Kriminalitätsbekämpfung

Polizeiliche Fotografie: Anforderungen an das Beweismittel „digitales Foto“

Von EKHK Frank Rabe, Duisburg

3.2 Authentizität des Datenursprungs

Die Akzeptanz eines Beweismittels erfordert, dass die Gerichte einerseits grundsätzlich auf dessen Unverfälschtheit vertrauen können, andererseits aber auch in der Lage sein müssen, den Beweiswert im Einzelfall nach individueller Überzeugungsbildung beurteilen zu können. Zur fachgerechten Beweiswürdigung bedient sich ein Gericht häufig eines Gutachters, der als „Gehilfe des Gerichtes“ die Entscheidungsfindung aufgrund seines Sachverstandes unterstützt. Das wäre grundsätzlich auch zur Prüfung von Digitalaufnahmen notwendig, weil weder die Integrität noch die Authentizität anhand der Abbildung selbst beurteilt werden können. Damit stünden aber Aufwand und Nutzen des Beweismittels Foto in einem inakzeptablen Missverhältnis zueinander. Die Projektgruppe hat zur Problemlösung Standards entwickelt, die die Authentizität der Aufnahmen im Einzelfall durch die Nachvollziehbarkeit des fotografischen Prozesses von der Aufnahme (z.B. Ort, Zeit, Fotograf) über die Speicherung (wann, womit, wo) und Bildaufbereitung (wer, wann, wie) bis zur mündlichen Verhandlung sicherstellen. Der Nachweis der Authentizität des Datenursprungs bildet dann die Basis für das Vertrauen in die Integrität des Datensatzes. Die Standards beinhalten sowohl Sicherungen technischer Art als auch organisatorischer Art in Form von Betriebskonzepten, die aufbau- und vor allem ablauforganisatorische Regelungen enthalten.

3.3 Standards zur Problemlösung

Die angebotenen und seit Jahren nunmehr in NRW erfolgreich umgesetzten Prozesse sollen nachfolgend nur kurz angerissen werden.


(1) Datums- und Uhrzeiteinstellung an der Kamera sind vor der Aufnahme zu aktualisieren.


(2) Vorhandene GPS-Module sind zu aktivieren.


(3) Die Bilddaten werden im Original durch die Fotografin/den Fotografen mit Hilfe einer speziellen Anwendung, dem Datentransfermodul, auf einen Bilddatenserver übertragen. Bei diesem Datenimport wird jeder Datensatz automatisch mit einer elektronischen Signatur des Importierenden verknüpft. Das System erstellt die personifizierte Signatur anhand der Anmeldetaten. Die Speicherung auf dem Server gewährleistet darüber hinaus die Sicherung vor Datenverlust und die fristgerechte Löschung in Abhängigkeit der Aufbewahrungsfristen, die sich anhand der Verfolgungsverjährung des jeweiligen Deliktes errechnen. Im Falle der Veränderung des Originaldatensatzes und anschließender Speicherung geht die Signatur verloren.


(4) Die Originaldateien bleiben unangetastet, Bildaufbereitung erfolgt ausschließlich anhand von Kopien. Die Schritte der Bildaufbereitung werden mit Hilfe des Bildbearbeitungsprogrammes elektronisch dokumentiert.


(5) Für das Gerichtsverfahren stehen sowohl die Originaldaten als auch die aufbereiteten Daten zur Verfügung. Das Ergebnis der Bildaufbereitung ist so jederzeit reproduzierbar.


Obwohl auf Grundlage der Rahmenrichtlinie im Nachgang nie eine Erlasslage gefertigt wurde, haben die Polizeibehörden in NRW die wesentlichen empfohlenen Standards als bindend betrachtet und in Form von Dienstanweisungen und Spezialverfügungen in die Arbeitsprozesse integriert. Sie stellen meiner Auffassung nach einen guten Kompromiss zwischen Aufwand und Nutzen dar, wohlwissend, dass es die absolute Sicherheit als Grundlage für die Vertrauensbildung der Gerichte nicht geben wird. Bei berechtigten Zweifeln an der Eignung als Beweismittel müssen nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung im Einzelfall die Authentizität des Datenursprungs und die Integrität des Datensatzes gutachterlich bestätigt werden. Die mittlerweile langjährige Erfahrung zeigt allerdings, dass Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verteidiger das Beweismittel Digitalfoto bei Beachtung der dargelegten Richtlinien grundsätzlich als Beweismittel nicht nur akzeptieren, sondern es als zusätzliche Möglichkeit betrachten, sich in die Situation am Tat- oder Ereignisort hineinzuversetzen.

 

4 Ausblick


Weitere Fachbeiträge sindfür diese Zeitschrift in Vorbereitung und befassen sich mit den materiellen Anforderungen an das Beweismittel „digitales Foto“ sowie den Wiedererkennungsverfahren „Lichtbildvorzeigedatei“ und „Wahllichtbildvorlage“.


Bildrechte: Frank Rabe.

 

Anmerkungen


 

  1. EKHK Frank Rabe ist Behördengutachter bei der KTU Duisburg und leitet dort seit 2016 das KK 33 (KTU, ED, digitale Bildtechnik, Kriminalaktenhaltung). Als Lehrbeauftragter unterrichtet er seit 1993 an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV NRW), Abteilung Duisburg bzw. Mülheim/Ruhr die Fächer Kriminalistik und Kriminaltechnik. Er referiert im Ne-benamt regelmäßig beim Landesamt für Aus- und Fortbildung NRW (LAFP) zum Thema „kriminalistische Fotografie“ und ist Mitautor der im Rahmen der Lehr- und Studienbriefe beim VDP-Verlag erschienenen „Grundlagen der Kriminaltechnik“, nunmehr „Basislehrbuch Kriminaltechnik“.
  2. Vgl. BGH, NJW 1960, 1582.
  3. Vgl. RR-DBÜ2502041 aus 2004; erarbeitet durch die Bund/Länder-Projektgruppe „DBÜ“ im Auftrag des AK II-
  4. Vgl. § 244 III StPO.
  5. Vgl. § 261 StPO, § 286 I ZPO, § 108 I 1 VwGO
  6. Vgl. Hahn, Ton- und Bildträger als Beweismittel im Strafprozeß, jur. Diss., München 1964, S. 2.
  7. Vgl. Rahmenrichtlinie „Digitale Bildaufnahme und Übertragung“.
  8. Vgl. Rahmenrichtlinie „Digitale Bildaufnahme und Übertragung“.
  9. Vgl. Dipl.-Ing. Dietmar Wueller „Richtlinien für die Erstellung und Verwendung elektr. Stehbilder“, 2003
  10. Vgl. Rahmenrichtlinie „Digitale Bildaufnahme und Übertragung“.
  11. Vgl. Rahmenrichtlinie „Digitale Bildaufnahme und -übertragung“.
  12. Anmerkung des Autors.
  13. „Standard des daktyloskopischen Identitätsnachweises“, Hrsg: BKA -Referat KI 32 vom 30.6.2010.
  14. AFIS: Automatisiertes Fingerabdruck Identifizierungs-System.
  15. Die Aufzählungen sind keinesfalls abschließend.
  16. Zum Thema „Wiedererkennungsverfahren“ ist ein weiterer Fachbeitrag geplant.

 

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