„Ein Freund, ein guter Freund“

Von den Besonderheiten des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen (Teil 1)

Von Oberstaatsanwalt Dr. Sören Pansa und Staatsanwalt Dr. Marius Heller, Schleswig/Kiel

 

1 Hintergründe

 

Verdeckte Ermittlungsmethoden gehören, insbesondere im Bereich der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, aktuell oftmals zum Alltag polizeilicher und staatsanwaltschaftlicher Tätigkeit. Dies resultiert aus dem typischerweise konspirativen Vorgehen der Zielpersonen, welches andere Ermittlungsmaßnahmen wenig erfolgversprechend erscheinen lässt. Primär in der jüngeren Vergangenheit hat der Gesetzgeber dem Rechnung getragen. So ist auf die zunehmende Nutzung sog. Messenger-Dienste am 17. August 2017 durch die Schaffung der „Online-Durchsuchung“ i.S.d. § 100b StPO und der „Quellen-Telekommunikationsüberwachung“ i.S.d. § 100a Abs. 1 S. 2 StPO reagiert worden.2 Nachdem es französischen Ermittlungsbehörden gelang, auf die Kommunikationsinhalte bisher als überwachungssicher geltender, sog. „Encrochat-Krypto-Handys“ zuzugreifen, ist jedoch erneut deutlich geworden, wie bereitwillig und massiv, kriminelle Strukturen technische Innovationen zu nutzen bereit sind. Lediglich am Rande sei hier erwähnt, dass deutsche Ermittlungsbehörden die diesbezüglich gewonnen Erkenntnisse zur Aufklärung erheblicher Straftaten vollumfänglich verwenden dürfen.3


Erfahrungsgemäß stoßen jedoch technische Überwachungsmaßnahmen dann an ihre Grenzen, wenn technische Geräte durch die Zielpersonen aufgrund befürchteter Überwachung selten genutzt und eine tatrelevante Kommunikation nur bei persönlichen Treffen im streng reglementierten Personenkreis stattfindet. In diesen schwierigen Konstellationen können durch die Nutzung „menschlicher“ Ermittlungswerkzeuge dennoch Erfolge erzielt werden. Jedoch bergen derartige Ermittlungstaktiken auch zahlreiche Untiefen. So bestehen lediglich bezüglich des Einsatzes Verdeckter Ermittler (VE) mit den §§ 110a ff. StPO gesetzliche Regelungen. Hinsichtlich Vertrauenspersonen (V-Personen), Informanten und nicht offen ermittelnder Polizeibeamter (noeP) existieren derartige Gesetzesvorschriften hingegen nicht. Diesbezügliche Regelungen finden sich lediglich in Anlage D der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) bzw. in ministeriellen Erlassen auf Landesebene.4 Die RiStBV und entsprechende Erlasse stellen indes schon aufgrund ihrer Rechtsnatur als interne Verwaltungsvorschriften bzw. innerdienstliche Weisungen im Sinne des § 146 GVG keine tragfähige Rechtsgrundlage für Grundrechtseingriffe dar.5 Insofern stellen sich in diesem Bereich zahlreiche bisher ungeklärte Fragen, welche auch die Verwertbarkeit erlangter Ermittlungsergebnisse beeinflussen können. So beschäftigt sich etwa seit dem 23. Februar 2018 ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss des schleswig-holsteinischen Landtages unter anderem mit der Frage, in welchen Konstellationen verfahrensrelevante Angaben einer V-Person zwingend Eingang in die Ermittlungsakten finden müssen.6 In diesem Beitrag wird deshalb zunächst ein einführender Überblick bezüglich etwaiger Probleme hinsichtlich noeP, Informanten, V-Personen und VE gegeben. Anschließend gilt es, ausführlich auf zwei aktuelle Entscheidungen des Bundesgerichtshofes bzw. des Landgerichts Berlin einzugehen, die zentrale Aspekte des Einsatzes von V-Personen und der Verwertbarkeit seitens Verdeckter Ermittler sowie V-Personen generierter Geständnisse

 

2 Überblick bezüglich der verschiedenen personalen Ermittlungsmöglichkeiten


Den Ermittlungsbehörden stehen mit dem Verdeckten Ermittler, der Vertrauensperson, dem nicht offen ermittelnden Polizeibe-amten und dem Informanten verschiedene Möglichkeiten der Informationsgewinnung zur Verfügung. Deren jeweilige Nutzung unterliegt jedoch unterschiedlichen Voraussetzungen und es sind Besonderheiten des Einsatzes zu berücksichtigen. Im Folgenden werden die verschiedenen Begriffe definiert, etwaige rechtliche Probleme angesprochen und potentielle Folgen für den Fortgang des Ermittlungsverfahrens aufgezeigt.

2.1 Der Verdeckte Ermittler (VE)

Gemäß § 110a Abs. 2 StPO sind Verdeckte Ermittler Beamte des Polizeidienstes, die unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) ermitteln und unter der Legende auch am Rechtsverkehr teilnehmen dürfen. § 110a Abs. 3 StPO erlaubt für den Aufbau und die Aufrechterhaltung der Legende, die Herstellung, Änderung und den Gebrauch entsprechender Urkunden. Der Einsatz Verdeckter Ermittler ist gem. § 110a Abs. 1 StPO auf bestimmte Bereiche bedeutender Kriminalität, wie etwa Straftaten bezüglich des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, und Verbrechen aller Art beschränkt. Letztere sind aber nur dann relevant, wenn eine Widerholungsgefahr besteht. § 110b Abs. 1 StPO sieht vor, dass der Verdeckte Ermittler seine Tätigkeit ohne die schriftliche Zustimmung der Staatsanwaltschaft grundsätzlich nicht aufnehmen darf. Die diesbezüglichen Entscheidungen treffen der Behördenleiter der zuständigen Staatsanwaltschaft bzw. ein besonders bezeichneter Staatsanwalt und auf polizeilicher Seite die „Leitungsebene“ (vgl. RiStBV Anl. D, II. Nr. 2.4). Richtet sich der Einsatz des Verdeckten Ermittlers gegen einen bestimmten Beschuldigten oder soll eine nicht öffentlich zugängliche Wohnung betreten werden, so ist gemäß § 110b Abs. 2 S. 1 StPO grundsätzlich die schriftlich zu erteilende Zustimmung des Ermittlungsrichters einzuholen. Hierbei muss der Beschuldigte, gegen den ermittelt wird, namentlich nicht bekannt sein. Vielmehr ist die richterliche Zustimmung bereits erforderlich, wenn die Zielperson identifizierbar ist. Nach erfolgter Zustimmung sind die gewonnenen Erkenntnisse grundsätzlich ebenfalls hinsichtlich weiterer Zielpersonen verwertbar, auch wenn bezüglich diesen noch keine richterliche Zustimmung vorliegt.7 Anders ist die Zustimmung bezüglich des Betretens einer Wohnung ausgestaltet. Hier muss gerade nicht eine bestimmte Wohnung bezeichnet werden, sondern es wird faktisch durch die richterliche Zustimmung ein generelles Betretungsrecht konstituiert.8 Jedoch darf der Verdeckte Ermittler nicht nach seinem Belieben und ggf. heimlich fremde Wohnungen infiltrieren. Vielmehr sieht § 110c StPO vor, dass immer das Einverständnis des Berechtigten vorliegen muss. Dieses darf ferner nicht durch ein über die Nutzung der Legende hinausgehendes Vortäuschen eines Zutrittsrechts herbeigeführt werden.


Ein deutlich größeres Problem stellt für die Ermittlungsbehörden und den als Verdeckten Ermittler eingesetzten Polizeibeamten aber die rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen müssende Ausgestaltung der Ermittlungstätigkeit an sich dar. Denn der Polizeibeamte verkehrt hierbei dauerhaft in hochkriminellen Kreisen und hat sein Verhalten zwingend dementsprechend anzupassen. Hierbei stellt die RiStBV Anl. D, II. Nr. 2.2 S. 1 klar, dass allein das Handeln als Verdeckter Ermittler keine Befugnis zur Begehung von Straftaten darstellt. Aber etwaige begangene Straftaten können gemäß § 34 StGB gerechtfertigt oder gemäß § 35 StGB entschuldigt sein.9 Ferner soll gemäß RiStBV Anl. D, II. Nr. 2.6 der Verdeckte Ermittler vollumfänglich der „Strafverfolgungspflicht“ i.S.d. § 163 StPO unterliegen. Die uneingeschränkte Geltung dieses Grundsatzes würde die legendierte Ermittlungstätigkeit aber verständlicherweise stark erschweren. Denn der eingesetzte Polizeibeamte könnte an typischen Tagen im Milieu der Organisierten Kriminalität aufgrund der zahlreichen Verstöße gegen das BtMG, WaffG und § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG kaum noch seinem übergeordneten Auftrag, der Aufdeckung der Täterstrukturen auf „Führungsebene“, nachkommen. Deshalb ermöglicht RiStBV Anl. D, II. Nr. 2.6.1-3 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Zurückstellung von Ermittlungsmaßnahmen, insbesondere, wenn diese ansonsten den eigentlichen Ermittlungsauftrag gefährden würden.


Weitere grundlegende Probleme bezüglich der Tätigkeit des Verdeckten Ermittlers stellen die Verwertbarkeit von gegenüber ihm abgegebenen Geständnissen sowie die Bewertung etwaiger durch ihn verwirklichter Tatprovokationen dar. Hierauf wird im Rahmen der Darstellung des Urteils des Landgerichts Berlin ausführlich eingegangen werden.

2.2 Nicht offen ermittelnder Polizeibeamter (noeP)

Die Tätigkeit eines nicht offen ermittelnden Polizeibeamten geht nicht über einzelne wenige, konkret bestimmte Ermittlungshandlungen hinaus und es ist nicht erforderlich, eine unbestimmte Vielzahl von Personen über seine wahre Identität zu täuschen.10 Anders als bei dem Verdeckten Ermittler finden sich hinsichtlich seiner Tätigkeit keine speziellen gesetzlichen Regelungen. Vielmehr kann der Einsatz nach ständiger Rechtsprechung allein auf die allgemeinen Regelungen i.S.d. §§ 161, 163 StPO gestützt werden.11 Die überwiegende Zahl derartiger Ermittlungseinsätze dürfte dabei im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität stattfinden. Problematisch erweist sich hierbei oftmals die Abgrenzung zu einem Verdeckten Ermittler. Dies ist äußerst relevant, da bezüglich des Verdeckten Ermittlers in bestimmten Konstellationen gemäß § 110b Abs. 2 S. 1 StPO eine richterliche Zustimmung erforderlich und der Einsatz gemäß § 110a Abs. 1 StPO auch nur zur Aufklärung bestimmter Straftaten zulässig ist. Die höchstrichterliche Rechtsprechung grenzt dabei im Wesentlichen anhand der Dauer des Einsatzes ab. So bewirkt allein die Verwendung einer Legende noch nicht die Anwendbarkeit der §§ 110a ff. StPO. Denn beschränkt sich die Tätigkeit eines unter seinem Decknamen auftretenden Polizeibeamten im Umfeld des Beschuldigten auf eine Einzelaktion, bedarf es dazu keiner richterlichen Zustimmung.12 Starre zeitliche Regeln existieren dabei nicht. Vielmehr ist durch eine Gesamtwürdigung aller Umstände festzustellen, ob der Ermittlungsauftrag umfangreiche Tätigkeiten vorsieht, welche in einem längerfristigen Zusammenhang stehen.13 Fraglich ist, ob der nicht offen ermittelnde Polizeibeamte im Rahmen seines Einsatzes mit (täuschungsbedingter) Einwilligung der Zielperson deren Wohnung betreten darf. Ein Verdeckter Ermittler bedürfte diesbezüglich gemäß § 110b Abs. 2 S. 1 StPO einer richterlichen Zustimmung. Bei einem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten ist dies jedoch nicht der Fall.14 Insbesondere zum Schutz der Zielperson bedarf es einer solchen nicht. Denn der noeP wird, anders als der Verdeckte Ermittler, gerade nicht für längere Zeit eingesetzt, weshalb er grundsätzlich zu der Zielperson kaum ein vertrauensbasiertes Näheverhältnis aufbauen können dürfte. Die Zielperson entscheidet sich daher bewusst, jemanden, der ihr nur flüchtig bekannt ist, und dessen Intentionen sie nicht kennt, Zutritt zu ihrer Wohnung zu gewähren. Hierin manifestiert sich primär das allgemeine Lebensrisiko, vor dem die Zielperson nicht durch einen Richtervorbehalt geschützt werden muss.

2.3 Informanten

Bei diesen handelt es sich nicht um Polizeibeamte. Vielmehr sind es Privatpersonen, die im Einzelfall bereit sind, gegen Zusicherung der Vertraulichkeit den Strafverfolgungsbehörden Informationen zu geben (RiStBV Anl. D, I. Nr. 2.1). Diese Infor-mationen erlangen die Personen typischerweise aufgrund ihrer Nähe zum „kriminellen Milieu“, in welches sie oftmals selbst

unmittelbar verstrickt sind. Die Motivation der Informanten für eine Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden stellt sich dabei nicht einheitlich dar. Diese kann finanzieller Natur sein, aber auch etwa auf persönlichen Animositäten bezüglich derje-nigen Personen beruhen, über welche die Mitteilungen getätigt werden. Auch ist nicht selten die Erwartung des Informanten relevant, im Fall seines etwaigen späteren Ausstiegs aus den kriminellen Strukturen, auf staatliche Unterstützung hoffen zu dürfen. Die Inanspruchnahme eines Informanten kommt grundsätzlich nur bei schweren Delikten, etwa aus dem Bereich der Betäubungsmittel- und Organisierten Kriminalität in Betracht. Straftaten unterhalb dieser Schwelle können ebenfalls hierfür ausreichen, wenn durch deren vermehrtes Auftreten die Erfül-lung öffentlicher Aufgaben oder die Allgemeinheit in erheb-lichem Maße gefährdet erscheint (RiStBV Anl. D, I. Nr. 3.1).

Ein in dieser Hinsicht taugliches Beispiel stellt sicherlich der Wohnungseinbruchsdiebstahl im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB bzw. § 244 Abs. 4 StGB dar, durch den erhebliche Teile der Bevölkerung in der jüngeren Vergangenheit betroffen worden sind. Die Entscheidungen bezüglich der Zusicherung der Vertraulichkeit treffen grundsätzlich der Behördenleiter der zuständigen Staatsanwaltschaft bzw. ein besonders bezeich-neter Staatsanwalt und auf polizeilicher Seite die „Leitungs-ebene“ (vgl. RiStBV Anl. D, I. Nr. 5.1). Aus dem Umkehrschluss der Regelung der RiStBV Anl. D, I. Nr. 3.4, die vorsieht, dass eine V-Person volljährig sein muss, ergibt sich mangels einer vergleichbaren Regelung für Informanten, dass als solche auch Minderjährige in Betracht kommen dürften.

2.4 Vertrauenspersonen (V-Personen)

Vertrauenspersonen gehören keiner Strafverfolgungsbehörde an und sind bereit, diese bei der Aufklärung von Straftaten auf längere Zeit vertraulich zu unterstützen, wobei ihre Identität grundsätzlich geheim gehalten wird (RiStBV Anl. D, I. Nr. 2.2). Die Voraussetzungen für den Einsatz sind dieselben wie die bereits bezüglich der Informanten erläuterten. Obwohl Vertrauenspersonen vergleichbar mit Verdeckten Ermittlern seitens der Strafverfolgungsbehörden oftmals in umfangreichen Ermittlungskomplexen gegen bestimmte Beschuldigte eingebunden werden, sind die §§ 110a ff. StPO auf diese nicht anwendbar.15 Vielmehr sind insofern die Regelungen i.S.d. §§ 161, 163 StPO ausreichend.16 Mangels weiterer gesetzlicher Vorschriften waren daher in der Vergangenheit bereits zahlreiche Konstellationen der Beweisgenerierung durch Vertrauenspersonen und deren Verwertbarkeit in der Hauptverhandlung Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung. So ist etwa die Zeugenaussage einer Vertrauensperson über Äußerungen von Angehörigen des Angeklagten auch dann als verwertbar angesehen worden, wenn die Angehörigen in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machten. Dies resultiert primär aus dem fehlenden Vernehmungscharakter der Handlungen einer Vertrauensperson.17 Eine weitere grundsätzliche Frage betrifft die Auswirkungen von durch Vertrauenspersonen im Rahmen der Ermittlungen begangener Straftaten für die, die V-Personen leitenden Polizeibeamten. Hiermit beschäftigt sich das im Folgenden zu erläuternde Urteil des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofes.

3 Urteil des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofes vom 22.12.202018


Dem 1. Senat hat in diesem Verfahren ein komplexer Sachverhalt vorgelegen, der nicht nur in rechtlicher Hinsicht, sondern bereits faktisch aufgrund der zahlreichen involvierten Personen erhebliche Probleme aufwies. Dieser wird demzufolge nur in dem Umfang wiedergegeben, in welchem es für die Darstellung der rechtlichen Probleme erforderlich ist.


Der Polizeibeamte K leitete bereits seit längerer Zeit die Vertrauensperson V im Rahmen eines „gefahrenabwehrrechtlichen Strukturermittlungseinsatzes“ bei der Motorrad-Rockergruppierung B. Der V berichtete dem K, die Rockergruppierung plane, unter seiner Mitwirkung mittels Lastkraftwagen in Dänemark Baumaschinen zu entwenden, um diese – unter Vortäuschen einer legalen Fracht – gewinnbringend im Kosovo zu veräußern. Diese Informationen fasste K innerhalb von zwei Monaten in fünf „VP-Berichten“ zusammen. Von dem geplanten Diebstahl benachrichtigte der K jedoch nicht die Staatsanwaltschaft. Auch holte K keine Entscheidung seiner Vorgesetzten über die geplante Beteiligung des V an der Fahrt nach Dänemark ein. Der K verbot V, einen der Lastkraftwagen zu fahren, vielmehr dürfte er die übrigen Täter nur begleiten. Kurz darauf wurde die Fahrt nach Dänemark durchgeführt, über deren Details K im Vorhinein von V informiert wurde. Der V begab sich kurz darauf mit zwei weiteren Mittätern nach Dänemark und entwendete dort unter anderem vier Bagger im Gesamtwert von rund 53.000 Ä. Hierbei führte der K abredewidrig einen mit drei Baggern beladenen Lastkraftwagen. Während der Fahrt informierte V den K regelmäßig über Standort und geplante Route. In der Oberpfalz wurden V und seine Mittäter festgenommen sowie der Lastkraftwagen samt Fracht beschlagnahmt. Der K erreichte im Folgenden bei der Staatsanwaltschaft die Freilassung des V und die Einstellung des gegen diesen geführten Ermittlungsverfahrens, indem er wahrheitswidrig angab, der V wäre nur der gutgläubige Fahrer gewesen.


Zunächst widmet sich der Senat der grundsätzlichen Frage, ob es Vertrauenspersonen gestattet sein könnte, im Rahmen Ihrer Tätigkeit für die Ermittlungsbehörden Straftaten zu begehen. Dies erscheint nicht zwingend ausgeschlossen. Denn eine RiStBV Anl. D, II. Nr. 2.2 S. 1 vergleichbare Regelung, welche kriminelle Handlungen durch Verdeckte Ermittler explizit untersagt, existiert bezüglich Vertrauenspersonen gerade nicht. Der Senat stellt jedoch ausdrücklich klar, dass aus der bloßen Eigenschaft als Vertrauensperson im Vergleich zu anderen Privatpersonen keinerlei zusätzliche Befugnisse einhergehen. Lediglich für den Umgang mit Betäubungsmitteln könnte auch für Vertrauenspersonen eine Befugnis aus § 4 Abs. 2 BtMG denkbar sein19, wobei ein diesbezüglicher Irrtum der Vertrauensperson gemäß § 17 StGB zu bewerten wäre.20 Ferner kann eine Strafbarkeit der Vertrauensperson wegen Anstiftung im Sinne des § 26 StGB nach den Grundsätzen der staatlichen Tatprovokation ausgeschlossen sein, da es insoweit an dem erforderlichen Vorsatz bezüglich der Beendigung der Haupttat fehlt. Hierauf wird in der folgenden Darstellung des Urteils des Landgerichts Berlin noch näher einzugehen sein.


Hinsichtlich einer Strafbarkeit des V führt der Senat aus, dass diesem angesichts seines Verhaltens der Enteignungsvorsatz im Sinne des § 242 StGB fehlte. Denn das Vorhaben des V zielte gerade darauf ab, die Bagger mit Hilfe der Polizeikräfte wieder an den Eigentümer auszuhändigen. In Bezug auf K scheidet eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung im Amt gemäß § 258a StGB aus. Zum einen fehlt es aus den genannten Gründen an einer Bezugstat des V. Zum anderen stellt der Senat klar, dass selbst, wenn der K von einer etwaigen Strafbarkeit des V ausgegangen sein könnte, eine Strafbarkeit des K über die Regelung des § 258 Abs. 5 StGB ausgeschlossen wäre. Denn diese greift auch ein, wenn die Befürchtung der eigenen Strafverfolgung des K wegen einer Beteiligung an einer vermeintlichen Haupttat des V unbegründet ist.21


Im Weiteren wird eine rechtskräftige Entscheidung des Land-gerichts Berlin dargestellt, die in beeindruckender Weise verdeut-licht, welche weitreichenden Möglichkeiten der Einsatz Verdeck-ter Ermittler und Vertrauenspersonen bei der Aufklärung erheblicher Straftaten den Ermittlungsbehörden zu bieten vermögen.


(Der Beitrag wird in der Kriminalpolizei 4/2021 fortgesetzt)

 

Endnoten

 

  1. Dr. Sören Pansa ist bei der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein und Dr. Marius Heller bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel tätig. Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Auffassung der Verfasser wieder.
  2. BGBl. I 3202ff.
  3. Vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 29. Januar 2021 – 1 Ws 2/21 –, zitiert nach juris.
  4. Vgl. etwa den gemeinsamen Runderlass des Ministeriums für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung sowie des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume und Integration vom 27. November 2017 – II 302/4100-307 SH-IV 433/1461 –; SchlHA 2017 Nr. 12, S. 458.
  5. Vgl. statt vieler BGH, Beschluss vom 20. Februar 2019 – StB 51/18–, NStZ-RR 2019, 280.
  6. Vgl. Nachweise unter https://www.landtag.ltsh.de/ausschuesse/1-parl-untersuchungsausschuss\.
  7. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1996 – 4 StR 499/96 –, NStZ 1997, 294.
  8. Vgl. statt vieler Schneider, NStZ 2004, 359 (365).
  9. BGH, Urteil vom 17. März 1983 – 4 StR 640/82 –, BGHSt 31, 304.
  10. BGH, Urteil vom 6. Februar 1996 – 1 StR 544/95 –, NJW 1996, 2108.
  11. Vgl. statt vieler BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 2011 – 2 BvR 236/08 –, BVerfGE 129, 208.
  12. BGH, Urteil vom 6. Februar 1996 – 1 StR 544/95 –, NJW 1996, 2108.
  13. BGH, Urteil vom 7. März 1995 – 1 StR 685/94 –, BGHSt 41, 64.
  14. Offengelassen: BGH, Urteil vom 6. Februar 1997 – 1 StR 527/96 –, NJW 1997, 1516.
  15. BGH, Urteil vom 22. Februar 1995 – 3 StR 552/94 –, BGHSt 41, 42.
  16. BGH, Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99 –, BGHSt 45, 321.
  17. BGH, Urteil vom 21. Juli 1994 – 1 StR 83/94 –, BGHSt 40, 211.
  18. BGH, Urteil vom 22.12.2020 – 1 StR 165/19 -, zitiert nach juris.
  19. Ebenfalls offengelassen von BGH, Urteil vom 5. Juli 1988 – 1 StR 212/88–, zitiert nach juris.
  20. Vgl. BGH, Urteil vom 7. März 1996 – 4 StR 742/95 –, NJW 1996, 1604.
  21. So auch BGH, Urteil vom 1. September 2020 – 1 StR 373/19 –, NStZ 2021, 236.