ladung im Hafen X übernommen und im Hafen Y abgegeben, Tanks gereinigt, Inhalte umgepumpt und dann irgendwann nach See entsorgt. Vorgänge die teilweise sehr komplex sind, weil diese Schiffe nicht nur einen Tank, sondern zehn oder mehr besitzen, in denen dann auch teilweise verschiedene Chemikalien befördert und in unterschiedlichen Häfen wieder abgegeben werden. Dies ist nicht immer einfach zu durchschauen.


Dann versteinert sich der Blick des prüfenden Kollegen. Nach einer kurzen Rücksprache mit dem Ladungsoffizier möchte er sich die Eintragungen in die Seekarte bzw. die Historie in der „ECDIS“, der elektronischen Form der Seekarte ansehen. Die Umweltermittler müssen auch die nautischen Gerätschaften und Hilfsmittel beherrschen, wollen sie eine allumfassende Kontrolle durchführen. Diese geschieht dann auf der Brücke des Schiffes und schon erhärtet sich der Verdacht des Beamten. Es ist zwar grundsätzlich erlaubt, die Rückstände aus den Chemikalientanks nach See zu entsorgen, was nicht wirklich umweltfördernd ist. Aber dann soll doch alles streng nach den internationalen Regelungen ablaufen.


Und genau hier setzt der Beamte an. Konnte er im Tagebuch schon feststellen, dass der Entladehafen und der darauffolgende Ladehafen identisch, nämlich Port Jerome im Bereich der Seinemündung in Frankreich war, hatte er nun den Beweis dafür, dass das Schiff nach dem Entladen zur Rückstandsbeseitigung extra den Hafen verlassen hatte um im Zuge einer reinen Verklappungsfahrt die Rückstände zu entsorgen. Anschließend wurde dann im selben Hafen wieder Ladung aufgenommen.


Nach deutschem Recht handelt es sich um einen Verstoß gegen den im Marpol-Übereinkommen geforderten Begriff des „On-Route“, der direkten Seereise vom Endladehafen zum nächsten Ladehafen. Hierbei ist die deutsche Auslegung sehr genau, so dass, wenn beide Häfen identisch sind, die Erlaubnis zum Einleiten nicht mehr greift. Folglich handelt die Schiffsführung in diesem Fall verbotswidrig im Rahmen des Marpol-Übereinkommens und damit strafrechtlich relevant im Sinne des 29. Abschnittes des StGB. Und da Umweltschutz ja bekanntlich wichtig ist und auch im Internationalen Seerechtsübereinkommen einen großen Part einnimmt, können die Mitgliedsstaaten den Geltungsbereich ihre umweltrechtlichen Strafrechtsnormen deutlich über ihre Hoheitsgrenzen hinaus ausdehnen.


Deutschland hat dieses zum einen über den § 5 Nr. 11 StGB für Teile der Nord- und Ostsee getan, die im Geltungsbereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) liegen. Dabei handelt es sich um einen vom Küstenstaat nutzbaren Teil der internationalen Gewässer, also nicht mehr um deutsches Staatsgebiet. Darüber hinaus findet sich im Art. 12 des Ausführungsgesetzes zum Seerechtsübereinkommen eine Erweiterung des 29. Abschnittes. Namentlich geht es um die §§ 324, 326 StGB sowie die §§ 330, 330a StGB und die Anwendung der Normen auf die gesamte Nord- und Ostsee. Voraussetzung für eine Verfolgung dieser Taten im Hoheitsbereich anderer Länder ist, dass die Tat im Recht des entsprechenden Staates unter Strafe gestellt ist und der Staat nicht nur von einer Verfolgung absieht, sondern den ermittelnden Staat, in unserem Fall Deutschland, um Ermittlungen und Ahndung ersucht.


Soweit so gut, jedoch wissen die Umweltermittler um die Sichtweise der Nachbarstaaten in solchen Fällen. Inzwischen hat sich eine Regelung etabliert, dass diese Strafsachen bei der für diese Örtlichkeit zuständigen Staatsanwaltschaft Hamburg zur Anzeige gebracht werden. Ob und in welcher Form später eine Ahndung erfolgt, darüber erhalten die Beamten in der Regel keine Informationen. Ihre Aufgabe ist es allein, alle Informationen und Beweise für den konkreten Verstoß zu sammeln, Berichte und Anzeigen zu fertigen, Beschuldigte zu belehren und zu vernehmen und das alles im Sinne des Umweltschutzes.