Recht und Justiz

Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (Teil 1)

Von Prof. Dr. Dennis Bock und Cathrin Lebro, Kiel

5.2 Kritik

Die Einführung des § 184j StGB ist auf massive Kritik gestoßen. Neben dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit mit Blick auf mögliche Verstöße gegen das Schuldprinzip und die mangelnde Bestimmtheit der Norm84 sowie der Betreibung reiner „Symbolpolitik“85 wird zudem angesichts des fehlenden spezifischen Bezugs des vom Täter begangenen Unrechts zur sexuellen Selbstbestimmung auf die systemwidrige Platzierung86 im 13. Abschnitt hingewiesen. Insofern wird für die Streichung der Vorschrift aus dem 13. Abschnitt des StGB plädiert.87

 

6 Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahme, § 184k StGB


§ 184k StGB stellt die Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen unter Strafe und bezweckt den Schutz des Rechts, selbst darüber zu entscheiden, ob und in welcher Weise man durch Abbildung intimer Körperpartien zum Gegenstand sexuell konnotierter Betrachtung anderer gelangen will.88 Obgleich der Tatbestand stark an die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen gem. § 201a StGB angelehnt ist, erfolgte die Einstellung im 13. Abschnitt aus Rücksichtnahme auf das Empfinden der Betroffenen und aus generalpräventiven Gründen.89

Ziel des Gesetzgebers war es, das sog. Up- und Downskirting (unter den Rock / in die Bluse fotografieren) und ähnliche Verhaltensweisen zu pönalisieren.90

6.1 Strafrechtliche Bewertung nach der vorherigen Rechtslage

Nach der vorherigen Rechtslage erfüllte ein solches Verhalten i.d.R. keinen Tatbestand des StGB, allenfalls wurde eine Ordnungswidrigkeit nach § 118 OWiG (Belästigung der Allgemeinheit) verwirklicht.91 So setzt eine Strafbarkeit nach § 184i StGB eine körperliche Berührung voraus (s.o.), woran es hier fehlt.

Auch eine Strafbarkeit wegen Beleidigung nach § 185 StGB kommt nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht. Tatbestandlich erfordert eine Beleidigung die Kundgabe einer Geringschätzung, der Nicht- oder Missachtung.92 Das i.d.R. heimliche Vorgehen des Täters weist indessen keinen Erklärungswert auf, er möchte vom Opfer gerade nicht bemerkt werden. Auch ist die Beleidigungsqualität des Verhaltens fraglich, da die zwar ohne Zweifel schwere Taktlosigkeit ohne das Hinzutreten weiterer ehrenrühriger Umstände keine herabsetzende Bewertung des Opfers darstellt.93 Zuletzt wird es regelmäßig an der Idenitifizierbarkeit des Opfers fehlen. Entgegen der früheren Rspr. besteht heute zudem Einigkeit, dass § 185 StGB keinen Auffangtatbestand mit Lückenbüßerfunktion für sexuell konnotierte Handlungen bilden darf.94

Möglich erscheint noch die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen gem. § 201a StGB. Die Vorschrift setzt jedoch die Bildaufnahme einer Person in einer geschützten, dem höchstpersönlichen Lebensbereich unterfallenden Räumlichkeit voraus.

Tatsächlich ereignen sich die meisten Fälle des Up- oder Downskirtings dagegen in der Öffentlichkeit. Zudem fehlt es regelmäßig an der hinreichenden Identifizierbarkeit der abgebildeten Person.95

6.2 Tatbestand

6.2.1 Objektiver Tatbestand

Produkt der Tat nach § 184k I Nr. 1 StGB und Gegenstand der Taten nach § 184k I Nr. 2, 3 StGB sind Bildaufnahmen des Intimbereichs einer anderen Person (Genitalien, Gesäß, weibliche Brust oder die diese Körperteile bekleidende Unterwäsche). Das Delikt enthält drei verschiedene Tatmodalitäten, die im Wesentlichen denen der § 201a I Nr. 1, 4 und 5 nachgebildet sind.96

§ 184k Nr. 1 StGB betrifft das Anfertigen der Bildaufnahmen sowie das Streamen von Videoaufnahmen, Nr. 2 das Gebrauchen (z.B. speichern, kopieren)97 oder Zugänglichmachen für Dritte (z.B. durch Einstellen in geschlossene oder öffentliche Internetplattformen, Chatgruppen etc.)98 einer unbefugt hergestellten Aufnahme und Nr. 3 das Zugänglichmachen einer befugt hergestellten Aufnahme.

Der Täter muss die Tathandlung jeweils unbefugt vorgenommen haben. Das Tatbestandsmerkmal entfällt bei einer ausdrücklichen oder konkludenten Einwilligung der abgebildeten Person.99 Diese bezieht sich im Falle der Nr. 1 auf die Herstellung oder Übertragung, im Falle der Nr. 2 und 3 auf das Gebrauchen bzw. Zugänglichmachen. Der Vorgang des Sich-Verschaffens muss bei § 184k I Nr. 3 StGB nicht unbefugt erfolgt sein.100

6.2.2 Subjektiver Tatbestand

In subjektiver Hinsicht erfordern die Tatalternativen des § 184k I Nr. 1 StGB dolus directus 1. oder 2. Grades hinsichtlich sämtlicher objektiver Tatbestandsmerkmale. Auf weitergehende, insbes. sexuelle Motive kommt es dagegen nicht an.101 In den übrigen Fällen sind keine besonderen Anforderungen an den Vorsatz des Täters zu stellen.102

6.3 Sonstiges

§ 184k II StGB normiert ein relatives Strafantragserfordernis, § 184k III StGB schließt sozialadäquate Verhaltensweisen vom Tatbestand aus. § 184 IV StGB eröffnet die Möglichkeit zur Einziehung der vom Täter verwendeten Bildträger, Bildaufnahmegeräte oder anderer technischer Mittel.


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