Kriminalität

Phänomenologische Betrachtung des Wohnungseinbruchs

Von KD Christoph Frings, Duisburg

6 Täter


Delikte des schweren Diebstahls und des Wohnungseinbruchs werden überwiegend von männlichen Tätern begangen. 2018 betrug der Anteil der männlichen Tatverdächtigen an allen Delikten des schweren Diebstahls 87,3% und an allen Wohnungseinbrüchen 85,2%. Hier hat es in den letzten Jahren keine großen Veränderungen gegeben.19 Obwohl es sich bei den Tätern hauptsächlich um Männer handelt, meidet der Wohnungseinbrecher grundsätzlich den Kontakt zum Opfer und flieht, wenn er bei der Tatausführung gestört wird.

 


Abb. 10: Entwicklung der Altersstruktur der Tatverdächtigen beim Wohnungseinbruch im Bundesgebiet 1998 –201820.

 


Abb. 11: Entwicklung des Anteils der nichtdeutschen Tatverdächtigen beim Wohnungseinbruch im Bundesgebiet 1998 – 201821.


Die Zeitreihe zeigt deutlich, dass sich die Altersstruktur der ermittelten Tatverdächtigen im Bereich des Wohnungseinbruchs deutlich verändert hat. Waren in dem Zeitraum von 1998 bis 2004 noch ca. 45% der Tatverdächtigen unter 21 Jahre alt und ca. 55% der Tatverdächtigen Erwachsene, so waren 2018 77,6% der Tatverdächtigen Erwachsene und nur noch 22,4% der Tatverdächtigen unter 21 Jahre alt. Eine ähnliche Entwicklung ist in der Altersstruktur der ermittelten Tatverdächtigen beim Tageswohnungseinbruchsdiebstahl zu beobachten.

Im Jahr 2018 lag der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen an der Zahl aller ermittelten Tatverdächtigen (ohne Berücksichtigung ausländerrechtlicher Verstöße) bei 30,5%.22 Auffällig ist bis zum Jahr 2016 die kontinuierliche Zunahme des Anteils der nichtdeutschen Tatverdächtigen auf einen Wert von über 51% beim Tageswohnungseinbruch bzw. 42,5% beim Wohnungseinbruch. Die Werte sind dann wieder gesunken auf 46,2% beim Tageswohnungseinbruch und 39% beim Wohnungseinbruch im Jahr 2018. Zeitlich fällt das Absinken des Anteils der nichtdeutschen Tatverdächtigen mit der Schließung der sog. „Balkanroute“ zusammen. U.a. errichtete zunächst Ungarn einen Grenzzaun zu Serbien und Österreich sowie Deutschland führten an der Südgrenze Grenzkontrollen ein. Diese Maßnahme führte dann zu weiteren Grenzsicherungsmaßnahmen der Nachbarstaaten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit erschweren diese Grenzsicherungsmaßnahmen mobilen ausländischen Tätergruppen die Einreise nach Deutschland und tragen somit zum Absinken der Fallzahlen bei. Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist einige stärker belastete Personengruppen speziell aus. Zur besseren Übersicht soll die Aufschlüsselung der Nichtdeutschen Tatverdächtigen in zwei separaten Diagrammen erfolgen. Auch wenn nur etwa jeder sechste Wohnungseinbruch durch die Polizei aufgeklärt wird, so sind insgesamt 5.078 ermittelte nichtdeutsche Tatverdächtige doch eine ausreichend große Personengruppe für weitere Einzelbetrachtungen.

 


Abb. 12: Aufschlüsselung des Anteils der nichtdeutschen Tatverdächtigen beim Wohnungseinbruch im Bundesgebiet23.


Der Anteil Täter türkischer Staatsangehörigkeit beträgt 7% im Jahr 2018, jedoch macht diese Bevölkerungsgruppe mit fast 1,5 Mio. die größte ausländische Bevölkerungsgruppe in Deutschland aus. Mit über 860.000 Menschen sind polnische Staatsangehörige die zweit größte Bevölkerungsgruppe und rumänische Staatsangehörige mit fast 700.000 Einwohnern die viertgrößte Bevölkerungsgruppe. Die drittstärkste Gruppe der ausländischen Wohnbevölkerung stellen Syrer dar mit ca. 745.000 Personen.24 Ihr Anteil an den nichtdeutschen Tatverdächtigen beim Wohnungseinbruch beträgt allerdings lediglich 3,7%.

Im Jahr 2015 stellten Tatverdächtige mit serbischer Staatsangehörigkeit mit 13,9% die größte Personengruppe der nichtdeutschen Tatverdächtigen. Der Anteil der serbischen Bevölkerung in Deutschland liegt lt. dem Statistischen Bundesamt derzeit bei ca. 231.000 Personen. Der Anteil Tatverdächtiger mit serbischer Nationalität ist dann bis 2018 auf 8,5% gefallen. Hier mag ein Zusammenhang mit der „Schließung der Balkanroute“ bestehen. Dies scheint aber statistisch keine Auswirkung auf den Anteil von Tatverdächtigen mit albanischer Staatsangehörigkeit zu haben. Dieser Anteil liegt seit 2015 bei konstant ca. 10%. Dieser Wert ist auffällig bei ca. 56.000 albanischen Staatsangehörigen in Deutschland und einer Gesamteinwohnerzahl in Albanien von unter 3 Mio. Einwohnern.

 

7 Zusammenfassung


Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass professionelle Täter eine höhere Beute erlangen als Gelegenheitstäter. Insbesondere die Erbeutung von Schmuck durch professionelle Einbruchsbanden treibt die Schadenssummen in die Höhe. Professionelle Tätergruppen bevorzugen, dass Aufhebeln von rückwärtigen Fenstern und Balkontüren als bevorzugte Arbeitstechnik. Bevorzugt angegangen werden Einfamilienhäuser aber auch Erdgeschosswohnungen. Für die Tatortauswahl der Täter ist ein entscheidendes Kriterium, dass der Einstiegsbereich möglichst gegen Einsicht gedeckt ist.

Seit 1981 ist ein stetiger Anstieg der Einbruchsversuche zu beobachten. Fraglich ist, ob dies nur auf eine bessere Gebäudesicherung alleine zurückgeführt werden kann oder nicht auch Hinweis auf eine teilprofessionelle, zeitoptimierte Arbeitsweise professioneller Täter sein könnte. In den sog. „dunklen Monaten“, also dem Zeitraum etwa zwischen St. Martin und kurz nach Aschermittwoch ereignen sich die meisten Einbruchsdelikte und nicht in der „hellen“ Haupturlaubszeit im Sommer.

 

 


Abb. 13: Aufschlüsselung des Anteils der nichtdeutschen Tatverdächtigen beim Wohnungseinbruch im Bundesgebiet25.


Der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen und der Anteil erwachsener Täter ist etwa ab 2002 bis 2015 deutlich angestiegen, seit 2006 sind zudem die Fallzahlen der Wohnungseinbruchs bis 2015 erheblich gestiegen. Seit 2016 sind dann die Fallzahlen und der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen wieder deutlich gefallen. Dies ist eine deutliche Parallelität zur Schließung der sog. „Balkanroute“ im Herbst 2015. Offenbar ist der deutliche Anstieg der Fallzahlen im Bereich des Wohnungseinbruchs zu einem wesentlichen Teil auf (professionelle) südosteuropäische Tätergruppierungen zurückzuführen, die zur Begehung dieser Taten für einen beschränkten Zeitraum nach Deutschland eingereist sind. Wenn jedoch Grenzsicherungsmaßnahmen (u.a. Grenzkontrollen an der deutschen Grenze zu Österreich) entsprechenden Tätergruppen die „Arbeit erschweren“ scheint der Ausgleich für den Entfall der Grenzkontrollen nach Einführung des „Schengen-Raums“ und weiterer EU-Reiseerleichterungen noch nicht vollumfänglich gelungen zu sein.

Die Polizei hat den Wohnungseinbruch und den schweren Diebstahl als einen polizeilichen Handlungsschwerpunkt erkannt und hier Kräfte gebündelt. Aufgrund der besonderen Auswirkungen auf das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung eine richtige Schwerpunktsetzung. Jedoch darf das Absinken der Fallzahlen im Bereich der Gesamtkriminalität und des Wohnungseinbruchs nicht dazu führen, dass kein Handlungsbedarf mehr in diesem Handlungsfeld gesehen wird. Ein Rückgang polizeilicher Aktivität in diesem Handlungsfeld wird mittelfristig wieder zu einem Anstieg der Fallzahlen führen. Zudem stehen weitere, personalintensive, neue Handlungsfelder, die Personalkräfte in hoher Zahl und für längere Zeit binden, wie Clan-Kriminalität, politisch motivierte Kriminalität und die Bekämpfung des Handels mit Kinderpornografie an.

 

8 Exkurs: Haftsachenbearbeitung


Bei der Festnahme von tatverdächtigen Personen schließt sich für die Fachkommissariate der Kriminalpolizei regelmäßig die Bearbeitung der Haftsache an. Eine Möglichkeit zur Steigerung der Aufklärungsquote ist die Optimierung der Haftsachenbearbeitung.

8.1 Vorbemerkungen

Die Ausklärungsquote von 15,4% im Bereich des schweren Diebstahls sowie von 18,1% im Jahre 201826 sind, wie bereits zuvor festgestellt, nicht gerade ein Aushängeschild für eine erfolgreiche Ermittlungsarbeit der Polizeibehörden. Die Delikte des schweren Diebstahls können auch als die sog. „schwer aufklärbare Delikte“27 bezeichnet werden. Gemeinhin fehlt es für eine hohe Aufklärungsquote der Polizei an entsprechenden Täter-Opfer-Vorbeziehungen (d.h. Täter ist vielfach dem Opfer namentlich bereits bekannt) oder an brauchbaren Personenbeschreibungen durch Opfer und Augenzeugen der Tat. Erkenntnisse aus der polizeilichen Kriminalstatistik zu „dem Wohnungseinbrecher“ sind bekanntlich grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen, denn das Dunkelfeld (der nicht aufgeklärten Taten) ist wesentlich größer als das Hellfeld (der aufgeklärten Taten). Erfahrungen aus der polizeilichen Praxis zeigen jedoch, dass der Wohnungseinbruch grundsätzlich kein Einstiegsdelikt ist und Wohnungseinbrecher eher Serientäter und keine Einzeltäter sind.

Nach einer Auswertung der kriminologischen Forschungsstelle des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen ist bei den Wohnungseinbrüchen eine auffällige Konzentration von Taten professioneller Tatverdächtiger in den Wintermonaten zu beobachten.28 Andererseits gibt es nach wie vor auch örtliche Täter und „Einstiegstäter“, die ihr Tätigkeitsfeld wechseln und jetzt im Bereich des Wohnungseinbruchs aktiv sind. Zur Steigerung der Aufklärungsquote verbleiben daher u.a. folgende Wege:

 

  • Optimierung der polizeilichen Tatortarbeit um das Spurenaufkommen und die Qualität der gesicherten Spuren zu verbessern.
  • Konsequenter Abgleich gesicherter Tatortspuren mit entsprechenden Spurensammlungen zur Herstellung von Tat-Tat und Tat-Täterzusammenhängen.
  • Intensivierung der Ermittlungen zur Diebesbeute sowie möglichen Absatzwegen.
  • Optimierung der Haftsachenbearbeitung bei festgenommenen Tätern.


Im Rahmen dieser Ausführungen soll ausschließlich die Haftsachenbearbeitung behandelt werden. Ziel eines Ermittlungsverfahrens ist die Erforschung aller tatbestandsmäßigen Umstände, die für eine Beurteilung und spätere Aburteilung der Tat relevant sind. Das Ziel der polizeilichen Haftsachenbearbeitung kann daher nicht nur darin liegen, einen festgenommenen und dringend tatverdächtigen Beschuldigten dem Haftrichter vorzuführen um den Sachverhalt schnell „vom Tisch“ zu bekommen. Im Rahmen der Haftsachenbearbeitung muss vielmehr die Tat beweiskräftig ausermittelt werden, wegen der die Festnahme des Täters/der Täter erfolgte. Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, dass dann als erfolgreiche Ermittlungsarbeit zu bezeichnen. Da der Wohnungseinbrecher eher ein Serientäter ist, muss der Festnahmeerfolg des Streifendienstes durch die Ermittlungsdienststellen vielmehr dazu genutzt werden, weitere Taten der festgenommen Person bzw. den festgenommenen Personen zuzuordnen bzw. nachzuweisen.

Der Anfall von Haftsachen ist grundsätzlich nicht planbar und erfordert daher eine flexible Reaktion bei der Organisation der innerdienstlichen Abläufe. Bereits bei der Übernahme des Vorgangs ist zu prüfen, wann die Höchstfestnahmezeit des/der Beschuldigten erreicht ist. Das kurze Zeitfenster (Vorführung spätestens am Folgetag) erzwingt eine konsequente Priorisierung der Ermittlungen. Unter Ermittlungen können „alle Untersuchungshandlungen von Ermittlungspersonen zur Aufdeckung strafbarer Handlungen sowie zur Aufklärung von Straftaten [ ] und anderen kriminalistisch relevanten Ereignissen“29 verstanden werden. Vordringlich sind zunächst unaufschiebbare Maßnahmen mit Vorführrelevanz durchzuführen, d.h. Ermittlungen zu den Haftgründen sowie die Stärkung des dringenden Tatverdachtes sowie Ermittlungen zu weiteren Tatzusammenhängen. Ermittlungen die erst Wochen später Ergebnisse liefern sind zunächst zurück zu stellen. Dazu zählt dann häufig auch die Untersuchung und Auswertung gesicherter Tatortspuren. Ein elementarer kriminaltaktischer Fehler ist es, eine Haftsache mit einem möglichst geringen Personaleinsatz bewältigen zu wollen. Eine konsequente Haftsachenbearbeitung ist auch heute, eine der Möglichkeiten, ganze Tatserien aufzuklären.


Dargestellt werden nachfolgend die wesentlichen Maßnahmen die regelmäßig im Rahmen einer Haftsachenbearbeitung anstehen. Die Angesprochenen Maßnahmen sind keinesfalls als abschließend dargestellt anzusehen. Weiter sei darauf hingewiesen, dass die Haftsachenbearbeitung mit der späteren Vorführung des/der Beschuldigten und dem Erlass eines Haftbefehls keinesfalls abgeschlossen ist. Auch danach sind die Arbeiten konsequent weiter zu führen. Abgeschlossen ist das Verfahren polizeilich erst, wenn es vollständig ausermittelt ist.