Recht und Justiz

„Ein Freund, ein guter Freund“

Von den Besonderheiten des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen (Teil 2)

4.2 Rechtmäßigkeit des Einsatzes der Verdeckten Ermittler im konkreten Fall

Im Weiteren wird die Rechtsmäßigkeit des VE-Einsatzes beleuchtet sowie die damit einhergehenden Möglichkeiten und Grenzen der Beweisgewinnung aufgezeigt.

 

4.2.1 Voraussetzungen des VE-Einsatzes

Die Voraussetzungen für den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers gem. § 110a Abs. 1 S. 4 StPO lagen vor. Mit dem Einsatz der Verdeckten Ermittler sollte ein Tötungsdelikt, also ein Verbrechen von herausragender Bedeutung, aufgeklärt werden. Zum Zeitpunkt des Antrags auf Zustimmung zu dem Einsatz der Verdeckten Ermittler lagen bereits zureichende konkrete Anhaltspunkte für ein Kapitalverbrechen vor. Andere Maßnahmen waren vor dem Hintergrund der langjährigen und unergiebig gebliebenen Ermittlungen nicht erfolgversprechend. Die nach §§ 110b Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S.1 StPO erforderliche staatsanwaltschaftliche und richterliche Zustimmung war eingeholt worden.

 

4.2.2 Kein Verstoß gegen §§ 163a Abs. 4, 136 Abs. 1 StPO direkt oder analog

Ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht liegt nicht vor. Die für eine Beschuldigtenvernehmung relevanten Vorschriften i.S.d. §§ 163a Abs. 4, 136 Abs. 1 StPO sind nicht unmittelbar anwendbar. Denn zum Begriff der Vernehmung im Sinne der Strafprozessordnung gehört, dass der Vernehmende der Auskunftsperson in amtlicher Funktion gegenübertritt und in dieser Eigenschaft von ihr Auskunft verlangt.5 Dies war durch VE-1 und VE-2 gerade nicht geschehen.


Auch eine analoge Anwendung der Vorschriften kommt nicht in Betracht. Sinn und Zweck des Belehrungsgebots ist es, den Beschuldigten vor der irrtümlichen Annahme einer Aussagepflicht zu bewahren, zu der er möglicherweise durch die Konfrontation mit dem amtlichen Auskunftsverlangen durch Richter, Staatsanwalt oder Polizeibeamten veranlasst werden könnte.6 Im Falle des Gesprächs mit einem Verdeckten Ermittler ist es aber gerade nicht die Autorität des Gesprächspartners, die den Beschuldigten zu einer Äußerung veranlassen könnte. Eine entsprechende Anwendung der Vorschriften lässt sich weder mit der Erwägung rechtfertigen, es habe eine „vernehmungsähnliche Situation“ vorgelegen, noch stellt das Verhalten des Verdeckten Ermittlers eine unzulässige Umgehung der §§ 163a Abs. 4, 136 Abs. 1 StPO dar.7 Vielmehr wird der Beschuldigte hierdurch nicht anders gestellt, als wenn er sich gegenüber einem Freund oder sonstigem Dritten offenbart und dabei darauf vertraut, dass dieser die belastenden Informationen für sich behält.8 Äußert sich ein Beschuldigter gegenüber einem Verdeckten Ermittler, realisiert sich wiederum lediglich das allgemeine Lebensrisiko, dass dieses in die Person gesetzte Vertrauen enttäuscht wird. Der Schutzzweck der Belehrungspflicht ist demgegenüber nicht betroffen.

 

4.2.3 Kein Verstoß gegen §§ 163a Abs. 4, 136a Abs. 1 StPO direkt oder analog

In der Befragung durch den Verdeckten Ermittlers liegt auch kein Verstoß gegen die – unmittelbar oder entsprechend angewandten – Regelungen der §§ 163a Abs. 4, 136a Abs. 1 StPO.9 Insbesondere stellt allein der Einsatz eines Verdeckten Ermittlers zur Erlangung eines Geständnisses keine Täuschung im Sinne des § 136a Abs. 1 S. 1 StPO dar.10 Der Begriff der Täuschung ist nach allgemeiner Meinung bereits zu weit gefasst, was sich aus einer systematischen, die anderen in § 136a Abs. 1 StPO aufgeführten verbotenen Mittel berücksichtigenden Betrachtung ergibt. Die verdeckte Befragung eines Beschuldigten lässt sich nicht mit der Beeinträchtigung der Willensentschließungsfreiheit durch Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln oder Quälerei vergleichen.11 Der Irrtum des Beschuldigten über die Person des Verdeckten Ermittlers sowie dessen Absichten ist unerheblich, da die Identitätstäuschung (Legende) gerade Bestandteil des grundsätzlich zulässigen Einsatzes eines VE ist. Das Täuschungsverbot des § 136a StPO wird durch die Vorschriften der §§ 110a ff StPO insoweit suspendiert.12 Im Übrigen gilt der § 136a StPO sowohl für Verdeckte Ermittler wie auch Vertrauenspersonen uneingeschränkt. Anders ist dies nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei der Entgegennahme von Informationen durch private Dritte. Es stellt demnach keinen Verstoß gegen §§ 163a Abs. 4, 136a Abs. 1 StPO dar, wenn eine Privatperson unter Verheimlichung ihres Ermittlungsinteresses einen Tatverdächtigen dazu veranlasst, mit ihr ein Gespräch zu führen.13 Ebenso wenig führt allein die Entgegennahme von belastenden Informationen durch die Ermittlungsbehörden zu einem Beweisverwertungsverbot.14 Verwertbar ist etwa die Verwertung der Aussage eines Mitgefangenen, der aus eigenem Antrieb den ebenfalls inhaftierten Tatverdächtigen dazu veranlasst, die vorgeworfene Tat zu gestehen und zu schildern.15 Entscheidend ist dabei allerdings, dass den Strafverfolgungsbehörden dieses Verhalten nicht zugerechnet werden kann, da die Privatperson zur Sachaufklärung von ihnen nicht eingesetzt wurde, sondern vielmehr von sich aus handelte. Davon zu unterscheiden sind die – regelmäßig unzulässigen – Konstellationen, in denen die Strafverfolgungsbehörden das Aushorchen innerhalb einer JVA initiieren, sei es durch einen Verdeckten Ermittler oder auch durch einen Informanten.16


Fraglich ist, was im Einzelfall (noch) von einer zulässigen „legendenbedingten“17 Täuschung umfasst ist. Das Thüringer Oberlandesgericht erachtete in einer Entscheidung aus dem Jahr 2019 restriktiv lediglich die reine Identitätstäuschung, also das Annähern des Verdeckten Ermittlers unter einer Legende und das Verschweigen der Zugehörigkeit zu den Strafverfolgungsorganen, für zulässig.18 Über die Nutzung der Legende hinausgehende Täuschungen seien hingegen nicht erlaubt.19 Demgegenüber toleriert der 5. Senat in der vorliegenden Entscheidung weitaus mehr. Das Geständnis hatte der A dem VE-2 gegenüber letztlich abgegeben, weil zuvor der vorgetäuschte Plan, die Freundin des VE-2 umzubringen, wiederholt thematisiert worden war. Der A wollte den VE-2 mit seinen Äußerungen hinsichtlich der Tötung der G davon überzeugen, dass er zu einer solchen Tat bereit ist. Über eine reine Identitätstäuschung im Rahmen der Ermittlungen unter einer Legende geht dieses Vorgehen deutlich hinaus.


Richtigerweise ist der Umfang der zulässigen „legendenbedingten“ Täuschung im Einzelfall und insbesondere vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu bestimmen.20 Zu berücksichtigende Kriterien sind neben dem Gewicht der verfahrensgegenständlichen Tat (hier: Mord) auch der Umstand, dass die Begehung von Straftaten tatsächlich weder vorgesehen noch möglich war (mangels Existenz einer Freundin des VE-2). Auch eine Tatgeneigtheit des Beschuldigten in betreffenden Bereichen ist für die Bestimmung des Umfangs der zulässigen legendenbedingten Täuschung von Relevanz. Im Fall des Landgerichts Berlin war der A u.a. bereits 2012 wegen einer sexuellen Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Jugendlichen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Hervorzuheben ist überdies, dass es der A war, der erstmalig die „Erledigung“ der Freundin des VE-2 ansprach, nachdem dieser mitgeteilt hatte, Probleme mit ihr zu haben. Unter Berücksichtigung des Tatvorwurfs sowie der Tatgeneigtheit der Zielperson in entsprechenden Bereichen ist die Vortäuschung der Begehung von Straftaten im Rahmen des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern demnach grundsätzlich zulässig.21