Kriminalitätsbekämpfung

Anhalte- und Sichtkontrollen

Schaulaufen oder ein wirksames Instrument zur Bekämpfung der Wohnungseinbruchskriminalität?

 

4 Öffentlichkeitsarbeit


Bei der Bekämpfung der WED ist die Polizei auf die Mithilfe der Bevölkerung angewiesen. Das unverzügliche Benachrichtigen der Polizei über den Notruf bei Feststellen von verdächtigen Personen oder bei Täterkontakt im Haus ist entscheidend für einen Fahndungserfolg.

Die polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit hat das Ziel, die Bevölkerung insbesondere in der sog. „dunklen Jahreszeit“ zu sensibilisieren und dazu aufzurufen, niedrigschwellig die Polizei über verdächtige Wahrnehmungen zu informieren. Es wird regelmäßig immer dann ein Zeugenaufruf veröffentlicht, wenn es in einem örtlichen Bereich innerhalb einer kurzen Zeit ein erhöhtes Aufkommen an Wohnungseinbrüchen gegeben hat. Damit verbunden ist die generelle Aufforderung, bei verdächtigen Wahrnehmungen die Polizei zu informieren.

 

5 Lageauswertung

 

Neben der verfahrensbegleitenden Lageauswertung zum Erkennen von Tatzusammenhängen und Serien im Ermittlungssachgebiet wird im Stab der Polizeidirektion Bad Segeberg die WED-Lage ausgewertet. Zielrichtung ist es, regionale und zeitliche Schwerpunkte zu erkennen und zeitnah durch Präsenzerhöhungen und Kontrollmaßnahmen darauf zu reagieren. So wird der Zeitraum einer Woche betrachtet und die Region identifiziert, die das höchste Fallaufkommen zu verzeichnen hatte. Dem für diese Region örtlich zuständigen Polizeirevier werden dann Zusatzkräfte unterstellt. Die Kräfte kommen aus den Dienststellen der Polizeidirektion (Polizeireviere, Diensthundestaffel) oder es werden Kräfte der Bereitschaftspolizei angefordert.

 

6 Anhalte- und Sichtkontrollen

 

6.1 Rechtslage

Zielrichtung der Kontrollen ist die vorbeugende Bekämpfung der WED. Im Schleswig-Holsteinischen Polizeigesetz (Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein – LVwG) findet sich eine entsprechende Norm im § 180 Abs. 3. Danach darf die Polizei „im öffentlichen Verkehrsraum zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung, bei denen Schaden für Leib, Leben oder Freiheit oder gleichgewichtiger Schaden für Sach- oder Vermögenswerte oder die Umwelt zu erwarten sind, Personen anhalten und mitgeführte Fahrzeuge einschließlich deren Kofferräume und Ladeflächen in Augenschein nehmen.“ Die Maßnahmen sind zulässig, „soweit Tatsachen, insbesondere dokumentierte polizeiliche Lageerkenntnisse, dies erfordern, weil sie auf einen Kriminalitätsschwerpunkt hindeuten und anzunehmen ist, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorliegt.“

Nach den gesetzlichen Wertentscheidungen des materiellen Strafrechts und des Strafprozessrechts begründet der Verbrechenscharakter in aller Regel die Voraussetzung einer Straftat von erheblicher Bedeutung.7 Nach § 244 Abs. 4 StGB ist die Strafe für WED Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, wenn die Tat eine dauerhaft genutzte Privatwohnung betrifft, somit handelt es sich um eine Straftat von erheblicher Bedeutung.

Es handelt sich zudem um eine Straftat, bei der ein gleichgewichtiger Schaden für Sach- oder Vermögenswerte zu erwarten ist. Nach Angaben des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft leisteten die Versicherungsunternehmen im Jahr 2016 rund 460 Mio. Euro an Zahlungen für Schäden aus Einbruchdiebstählen, die durchschnittliche Schadenshöhe bei einem Einbruch betrug 3250 Euro.8 Neben den wirtschaftlichen Folgen der Tat sind die psychischen Folgen für die Opfer erheblich. Nach einer vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft in Auftrag gegebenen Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen fühlen sich 46,5% der Geschädigten eines WED noch 12 Monate nach der Tat in ihrer gewohnten Umgebung unsicher.9

Die Annahme eines Kriminalitätsschwerpunktes setzt voraus, dass sich die Kriminalitätsbelastung eines Ortes deutlich von der an anderen Orten abhebt.10 Die dargestellten Fallzahlen deuten auf einen Kriminalitätsschwerpunkt hin, da die Belastung in Bezug auf das Phänomen WED im regionalen Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Bad Segeberg deutlich höher ist als in anderen Regionen Schleswig-Holsteins. Für den örtlichen Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion ordnete der Behördenleiter im November 2019 die Durchführung der Anhalte- und Sichtkontrollen an, da die Tatbestandsvoraussetzungen als erfüllt gesehen wurden. Die Anordnung ist auf 28 Tage befristet, eine Verlängerung bedarf einer richterlichen Entscheidung. Das Amtsgericht Bad Segeberg hat die Anordnung auf Antrag der Polizeibehörde verlängert.11


Es sind somit die rechtlichen Voraussetzungen für polizeiliche Kontrollmaßnahmen geschaffen worden mit der Zielrichtung der vorbeugenden Bekämpfung der Wohnungseinbruchskriminalität (WEK). Personen dürfen kurzzeitig angehalten und mitgeführte Fahrzeuge einschließlich deren Kofferräume und Ladeflächen in Augenschein genommen werden. Durchsuchungen und Identitätsfeststellungen sind aufgrund dieser Rechtsgrundlage nicht zulässig. Wenn im Rahmen dieser Kontrolle bei der Inaugenscheinnahme weitere Feststellungen getroffen werden, die eine konkrete Gefahr oder den Anfangsverdacht einer Straftat begründen, wären weitere Maßnahmen nach den einschlägigen Rechtsvorschriften zu treffen.


Die Anordnung der Maßnahme soll vorab in geeigneter Weise bekannt gemacht werden. Das erfolgt durch eine Pressemitteilung für die regionalen Medien, in denen die Bürger über die Absicht der Polizei zur Durchführung von Kontrollen und die Rechtslage informiert wird.

 

6.2 Taktische Varianten

6.2.1 Stationäre Kontrollstelle

Mit dem Begriff „Kontrolle“ verbinden viele eine stationäre Kontrollstelle mit einem hohen Kräfteansatz. Auf einer Hauptverkehrsstraße wird die Fahrgeschwindigkeit des fließenden Verkehrs reduziert, die Kontrollstelle ist mit Lichtmast und Sicherungsgerät ausgestattet, Sicherungsposten und Verfolgungsfahrzeug stehen bereit und der Verkehr wird fast lückenlos gesichtet und kontrolliert. Der Vorteil dieser Variante ist, dass nahezu jedes Fahrzeug, das die Kontrollstelle passiert, gesichtet wird und kontrolliert werden kann. Sollten potenzielle Täter hier unterwegs sein, würden sie vermutlich kontrolliert werden. Ein weiterer Vorteil ist der Eigensicherungsaspekt. Die Rahmenbedingungen der Kontrolle werden von der Polizei bestimmt, Beleuchtung, Verkehrssicherung und Sicherung der Einsatzkräfte während der Kontrolle sind gewährleistet. Die Kräfte sind in der Regel geschlossene Einheiten der Bereitschaftspolizei, die Abläufe sind eingespielt, die Kräfte agieren professionell.

Diese Variante hat zudem eine besondere Wirkung in der Öffentlichkeit. Polizei wird wahrgenommen, das kann durch eine entsprechende Begleitung durch die polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit noch verstärkt und gesteuert werden. Die Rückmeldungen aus der Bevölkerung an die eingesetzten Beamten anlässlich durchgeführter Kontrollen in der Polizeidirektion Bad Segeberg waren ganz überwiegend positiv.

Nachteil dieser Variante ist die fehlende Flexibilität. Die Kontrolle ist auf den vorgeplanten Ort beschränkt und kann ohne einen erhöhten Aufwand nicht einfach verlegt werden. Sollte kurzfristig an einem anderen Ort eine Kontrollstelle erforderlich werden, müssten das Sicherungsgerät, Beleuchtung usw. entweder zurückgelassen oder eingepackt werden. Alternativ könnten Teilkräfte ausgegliedert werden, um eine zweite, nicht vorgeplante Kontrollstelle einzurichten. Für andere Aufträge, z.B. klassische Fahndungsmaßnahmen nach einem gemeldeten WED mit Täterkontakt, sind geschlossene Einheiten aufgrund der taktischen Gliederung nicht optimal geeignet.