Wissenschaft  und Forschung

Rechtsextremisten in deutschen Sicherheitsbehörden

Eine aktuelle Analyse

4 Rechtsextremisten in der Bundeswehr


In den letzten Jahren häuften sich rechtsextremistische Fälle in der Bundeswehr. Besonders betroffen ist das Kommando Spezialkräfte (KSK), wo seit Sommer 2020 gegen rund zwanzig Angehörige ermittelt wird. Damit ist die Zahl der rechtsextremistischen Verdachtsfälle beim KSK im Verhältnis zur Personalstärke von rund 1400 Soldaten etwa fünf Mal höher als beim Rest der Bundeswehr. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) geht nicht mehr nur von Einzelfällen aus, allerdings habe der MAD auch „keine Untergrundarmee“ entdecken können, so der ehemalige Amtschef Christof Gramm. Im KSK gebe es einen ausgeprägten Korpsgeist und eine „Mauer des Schweigens“, es gelinge dem MAD aber nach und nach, dort „Risse zu erzeugen“.22 Die 2. Kompanie des KSK, in der es gehäuft zu rechtsextremistischen Vorfällen gekommen war, wurde inzwischen aufgrund einer Weisung von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer aufgelöst.23

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, ging im Sommer 2020 in der Angelegenheit Rechtsextremisten im KSK in die Offensive und legte einen Bericht vor, der 60 Einzelmaßnahmen umfasst, mit denen die Führung das KSK wieder unter die Kontrolle bekommen will und die sich mit der Aus- und Fortbildung im Bereich freiheitliche demokratische Grundordnung (fdGO) befassen. In einer Vorbemerkung gestand der Parlamentarische Staatssekretär Peter Tauber (CDU) gegenüber dem Bundestag schwere Versäumnisse auf allen Ebenen bei der Führung des KSK und bei der Bewertung extremistischer Tendenzen ein. Staatssekretär Tauber kam zu dem Urteil: „Die Dienstaufsicht aller Ebenen oberhalb der Kompanie hat in diesem Segment über einen längeren Zeitraum eine bedenkliche Entwicklung nicht erkannt oder unterschätzt.“ Daraus folge, dass das KSK „nicht in seiner jetzigen Verfassung bestehen bleiben kann“. Das KSK wird auf Initiative des Ministeriums hin tiefgreifend reformiert. 24„Wir werden den gesamten Bereich der Ausbildung neu organisieren“, erklärte Ministerin Kramp-Karrenbauer und betonte, dass auch andere Teile der Bundeswehr von Überprüfungen und Neustrukturierungen betroffen seien: „Ich will noch mal sagen, es ist nicht nur die Frage des KSK“, betonte die Verteidigungsministerin.25

Der ehemalige MAD-Präsident führte aus, dass Soldaten „Verfassungspatrioten von Berufs wegen“ sein müssen. Patriotismus wiederum muss aus der Sicht der Verfassungsschutzbehörden und des MAD klar von Nationalismus getrennt werden. Rechtsextremismus und Rechtspopulismus sind von den Ideologieelementen Nationalismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Rassismus und pauschale Fremdenfeindlichkeit geprägt. Als Staatsbürger in Uniform haben die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr besondere Pflichten, die im Soldatengesetz festgeschrieben sind. Dessen Paragraf acht verpflichtet sie zur Verfassungstreue.26

Warum ziehen Streitkräfte Rechtextremisten an? Die wenigen Studien, die es zu Extremismus in Streitkräften gibt, kommen zum Schluss, dass Streitkräfte stärker Personen mit eher autoritären Gesellschafts- und Ordnungsvorstellungen anziehen. Hier ist festzustellen, dass es bei Rechtsradikalen und Rechtsextremisten eine grundsätzliche große Affinität zum Militär und zu Waffen gibt. Kritisch ist hier festzustellen, dass es seit vielen Jahren Rechtsextremismus in der Bundeswehr gibt, allerdings 13 Jahre von der letzten empirischen Untersuchung von Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus in der Truppe bis heute vergangen sind und das Ministerium so lange keine Studien dazu in Auftrag gegeben hat.

Erst Anfang August 2020 wurde es öffentlich gemacht, dass das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Zusammenarbeit mit dem Beirat Innere Führung eine sozialwissenschaftliche Studie in der Bundeswehr dazu durchführen wird. Dabei sollen auch die parteipolitischen Präferenzen der Soldaten („Sonntagsfrage“) abgefragt werden. Die Ergebnisse dieser Studie sollen 2021 veröffentlicht werden. Zuletzt wurde im Jahr 2007 der Offiziersnachwuchs an den Bundeswehruniversitäten in München und Hamburg befragt.27

Das damalige Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr befragte 2007 2300 Studierende an den beiden Universitäten der Bundeswehr in Hamburg und in München zu ihren politischen Einstellungen. Problematischer Weise ließen 13% der Bundeswehr-Studierenden deutliche Sympathien für das Gedankengut der rechtsextremistischen Strömung der „Neuen Rechten“ erkennen. 38% stimmten der Forderung zu, Deutschland solle wieder von einer „starken Elite“ geführt werden. 25% waren dafür, die Zuwanderung von Ausländern nach Deutschland zu stoppen. Man müsse dafür sorgen, dass sich in Politik und Gesellschaft immer der Stärkere durchsetzt, meinten 12%. Zudem sprachen sich 11% der jungen Bundeswehr-Offiziere dafür aus, die Macht des Parlaments einzuschränken. Dass deutsche Interessen gegenüber dem Ausland „hart und energisch“ durchgesetzt werden müssten, bejahten 44% der Befragten. Diese Ergebnisse der Studie unter jungen Offizieren waren in einem Querschnittsbereich von Nationalismus und Rechtspopulismus mit Tendenzen zu Rechtsextremismus zu verorten.28

Der Rechtsextremismusverdacht aus dem Sommer 2020 trifft auch Reservisten der Bundeswehr. So habe die Bundeswehr nach Sicherheitsüberprüfungen in den vergangenen Monaten mehr als 800 Reservisten wegen Extremismusverdachts von Reservedienstleistungen ausgeschlossen.29 Ende Juni 2020 berichteten Medien, dass der MAD bei einem Reservisten eine detaillierte Liste mit 17 Politikern und Prominenten gefunden habe. Teilweise waren Handynummern und Privatadressen aufgeführt. Ermittler waren dem Unteroffizier aus Niedersachsen auf die Spur gekommen, weil er sich an zwei rechtsextremistischen WhatsApp-Gruppen beteiligt hatte und dort „eindeutig rechtsextremistisches“ Propagandamaterial und Hetzschriften ausgetauscht habe. Auf der Liste sollen unter anderem gestanden haben: Heiko Maas, Sigmar Gabriel, Franziska Giffey, Manuela Schwesig, Olaf Scholz und Ex-SPD-Parteichef Martin Schulz, daneben auch Robert Habeck, Cem Özdemir, Katja Kipping und Christian Lindner.30 Nach mehreren Hinweisen auf Rechtsextremisten unter Reservisten der Bundeswehr hatten der MAD und das BfV im Jahr 2019 eine gemeinsame Arbeitsgruppe gegründet, in der seither mehr als tausend Fälle von möglicherweise rechtsextremistischen Soldaten untersucht wurden.

Im Sommer 2020 erklärte die Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer, dass sie Rechtsextremismus in der Bundeswehr „bekämpfen“ werde. Wer gegen die Verfassung sei, gefährde die Demokratie. Nach eigenen Worten will sie sich „mit aller Kraft und Konsequenz gegen Rechtsextremisten innerhalb der Bundeswehr einsetzen“. Wenn diejenigen, die für eine wehrhafte Demokratie ständen und einen Amtseid für die Verfassung abgelegt hätten, „gegen diese Verfassung kämpfen, erkennbar rechtsextremistisch sind, dann gefährdet das die Stabilität der gesamten Demokratie“, sagte die Ministerin im ARD-Sommerinterview. Daher sei das Vorgehen gegen solche Tendenzen „unserer aller Aufgabe“ – und „meine ganz besonders“, so Kramp-Karrenbauer.31

Abschließend ist festzustellen, dass Rechtsextremismus in der Bundeswehr die fdGO gefährdet und sowohl das Verteidigungsministerium als auch die zuständigen Stellen der Bundeswehr sofort alle geeigneten Maßnahmen ergreifen müssen, um Rechtsextremismus in der Bundeswehr zu unterbinden.