Vom Überwinden des Profilzylinderschlosses

Von ORR Ass. jur. Frank Grantz, Altenholz

 

1 Allgemeines

 

Ausweislich der polizeilichen Kriminalstatistik aus dem Jahre 2018 ist es in dem genannten Beobachtungszeitraum zu 97.504 Fällen von Wohnungseinbrüchen gekommen.2 Ein großer Teil dieser Wohnungseinbrüche erfolgt regelmäßig durch das gewaltsame Überwinden von Fenstern und Türen mittels Hebel- und Brechwerkzeugen, jedoch auch das Angehen von Schließzylindern stellt einen gängigen Modus operandi dar.3 Die Sicherheitsindustrie hat inzwischen reagiert und verschiedenste Optimierungsmöglichkeiten zum Schutz gegen Angriffe gegen den Schließmechanismus von Türen und Fenstern entwickelt, jedoch werden diese Möglichkeiten – oftmals wegen des hohen Kostenfaktors – nicht genutzt. In diesem Beitrag sollen die Besonderheiten in Zusammenhang mit dem intelligenten und gewaltsamen Überwinden von Schließzylindern dargestellt werden. Hierzu werden zunächst die Grundlagen zu Schloss und Schlössern dargestellt, deren Aufbau und Funktion erläutert um sodann an den besonders häufig verwendeten Profilzylindern, beispielhaft, die gängigen Angriffsmodalitäten und deren kriminaltechnische Bedeutung im Überblick darzustellen.

 

2 Das Schloss und der Schließzylinder

2.1 Grundlagen

Je nach Bedarf gibt es unterschiedliche Schlossarten, wobei die gängigsten die Buntbartschlösser, die Profilzylinderschlösser und Schlösser mit Drehgriffen, die häufig für Bad- und WC-Türen oder als Garagenschlösser verwendet werden, sind. Regelmäßig wird heute das genormte sog. Einsteckschloss verbaut. Dabei handelt es sich um eine Metallkassette, in der sich die gesamte Mechanik zum Entriegeln und Schließen des Türschlosses befindet. Die wichtigsten Elemente des Einsteckschlosses sind die Falle, der Riegel, die Nuss sowie je nach gewählter Schlossart die passende Schlossbohrung, über die dann der Riegel betätigt wird.


Für Innenräume wird recht oft das Buntbarteinsteckschloss verwendet, bei welchem das Schloss und der Sperrmechanismus eine Einheit bilden. Die Sicherheit am Buntbartschloss ergibt sich allein aus der Form des Schlüssellochs, welche das Einführen eines anders geformten Schlüsselbarts verhindert. Ihren Namen haben Buntbartschlösser von den verschiedenen „bunten“ (d.h. vielgestaltigen) Schlüsselformen. Sowohl die Form des Schlüssels als auch die vom Schlüsselloch erinnern dabei an einen wellenförmigen Bart.


Das (Profil-)Zylinderschloss ist das Standardschloss für Haus- und Wohnungseingangstüren sowie Bürotüren. Das Zylinderschloss unterscheidet sich vom Buntbartschloss u.a. dadurch, dass Schloss und Sperrmechanismus getrennt voneinander sind. Der Zylinderkern bezeichnet dabei den drehbaren Teil des Schließzylinders, also den Bereich in den man den Schlüssel einsteckt. Durch die Drehung des Schlüssels wird der Haltemechanismus im Steckschloss betätigt und die Bewegung des Riegels ausgelöst. Bei der Wahl des richtigen Schließzylinders kommt es letztlich auf die Art der Tür an.


Der sog. Doppel- oder auch Profilzylinder ist der gängigste aller Zylinder. Hier kann man von beiden Seiten mit einem Schlüssel schließen, bei Bedarf auch wenn der Schlüssel von der Außenseite aus steckt. Profilzylinderschlösser ermöglichen die Trennung von Schloss und Sperrmechanismus. Während das Schloss die eigentliche Verriegelung bewirkt, übernimmt der Schließzylinder die Funktion des Antriebs des Riegels und die Sicherung des Schließmechanismus gegen unerlaubte Öffnungsversuche bzw. fremde Schlüssel. Um verstehen zu können wie der Schließmechanismus funktioniert, muss man wissen, wie der Zylinderkern des Haustürschlosses aufgebaut ist, also der Bereich in den man den Schlüssel einsteckt. Im Inneren eines Profilzylinders befinden sich federgelagerte, geteilte Stifte, die den Zylinderkern blockieren. Dieser kann nur gedreht werden, wenn ein Schlüssel mit passendem Profil eingeführt wird. Die Schließnase – ein Hebel am Zylinderkern – dreht sich mit und greift in die Schlossmechanik, sodass Falle und Riegel zurückgezogen werden.


Neben dem Profilzylinder gibt es noch die Möglichkeit der Verwendung von Knauf-, Halb-, Hebel- und Außenzylindern. Beim Knaufzylinder wird der Zylinder von der Innenseite der Wohnung über einen Knauf bedient und ist somit immer schließbar.


Der Halbzylinder ist nur von einer Seite, nämlich von außen zu schließen und wird vornehmlich für Garagentore, Schlüsselkästen oder Ähnliches verwendet. Der Hebelzylinder öffnet und schließt mittels eines Hebels. Es gibt hier verschiedenste Arten an Hebeln für die unterschiedlichsten Einsatzszenarien. Der Außenzylinder schließlich ist für den Einsatz in Kasten oder auch Zusatzschlössern gedacht, welche von innen an der Tür verschraubt sind. Das Kastenschloss wird durch eine Metallzunge mit dem Zylinder verbunden.

2.2 Das Überwinden von Schließzylindern

Das Überwinden von Profilzylindern geschieht in der Regel gewaltsam und/oder durch ein mehr oder weniger geschicktes Überwinden des eigentlichen Schließmechanismus („intelligentes Picking“). Je nach Angriffsart bestehen dabei auch unterschiedliche Möglichkeiten des Schutzes. Die einfachste Methode, einen Profilzylinder zu überwinden, besteht darin, ihn mit einem Hebelwerkzeug zu brechen. Außen- und Innenzylinder sind in der Schlossmitte durch einen sehr schwachen Steg verbunden. Mithilfe eines geeigneten Werkzeugs, das kann eine Zange oder eine Schlossschablone mit Hebel oder Ähnliches sein, kann der Doppelzylinder dort mittels Hebelkraft durchgebrochen und herausgenommen werden. Dadurch wird der Verriegelungsmechanismus des Einsteckschlosses zugänglich und kann problemlos beseitigt werden. Ebenfalls mit mechanischer Gewalt können Schlösser mit sog. Ziehwerkzeugen überwunden werden. Hierbei wird eine Zugschraube in den Schlüsselkanal eingedreht und der Zylinder bzw. der Zylinderkern unter Ausnutzung der Hebelgesetze mittels zweier Schrauben herausgezogen. Eine weitere, gewaltsame Überwindung des Profilzylinders ist das sogenannte Aufbohren. Hierbei werden die Zuhaltungsstifte an der Trennlinie zwischen Zylinderkern (drehbarer Teil) und Gehäuse zerstört. Dadurch wird der Zylinderkern nicht mehr blockiert und kann geschlossen werden. Neben diesen gewaltsamen Angriffsmethoden gibt es auch solche, die durch den „intelligenten“ Einsatz von Werkzeugen den Schließmechanismus des Profilzylinders überwinden. Eine recht einfache und nur sehr schwer nachweisbare Methode ist das Überwinden der Schließmechanismus durch das Nachschließen. Dieses erfolgt mit Nachschlüsseln, die durch das klassische Anfertigen mittels Abtastens durch Schlüsselfräsmaschine aber auch über das Fertigen einer Kopie durch Abformung des Originalschlüssels in einer plastischen Masse oder mit der Code Sicherheitsnummer erfolgen. Auch das Erstellen eines Nachschlüssels im 3 D-Druckverfahren ist grundsätzlich möglich.



Als „intelligentes“ Schlossöffnen wird auch das sog. „Lock-Picking“ bezeichnet, was gerne auch in Kriminalfilmen (in der Regel allerdings falsch) gezeigt wird. Es handelt sich hierbei um eine Manipulation der Kern- und Gehäusestifte durch die Anwendung von Spannern und speziell geformten Werkzeugen („Picks“). Zunächst wird der Spannschlüssel in den Schlüsseleingang geführt und der Zylinder ein Stück nach links oder rechts (abhängig von der Richtung, in der sich das Schloss öffnet) gedreht. Durch diesen Druck bleiben die Stifte stecken. Sie fallen also nicht in ihre alte Position zurück. Mit dem Hook-Pick dringt man nun in den Schlüsselkanal des Schlosskerns ein und drückt die darin enthaltenen Stifte hinunter (das sog. „Setzen“), wofür im Normalfall die Vertiefungen auf der gezackten Seite eines Schlüssels sorgen. Um den Kern des Schließzylinders zu drehen und damit die Verriegelungsmechanik des Türschlosses zu bewegen, also das Schloss zu öffnen, benutzt man dann wieder den Spanner.


Neben dem Setzen ist auch die Verwendung eines Elektro-Picks möglich. Das Prinzip beruht hierbei auf dem Perkussionsprinzip bzw. dem sog. „Prellschuss-Effekt“. Man benötigt dazu einen Elektro-Pick, einen Tensionshaken und einen sog. „Flipper“. Der Elektro-Pick hat eine Stahlfederspitze (Stahlnadel), die von einem Elektromotor in Schwingungen versetzt wird. Die Frequenz beträgt rund 450 Takte pro Minute. Die Stahlnadel wird in den Schlüsselkanal eingeführt, wodurch die Sicherheits-Stifte in schwingende Auf- und Abbewegungen versetzt werden. Hierdurch erhalten dann alle Kernstifte gleichzeitig einen Impuls, den diese an die Gehäusestifte weitergeben, die nun in das Gehäuse geschleudert werden und die Kernstifte selbst für sehr kurze Zeit in freier Schwebe verweilen lassen. Diesen kurzen Moment, in dem das Schloss nicht verriegelt ist, weil zwischen Kern- und Gehäusestiften ein Spalt klafft, nützt man aus und öffnet es.


Eine weitere Überwindungsmöglichkeit ist die Schlagtechnik, die ebenfalls sehr einfach anzuwenden ist. Bei der Schlagtechnik macht man sich ebenso wie beim Elektro-Picking die Perkussionsmethode zu Nutze. Ein Schlagschlüssel ist ein spezieller Schlüssel(-rohling), im Englischen auch „Bump Key“ genannt, dessen Profil für das entsprechende Schloss grob passend und auf die tiefsten Stellen gefräst ist, so dass die Stifte im Schloss ein wenig heruntergedrückt werden. Der für den Schlosstyp passende Schlagschlüssel kann somit einfach in den Schlosseingang eingeführt werden. Wird nun mit dem Hammer leicht auf den Schlüssel geklopft, werden die Stifte durch das gleiche Prinzip wie bei einem Elektro-Picking bewegt und der Zylinder kann geschlossen werden.

 

3 Schutzmöglichkeiten und Ausblick


Die o.g. Ausführungen haben gezeigt, dass es mit entsprechenden Mitteln recht einfach ist, den Schließmechanismus eines gängigen Profilzylinders mit Gewalt oder durch den Einsatz intelligenter Öffnungstechniken zu überwinden. Ein 100-prozentiger Einbruchsschutz ist zwar nie zu gewährleisten, jedoch gibt es diverse Möglichkeiten, sich gegen einen derartigen Angriff zu wehren. Zudem kann eine fachgerechte Spurensuche und -sicherung einen großen Beitrag zur Aufklärung solcher Straftaten leisten.

3.1 Schutzmöglichkeiten gegen Überwindung

Grundsätzlich sollten bei Wohn- und Haustüren Profilzylinder von hoher Qualität verwendet werden. Je nach Schutzstandard sind die Komponenten so gewählt, dass die gängigen Überwindungsmöglichkeiten erschwert werden. Um das Nachschließen zu vermeiden, sollten grundsätzlich nur Zylinder mit einer Sicherungskarte verwendet werden, da nur mit dieser Karte entsprechende Nachschlüssel gefertigt werden können. Um das intelligente Öffnen zu erschweren bieten Schließzylinder der Sicherheitsstufe 2, neben den regulären fünf bis sechs senkrechten Gehäusestiften zusätzlich eine seitliche Abtastung für Schlüssel in Form von Fingerstiften. Das Setzen der Stifte allein reicht damit zur Überwindung nicht mehr aus. In Zylindern mit VdS-Zertifikat werden jeweils mehrere Stiftreihen mit bis zu neun innenliegenden Stiften eingebaut. Zudem werden die ersten Stifte aus gehärtetem Stahl gefertigt, was ein Aufbohren wesentlich erschwert. Aber auch schon die Verwendung der richtigen Beschläge kann den Schutz verbessern. Wenn die Beschläge so gewählt werden, dass der Kopf des Schließzylinders nicht herausragt, fehlt bereits ein „Hebelansatz“ für das Öffnen mittels Knickstab.

3.2 Kriminaltechnische Bedeutung der Spurensuche und -sicherung

Während ein gewaltsames Überwinden des Profilzylinders in der Regel mit einem einschlägigen Spurenbild einhergeht, ist es für den Geschädigten im Falle des intelligenten Öffnens oder des Nachschließens sehr wichtig, ein solches Vorgehen der Versicherung nachzuweisen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Originalschlüssel und nachgefertigte Schlüssel verschiedene Spurenbilder erzeugen, die nachgewiesen werden können; so weicht bspw. ein Nachschlüssel regelmäßig in Kleinigkeiten vom Originalschlüssel ab und hinterlässt entsprechende Spuren. Auch das mechanische Abtasten des Originalschlüssels in einer einfachen Schlüsselfräsmaschine führt zu typischen, nachweisbaren Spuren, sofern dieses nicht durch moderne Lasertechnik erfolgte. Beim schlichten Abformen können bspw. Reste der Abformmasse im Mikrobereich am Originalschlüssel haften bleiben und dort nachgewiesen werden. Auch das „Lock-Picking“ hinterlässt im Regelfall Spuren, denn die verwendeten Picks sind regelmäßig aus Metall. Wenn diese dann auf die Metallgehäusestifte im Zylinder treffen, sind zumindest Mikrospuren möglich. Bei entsprechenden Verdachtslagen sollte das Schloss daher immer vorsichtig ausgebaut und der kriminaltechnischen Untersuchungsstelle zugeleitet werden.

 

Anmerkungen

 

  1. Der Autor ist hauptamtlicher Dozent für die Studienfächer Verfassungsrecht/Eingriffsrecht, Kriminalistik und Kriminaltechnik im Fachbereich Polizei der FHVD Schleswig-Holstein.
  2. Polizei­liche Kriminal­statistik (PKS): https://bit.ly/3aIsMOm
  3. Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V., Forschungsbericht Nr. 124, 2014, S. 35

 

Weitere Informationen

 

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