Wissenschaft  und Forschung

„System Change not Climate Change“

Die Klimaschutzbewegung und der Linksextremismus

3.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP)

Am 25. September 1968 konstituierte sich die 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotene Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) unter dem Namen DKP neu. Als westdeutscher Interventionsapparat der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) war sie finanziell von ihr abhängig und folgte bis zur friedlichen Revolution in der DDR 1989/90 vorbehaltlos ihren ideologischen und politischen Vorgaben. Auch nach 1990 behielt die DKP ihre marxistisch-leninistischen Überzeugungen bei. Bis heute versteht sie sich als die „revolutionäre Partei der Arbeiterklasse der Bundesrepublik Deutschland“.10 Mit Hilfe von Vorfeldorganisationen wie der „Deutschen Friedens-Union“ (DFU) oder dem „Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit“ (KOFAZ) gelang ihr vor 1990 im Rahmen ihres sogenannten Kampfes um den Frieden der Schulterschluss mit demokratischen Organisationen, insbesondere mit Teilen der westdeutschen Friedensbewegung.11


Heutzutage verfügt die DKP nicht mehr über die Möglichkeiten wie zu Zeiten des Kalten Krieges, sie folgt aber weiterhin ihren marxistisch-leninistischen Leitbildern und ihrer bündnispolitischen Strategie. Diese besagen, dass es sich beim Klimaschutz zwar nur um einen Nebenwiderspruch im Gegensatz zum marxistischen Hauptwiderspruch, der Ausbeutung des Arbeiters durch den Kapitalisten, handelt. Der Kampf um den Umwelt- und Klimaschutz kann daher im Verhältnis zum „Kampf um den Frieden“ nur eine nachgeordnete Rolle spielen. Die Klimaschutzbewegung empfindet manches DKP-Mitglied daher weitgehend als „bürgerlich unterwandert“.12 Dennoch bietet sie der seit Jahrzehnten unter Überalterung und Mitgliedermangel leidenden Partei die Chance, wieder Einfluss auf eine wachsende Protestbewegung nehmen zu können. Aus diesem Grunde unterstützte die DKP bislang die Aufrufe zu den globalen Klimastreiktagen und verband den Klimaschutz mit ihrer generellen Systemkritik und ihrem antikapitalistischen Kampf.13

3.3 Interventionistische Linke (IL)

Ungelöste Organisationsdebatten und eine theoretische Orientierungslosigkeit haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass Teile der autonomen Szene versuchen, für konkrete Projekte Gruppenstrukturen und Netzwerke aufzubauen. Die Politik dieser oftmals als postautonom bezeichneten Gruppierungen ist langfristiger angelegt und verfolgt eine Strategie der kleinen Schritte. Sie wollen innerhalb des autonomen Spektrums eine strategische Bündnisorientierung mit einer breiten Öffnung ins demokratische Spektrum und zu bislang unpolitischen Bevölkerungsschichten betreiben, um dort für einen Bruch mit dem Kapitalismus zu werben.


Die zurzeit bedeutendste postautonome Organisation ist die IL. Entstanden 1999, entwickelte sie sich mit den Jahren zu einem bundesweit agierenden Netzwerk aus linksextremistischen Gruppierungen und Einzelaktivisten, dem in geringem Maße auch nichtextremistische Personen angehören. Inhaltlich orientiert sich die IL „am langfristigen Ziel einer radikalen Transformation der gesellschaftlichen Verhältnisse“. Ihr Ziel ist der „revolutionäre Bruch, dem wiederum viele kleine Brüche, die entlang von Kämpfen stattfinden, vorausgehen und folgen“, denn um „den Weg zu einer befreiten Gesellschaft freizumachen, braucht es die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln […] und die Überwindung des bürgerlichen Staatsapparates als Garant dieser Eigentumsordnung“.14


Um an das demokratische Spektrum anschlussfähig zu werden, greift die IL ebenso wie die MLPD und die DKP auf Themen zurück, die die Menschen bis weit in die Mitte der Gesellschaft bewegen. So gehört der Umwelt- und Klimaschutz schon seit längerem zu ihren Kernbereichen, um den sich insbesondere eine extra dafür eingerichtete Klima AG kümmert. Zudem geben sich ihre Akteure ideologisch bewusst undogmatisch. Zugleich bemühen sie sich um ein gemäßigteres äußeres Erscheinungsbild, als es sonst in der autonomen Szene üblich ist. So sind ihre Protagonisten beispielsweise bei Demonstrationen bereit, auf szenetypische Kleidung und die Anwendung von Gewalt zu verzichten. Dabei handelt es sich jedoch um ein rein taktisches Verhalten, hinter dem sich eine latent vorhandene Militanz verbirgt. Diese Vorgehensweise ermöglicht es ihr, eine Scharnierfunktion zwischen dem gewaltorientierten linksextremistischen Spektrum, den dogmatischen Linksextremisten und dem demokratischen Protest einzunehmen.15

 

4 Die Objekte der Einflussversuche


Die Klimaschutzbewegung ist kein monolithischer Block, sondern setzt sich aus zahlreichen Gruppierungen und Organisationen zusammen. Linksextremisten haben zwar die Bewegung in Gänze im Blick, sie konzentrieren sich aber mit ihren Einflussversuchen auf die erfolgreichsten und ihrer Ideologie am offensten gegenüberstehenden Organisationen. Im Folgenden werden die beiden bislang begehrtesten Objekte linksextremistischer Einflussversuche vorgestellt. Extinction Rebellion (XR) befindet sich nicht darunter, da bislang keine nachhaltigen Versuche linksextremistischer Einflussnahme bekannt geworden sind.16

4.1 Ende Gelände (EG)

EG trat erstmals 2014 mit der Organisierung von Protesten gegen den Braunkohleabbau in Erscheinung. Ihr gehören sowohl demokratische als auch linksextremistische Gruppierungen an. Dabei versteht sich EG als „ein breiter Zusammenschluss von Menschen aus den Anti-Atom- und Anti-Kohle-Bewegungen, aus Bürgerinitiativen, NGO´s, linken Polit-Gruppen und anderen“. Sie alle „eint der Gedanke, dass wir sofort aus der Kohle-Verbrennung aussteigen müssen, ebenso wie die Erkenntnis, dass unser Wirtschaftssystem die Basis des Problems ist“.17 Die Kampagne EG wendet sich gegen die weitere Nutzung der Braun- und Steinkohle und fordert einen „tiefgreifenden, sozial-ökologischen Wandel“ durch eine „Abkehr vom fossilen Kapitalismus“. Unter dem Motto „System Change not Climate Change“ will EG deshalb die Infrastruktur der Kohleindustrie möglichst öffentlichkeitswirksam lahmlegen, um so den verantwortlichen Betreiberkonzernen einen möglichst hohen finanziellen Schaden zuzufügen und sie langfristig in den Ruin zu treiben. Seit 2015 organisiert die Kampagne jährlich ein bis zwei Großaktionen in deutschen Braunkohlerevieren. So führte die Kampagne z.B. vom 29. November bis zum 1. Dezember 2019 eine „Massenaktion zivilen Ungehorsams“ im Lausitzer Braunkohlerevier in Form von Blockaden, Aktionen und Besetzungsversuchen durch.18


Standen bislang die Proteste gegen den Kohleabbau in nordrhein-westfälischen Garzweiler und in der sächsischen Lausitz sowie der Kampf um den Erhalt des vom Braunkohleabbau bedrohten Hambacher Forstes, eines wenige hundert Hektar großen Waldes in Nordrhein-Westfalen (NRW) zwischen Köln und Aachen, für EG im Vordergrund, so legt die Kampagne seit Anfang 2020 nunmehr ihren Fokus auf den Widerstand gegen die Inbetriebnahme des Steinkohlekraftwerks Datteln IV. Datteln IV soll dabei zu einem „Hambi 2.0“ werden, d.h. zu einem weiteren Symbol der Klimaschutzbewegung nach dem Kampf gegen die Rodung des Hambacher Forstes.


Die linksextremistische IL ist nach eigenen Angaben bereits von Anfang an in der Kampagne EG engagiert. Formell ist sie nur eine Unterstützergruppe von vielen, sie war und ist aber maßgeblich an der Gründung von EG-Ortsgruppen und deren Aufbau beteiligt und dort ein steuernder Faktor. Sie beansprucht sogar die Gründungsinitiative von EG für sich, wenn sie auf ihrer Website schreibt: „Mit Ende Gelände haben wir ein unglaublich großes Ding geschaffen“.19 Dass es der IL mit EG letztlich nicht nur um den Klimaschutz geht, sondern dieser nur Mittel zum Zweck ist, macht sie in ihrem Positionspapier „Globale Solidarität statt systemischer Wahnsinn“ deutlich, wo es heißt: „Die Macht des fossil-industriell-militärischen Komplex und die Binnen-‚Logik‘ des Kapitals sind nicht voneinander zu trennen. Ziel massenhaften Ungehorsams ist nicht ‚nur‘ Be- bzw. Verhinderung konkreter Zerstörungen, sondern selbstverständlich auch Vertiefung und Intensivierung der gesellschaftlichen Auseinandersetzung über die herrschenden Zustände insgesamt. Eine Klimabewegung wird bei aller Dringlichkeit ihres Anliegens nicht als Ein-Punkt-Bewegung erfolgreich sein können. Sie muss sich vielmehr in Beziehung setzen und verbinden mit weiteren Kämpfen u.a. für Solidarität mit Geflüchteten, Care-Revolution, Recht auf Stadt, gegen Austerität, das herrschende Arbeits- bzw. Prekaritätsregime, Militarismus sowie jegliche weitere Herrschaftsformen“.20


Insbesondere junge Menschen sollen über das populäre Thema „Klimaschutz“ sowie über die Protestaktionen gegen die „Profitmaximierung der Großkonzerne“ angesprochen, politisiert und langfristig an die linksextremistische Szene gebunden werden. Für die IL ist die Kampagne EG aufgrund ihres Bekanntheitsgrades und der verbreiteten Verortung im zivilgesellschaftlichen Spektrum somit von entscheidender Bedeutung für ihre Einflussversuche, zumal EG und die IL unter dem Motto „Ende Gelände goes Europe“ eine Internationalisierung der Proteste anstreben.