Wissenschaft  und Forschung

„System Change not Climate Change“

Die Klimaschutzbewegung und der Linksextremismus

4.2 Fridays for Future (FfF)

Im Gegensatz zu EG ist FfF ohne eine bislang erkennbare linksextremistische Einflussnahme entstanden. Es handelt sich vielmehr um eine weitgehend von Schülern und Studenten getragene globale soziale Bewegung, die sich in unzähligen Ortsgruppen, davon alleine etwa 600 in Deutschland, basisdemokratisch organisiert. FfF versteht sich als Graswurzelbewegung und engagiert sich für umfassende, schnelle und effiziente Klimaschutz-Maßnahmen. Ihr Ziel ist es, die „Treibhausgasemissionen so schnell wie möglich stark zu reduzieren“, um so die im Pariser Klimaschutzabkommen vom 12. Dezember 2015 beschlossene „Einhaltung der Ziele des Pariser Abkommens und des 1,5°C-Ziels“ noch zu erreichen. Konkret fordert FfF für Deutschland eine Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2035 auf „netto null“, den „Kohleausstieg bis 2030“, eine 100% erneuerbare Energieversorgung bis 2035“, das „Ende der Subventionen für fossile Energieträger“, ein Abschalten eines 1/4 der Kohlekraft“ und eine „CO2-Steuer auf alle Treibhausgasemissionen“.21


Dem Vorbild der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg folgend, gehen Schüler seit einigen Monaten weltweit immer freitags während der Unterrichtszeit für den Klimaschutz auf die Straßen, um so Druck auf die Regierungen auszuüben, etwas für den Klimaschutz zu unternehmen. Am ersten weltweit organisierten Klimastreiktag, dem 15. März 2019, sollen annähernd eine Millionen Menschen an den Demonstrationen von FfF teilgenommen haben, darunter laut Veranstaltern 300.000 Menschen in Deutschland. Beim zweiten globalen Klimastreiktag am 24. Mai 2019 waren es laut Veranstalterangaben gar weltweit 1,8 Millionen Menschen.22


In jüngster Zeit bietet die IL nunmehr auch der FfF-Bewegung ihre Unterstützung bei der Organisierung und Durchführung der Klimaproteste an. Zugleich tritt sie als Mitveranstalter und Anmelder auf. So hat die IL z.B. auf einer gemeinsamen öffentlichen Pressekonferenz in Hannover mit Vertretern der nichtextremistischen Organisationen FfF Hannover, Students for Future Hannover und dem BUND zur Teilnahme an den Klima-Protestaktionen aufgerufen. An der Hannoveraner Demonstration nahmen Akteure der IL mit einem Transparent unter dem Motto „Systemwandel statt Klimawandel“ teil und machten damit deutlich, dass für sie konsequenter Klimaschutz nur möglich ist, wenn der Kapitalismus und der ihn schützende demokratische Rechtsstaat überwunden sind.


Wie offen die noch junge FfF-Bewegung für linksextremistische Annäherungsversuche ist, zeigt auch ihre Vernetzung mit EG, z.B. bei einer gemeinsamen Aktion unter dem Namen „Anti-Kohle-Kidz“ am 30. November 2019 oder ihre Teilnahme an der von der linksextremistischen Tageszeitung Junge Welt“ organisierten XXV. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11. Januar 2020 in Berlin.23

 

5 Ausblick


Die heutigen Beeinflussungsversuche von Linksextremisten wecken Erinnerungen an die Auseinandersetzung um den NATO-Doppelbeschluss aus dem Jahre 1979. Die NATO hatte damals beschlossen, auf die Vorrüstung der Sowjetunion mit atomaren Mittelstreckenraketen vom Typ SS-20 mit einer Nachrüstung mit atomaren Pershing II-Raketen und Cruise-Missiles-Marschflugkörpern zu reagieren, sollte die UdSSR nicht zu Verhandlungen mit den USA und infolgedessen zur Abrüstung ihrer Waffen bereit sein. Vor dem Hintergrund eines drohenden neuen atomaren Wettrüstens verfielen große Teile der damaligen bundesrepublikanischen Gesellschaft in eine neurotische Züge annehmende Angst vor einem atomaren „Holocaust“ mit einem Schlachtfeld Deutschland. Es formierte sich eine neue Friedenbewegung, die diese „German Angst“ aufgriff und in die Mitte der Gesellschaft transportierte. Auch zum damaligen Zeitpunkt nahm die Auseinandersetzung bei aller berechtigten Sorge zeitweise hysterische Züge an. Damals wie heute versuchten Linksextremisten von dieser weit verbreiteten Angst und der daraus resultierenden Popularität der Friedensbewegung zu profitieren. Vor allem die DKP versuchte mit Hilfe ihrer Tarnorganisationen steuernden Einfluss auf die Friedensbewegung zu nehmen. Mit der inhaltlichen Anleitung und materiellen Unterstützung aus der DDR konnte sie zwar den NATO-Doppelbeschluss nicht verhindern, aber es gelang ihr, Einfluss auf die politische Bewusstseinsbildung von Teilen der bundesrepublikanischen Bevölkerung zu nehmen, deren Reflexe bis heute nachwirken.24


Heutzutage sind die Umstände andere als es sie in den 1980er Jahren waren. Der Kalte Krieg ist vorbei, die DKP fristet nur noch ein Randdasein, andere bestimmen gegenwärtig den Linksextremismus. Dennoch lassen sich auch heute bestimmte Muster linksextremistischer Einflussnahme bei der Auseinandersetzung um den Klimaschutz erkennen. Unübersehbar greifen linksextremistische Parteien wie die MLPD und die DKP und postautonome Gruppierungen wie die IL im Rahmen ihrer Bündnis- und Kampagnenpolitik den Umwelt- und Klimaschutz auf und versuchen, über dieses Thema an den demokratischen Protest anschlussfähig zu werden, um ihn langfristig für ihre systemüberwindenden Ziele zu instrumentalisieren.


Im Gegensatz zur DKP und zur MLPD – letztere steht eher außerhalb der lokalen Bündnisse, da sie sich weigert, auf parteibezogene Darstellungen wie Fahnen, Flyer und Plakate bei Demonstrationen zu verzichten – ist die IL allein aufgrund ihrer undogmatischen Ausrichtung attraktiver, insbesondere für jüngere Menschen. Geschickt bietet die IL den politisch eher unerfahrenen Klimaschutzaktivisten von FfF Hilfe bei der Organisierung und Durchführung von Protestaktionen an. Sie inszeniert sich als Teil einer legitimen Protestbewegung, macht sich dadurch zunehmend unentbehrlicher und versucht so versteckt die Klimaschutzbewegung zu organisieren und durch rechtswidrige Aktionen zu radikalisieren. Zugleich bemüht sie sich, die Klimaaktivisten für Themen jenseits des Umwelt- und Klimaschutzes wie den Antifaschismus oder den Antirassismus zu mobilisieren. Sie hofft, dass so demokratischer und linksextremistischer Protest immer enger zusammenrücken und die Grenzen zwischen ihnen zunehmend verschwimmen. Gemeinsame Proteste von Klimaschutz- und Friedensbewegung wie die gegen die Münchener Sicherheitskonferenz vom Februar 2020 zeigen, dass es sich bei diesen Versuchen nicht nur um bloße Theorie handelt.25 Es kommt nun für die Klimaschutzbewegung – und vor allem für FfF – darauf an, diese Einflussversuche zu erkennen, sie zu benennen, sich von ihnen zu distanzieren und sie unmissverständlich zu unterbinden. FfF hat bislang sowohl die Annäherungsversuche der MLPD als auch der DKP und der IL öffentlich gemacht und sich weitgehend von Extremisten abgegrenzt. So durfte in Hamburg 2019 eine Zubringer-Demonstration von Linksextremisten nicht an dem Demonstrationszug von FfF teilnehmen.26 Gegen eine Teilnahme von Mitgliedern der MLPD mit ihren Parteisymbolen klagte FfF erfolglos.27 Ein steuernder Einfluss auf das demokratische Protestspektrum oder eine Infiltration durch Linksextremisten konnte daher bislang nicht festgestellt werden.28 Zwar gibt es mit der EG eine unter nicht unerheblichen Einfluss der IL entstandene und weiterhin stehende Umwelt- und Klimaschutzorganisation. Dennoch kann nach bisherigen Erkenntnissen die Klimaschutzbewegung in ihrer Gesamtheit nicht als ein Produkt linksextremistischer Beeinflussungsversuche bezeichnet werden. Weder haben Linksextremisten entscheidenden Einfluss auf ihre Entstehung genommen, noch haben sie bislang steuernden Einfluss. Vielmehr ist sie bisher in ihrer weitüberwiegenden Mehrheit ein demokratischer Zusammenschluss weitgehend besorgter Bürger vor den Folgen des Klimawandels.


„Wir lassen uns nicht vereinnahmen“ hat einer der Sprecher von FfF in einem Interview verkündet.29 Wie ernst diese junge Klimaschutzbewegung und vor allem ihr Aushängeschild FfF auch künftig genommen werden können, hängt u.a. auch davon ab, wie erfolgreich sich ihre Protagonisten künftig von der linksextremistischen Szene abgrenzen und ihre Eigenständigkeit bewahren können.


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