Seniorenprävention

Schutz älterer Menschen vor Straftaten

 

Von EKHK a.D. Klaus Kemper, Duisburg1

 

1 Allgemeines

 

Im Allgemeinen besteht der Sinn polizeilicher Kriminalprävention darin, die Bürger auf kriminelle Phänomene verschiedenster Art hinzuweisen und sie durch Aufklärung und Verhaltenstipps davor zu bewahren, selbst Opfer derartiger Straftaten zu werden. Besonders prägnante Entwicklungen, wie etwa auf dem Gebiet der Eigentums- oder Jugendkriminalität, haben die Bildung der verschiedenen Sachraten in den Vorbeugungskommissariaten beeinflusst. Die zweite wichtige Aufgabe der polizeilichen Präventionsbeamten besteht außerdem darin, das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen zu stärken. Dieses kann vor allem durch die Berichterstattung der Medien beeinflusst werden, die heutzutage örtliche wie überörtliche Straftaten bis in den letzten Winkel der Bundesrepublik transportieren und auch über sog. „Angsträume“ berichten, die mittlerweile in geradezu jeder bundesdeutschen Gemeinde existieren. Dabei handelt es sich z.B. um schlecht beleumundete Quartiere, in der Dunkelheit unzureichend ausgeleuchtete Parkanlagen, einsame U-Bahnhöfe oder unübersichtliche Verbindungswege. Obwohl an solchen Örtlichkeiten objektiv betrachtet kaum mehr Straftaten begangen werden als anderswo, fühlen sich Bürger dort oft unsicher – das subjektive Sicherheitsgefühl ist beeinträchtigt. Derartige Faktoren vermitteln vielen Menschen das Gefühl, das Leben sei in den letzten Jahren immer gefährlicher geworden. Das gilt insbesondere für ältere Menschen, deren Kriminalitätsfurcht in der Regel besonders ausgeprägt ist, obwohl die Polizeiliche Kriminalstatistik 2018 lediglich knapp 12.000 Personen ab 60 Jahren als Geschädigte von Gewaltkriminalität auswirft (7,3% aller 163.303 Geschädigten). Einer der Gründe dafür dürfte die körperliche Konstitution älterer Menschen sein, die sie oft scheinbar zu potentiellen Opfern macht.


Ein typisches Beispiel dafür ist die Sorge von Seniorinnen, sie könnten Geschädigte eines Handtaschenräubers werden. Dass dieses Delikt 2018 mit etwa 1.600 Fällen (4,3% aller registrierten Taten) verhältnismäßig selten vorkam und dabei nicht einmal die Hälfte der Geschädigten ältere Damen waren, solche relativierenden Aussagen sind ein wichtiger Bestandteil aufklärender und dadurch nicht zuletzt beruhigenderPrävention. Darüber hinaus liegt ein besonderer Schwerpunkt der Vorbeugungsarbeit mit Senioren darin, über Straftaten aufzuklären, die tatsächlich alte Menschen als bevorzugte Zielgruppe haben und zum Großteil in den Bereich der Betrugskriminalität fallen. Dabei stehen die jeweiligen Tatbegehungsmerkmale im Vordergrund, da sie vom potentiellen Opfer erst als solche erkannt werden müssen, um dann entsprechend reagieren zu können.


Das gilt dementsprechend in besonderem Maße auch für das Massendelikt „Taschendiebstahl“ mit insgesamt 104.196 angezeigten Fällen im Jahr 2018, bei denen tatsächlich häufig Menschen über 60 Jahre als Geschädigte erfasst wurden. Natürlich transportiert die Polizei geeignete Verhaltenstipps bei Vorträgen oder in Form von Aktionen im Rahmen größerer Veranstaltungen generell an alle Altersgruppen, die Problematik wird allerdings gerade in der Seniorenprävention immer wieder besonders thematisiert, damit die älteren Menschen die in der Öffentlichkeit gebotenen Vorsichtsmaßnahmen nicht aufgrund altersbedingter Unsicherheit außer Acht lassen. Darüber hinaus ist es auch wichtig, sich mit denjenigen Senioren auseinanderzusetzen, die glauben, sich mit Tränengas oder ähnlichen Abwehrwaffen ausrüsten zu müssen, um sich gegen eventuelle Angreifer wehren zu können. Hier gilt es, Überzeugungsarbeit zu leisten, dass sie im Ernstfall möglicherweise aufgrund einer natürlichen Hemmschwelle nicht in der Lage sind, die mitgeführten Geräte einzusetzen und Gefahr laufen, dass diese dann sogar gegen sie selbst gerichtet werden.

 

 

2 Typische Trickbetrügereien zum Nachteil von Senioren


Wie bereits angesprochen, werden Senioren häufig Opfer von Trickbetrügern, die in oft perfider Art und Weise deren Vertrauen erschleichen und sie dann – darauf aufbauend – um ihr Bargeld, Schmuck oder andere Wertgegenstände erleichtern. Besonders geeignet sind dabei vor allem diejenigen Menschen, deren Hilfsbereitschaft, Gutgläubigkeit oder auch altersbedingte Unsicherheit es den Tätern erleichtern, ihre jeweilige Masche erfolgreich durchzuziehen. Deshalb gestalten sich die entsprechenden kriminalpräventiven Bemühungen bei dieser Altersgruppe dergestalt, dass in Vortrags– oder Projektform insbesondere die gängigen und im weiteren Verlauf dieses Beitrags aufgeführten Tricks erklärt und geeignete Gegenmaßnahmen benannt werden.

2.1 Betrug an der Wohnungstür

Aufgrund häufiger Unsicherheit im öffentlichen Raum ist für viele Senioren die eigene Wohnung der sicherste Zufluchtsort. Die Wohnungstür bedeutet für sie einen gewissen Schutz vor der Außenwelt, und in die eigenen vier Wände lassen sie nur Verwandte und Freunde, die meist ohnehin die einzigen Menschen sind, die sie besuchen. Steht plötzlich eine unbekannte Person vor der Türe, ist das für viele alte Menschen eine ungewohnte Situation, die sie unsicher macht. Mögliche Straftäter versuchen in der Regel, den vermutlich ersten Impuls des Wohnungsinhabers, dem Fremden die Tür nicht zu öffnen, durch geschickte Taktiken auszuhebeln. Die Maschen der Täter sind vielfältig, und es gibt es immer wieder neue Modi Operandi, allerdings auch einige fest etablierte Klassiker, wie zum Beispiel

  • den Glas-Wasser-Trick (Wegen eines vorgetäuschten körperlichen Unwohlseins wird um ein Glas Wasser zur Einnahme einer dringend benötigten Tablette gebeten)
  • den Zettel-Trick (Aufgrund der angeblichen Abwesenheit eines Nachbarn wird um die Möglichkeit gebeten, diesem eine schriftliche Nachricht an der Türe hinterlassen zu können)
  • den Stromableser-Trick (Angebliche Mitarbeiter von Betrieben, wie z.B. den Stadtwerken, wollen in der Wohnung entsprechende Überprüfungen durchführen, die durch den Vermieter angekündigt worden sein sollen, was natürlich nie geschehen ist. Die älteren Bewohner sind oft schnell zu verunsichern und lassen die Fremden ein)
  • der Amtsträger-Trick (Menschen, die vorgeben, im Auftrag einer Behörde tätig zu werden, haben bei vielen Senioren per se einen Vertrauensvorschuss und zerstreuen durch souveränes und überzeugendes Auftreten häufig sehr schnell letzte Bedenken. Das gilt ganz besonders für angebliche Polizeibeamte)

Wie auch immer die Täter agieren, ihr Ziel ist grundsätzlich, in die aufgesuchten Wohnungen hineingelassen zu werden. Ist das gelungen, wird in der Regel versucht, einer weiteren Person unbemerkt Zugang zu verschaffen, damit diese in den Räumen nach Geld oder Wertsachen suchen kann, während der Bewohner durch die zweite Person abgelenkt wird. Falsche Polizeibeamte müssen oft nicht einmal heimlich stehlen, sondern lassen sich mit einer entsprechenden Legende durch die gutgläubigen Geschädigten Barmittel oder Wertsachen direkt aushändigen.

 



Vor diesem Hintergrund werden die Senioren im Rahmen der Präventionsvorträge zunächst grundsätzlich vor dem arglosen Öffnen der Wohnungstüre gewarnt. Auch ein vorhandener Türspion ist nur begrenzt hilfreich. Ein Kastenriegelschloss erlaubt den besseren Überblick, ohne dass die Türe eventuell von außen problemlos aufgedrückt werden kann. Das Glas Wasser wie auch Stift und Papier können problemlos durch den entstandenen Spalt gereicht werden – was den Fremden aber meist kaum noch interessiert, da der eigentliche Anlass für den Auftritt kaum noch durchführbar erscheint. Der angeblich angekündigte Stromableser wird schnell wieder verschwinden, wenn der Wohnungsbesitzer einen Rückruf beim Vermieter oder dem Arbeitgeber des Besuchers ankündigt. Durch Arbeitskleidung sollte man sich ebenso wenig täuschen lassen, wie durch angebliche Ausweise, da diese verhältnismäßig leicht herzustellen bzw. nachzumachen sind.


Selbst der angebliche Polizist in Zivilkleidung sollte in jedem Fall nach Kriminalmarke und Polizeiausweis gefragt werden. Echte Beamte haben auch Verständnis, wenn der Bürger sich zusätzlich in der jeweiligen Polizeidienststelle fernmündlich absichert. Dabei ist wichtig, dass Anrufe zur Verifizierung des Arbeitsauftrages nie bei einer von dem Menschen vor der Türe angegebenen Nummer erfolgen soll, da es sich bei der dann erreichten Person um einen Komplizen handeln könnte.

2.2 Dubiose Haustürgeschäfte

Immer wieder tauchen Vertreter unseriöser Firmen bei Hausbesitzern auf und bieten notwendige Ausbesserungen an den Immobilien zunächst weit billiger als andere Betriebe an. Angebliche Probleme verteuern die Arbeiten in der Regel dann letztendlich erheblich. Insbesondere die Senioren unter den übervorteilten Auftraggebern werden dann, falls nötig, mit psychologischen Druckmitteln derart eingeschüchtert, dass sie die geforderten Geldsummen letztendlich doch bezahlen. Darüber hinaus sind auch die meisten nur unzureichend über ihre Rechte als Verbraucher informiert (vgl. dazu §§ 312 ff. BGB). Entsprechende Aufklärung sowie das Benennen betrügerischer Tricks, mit denen die Bestimmungen unterlaufen werden sollen (z.B. ein Vertrag ohne Datum oder unzureichende Firmenangaben), sind ebenso ein Bestandteil kriminalpräventiver Arbeit mit älteren Menschen, wie Verhaltenshinweise im Zusammenhang mit den unter Ziffer 2.3 aufgeführten Delikten.

2.3 Betrug am Telefon

Seit geraumer Zeit werden zweifelhafte fernmündliche Gewinnversprechen registriert, die sich zwar nicht ausschließlich an Senioren wenden, in dieser oft unsicheren Altersgruppe aber die meisten Opfer finden und deren Ziel darin besteht, mit geschickten Fragen an möglichst viele Personendaten zu gelangen oder unnötige bzw. teure Verträge abzuschließen.


Eine besonders perfide Art auf ältere Menschen abgestimmter krimineller Telefonaktionen ist der Enkeltrick,bei demdie Opfer aufgrund ihrer eher altmodischen Vornamen ausgesucht werden. Oft im Ausland befindliche Straftäter suggerieren durch geschickte Gesprächsführung, der Anrufer sei z.B. der Enkel, der sich in einer erheblichen finanziellen Notsituation befindet. Oft gelingt es tatsächlich, die Senioren dazu zu bringen, eine größere Geldsumme zu besorgen und sie dann, da der angebliche Verwandte natürlich nicht selbst kommen kann, einem Boten auszuhändigen, was dann deren endgültigen Verlust bedeutet.

2.4 Kaffeefahrten

Immer wieder Thema bei Präventionsveranstaltungen sind sog. „Kaffeefahrten“, deren Veranstalter sich insbesondere an ältere Menschen wenden, die gerne an einem preiswerten Tagesausflug mit Gleichaltrigen verbunden mit einem möglichen Gewinn teilnehmen. Ihnen wird durch die polizeilichen Fachberater eindringlich vor Augen geführt, dass solche Reisen ausschließlich einer Verkaufsveranstaltung völlig überteuerter Waren dienen. Psychologische Tricks in Form von Versprechungen, abgelegene Örtlichkeiten und aggressive sowie bedrohliche Vortragstechnik schüchtern die alten Leute oft derart ein, dass sie den Tag widerspruchslos über sich ergehen lassen, oft vor lauter Angst sogar für viel zu viel Geld nicht benötigte Waren kaufen.

 

3 Ordnungspartnerschaften


Da Prävention eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, bietet es sich an, sie auch im Rahmen sog. Ordnungspartnerschaften zu bearbeiten. Dabei können mehrere kommunale oder Landesbehörden sowie private Träger in Kooperation ihre jeweiligen Fachkenntnisse mit einbringen. So wurde beispielsweise in Duisburg älteren Menschen im Rahmen einer Teamarbeit mit den Verkehrsbetrieben das sichere Verhalten im Zusammenhang mit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, verbunden mit einem abgestimmten Selbstbehauptungstraining, vermittelt. Außerdem konnten Theatergruppen gewonnen werden, die im vorliegenden Artikel genannten seniorentypischen Betrugsmaschen als Theaterstücke für dieses Publikum aufzubereiten.


Bildrechte: ProPK.

 

Anmerkungen


1 Der Autor war Leiter des Kriminalkommissariats für Kriminalprävention und Opferschutz (KK KPO) beim Polizeipräsidium Duisburg.

 

Weitere Hilfe und Tipps für Senioren finden Sie unter PolizeiDeinPartner.de.