Kriminalitätsbekämpfung

Polizeiliche Fotografie: Anforderungen an das Beweismittel „digitales Foto“

Von EKHK Frank Rabe, Duisburg

3.1 Integrität des Datensatzes

Bei den Abb. 3 bis 8 kann man über die Integrität der Datensätze trefflich diskutieren: Kann ein Gericht die Aufnahmen im Einzelfall im Rahmen der freien Beweiswürdigung für das Beweisverfahren zulassen? Die Authentizität des Datenursprungs sei hier zunächst einmal unterstellt.

 

Abb. 3: FustKw; Aufnahmen mit verschiedenen Brennweiten


Die einzelnen Aufnahmen in Abb. 3 entstanden unmittelbar nacheinander am gleichen Standort, mit der gleichen Kamera, aber mit unterschiedlichen Brennweiten des Objektivs. Die Folge sind verschiedene Blickwinkel mit erheblich voneinander abweichenden Bildaussagen. Welche dieser Aufnahmen genügt dem Anspruch der Objektivität?


Abb. 4/links zeigt eine mit Cyanacrylat (Sekundenkleber)12 sichtbar gemachte daktyloskopische Spur auf einem schwarzen Untergrund. Die Papillarlinien stellen sich hell dar, der Hintergrund (die Zwischenräume) ist schwarz. Die Spur stellt sich, kriminaltechnisch betrachtet, farbverkehrt dar. Bei einer vergleichenden Untersuchung mit dem Ziel der Identifizierung des Spurenlegers würde die Spur hinsichtlich der „Übereinstimmung des allgemeinen Papillarlinienverlaufs und von 12 anatomischen Merkmalen (Minuzien) in Form und Lage zueinander“13 mit von Personen (Berechtigte oder Beschuldigte) gefertigtem Vergleichsmaterial untersucht. Das Vergleichsmaterial weist grundsätzlich schwarze Linien und weiße Zwischenräume auf. Für den gutachterlichen Vergleich wurde das Lichtbild 4 einer Farbumkehrung unterzogen. (vgl. Abb. 4/rechts). Handelt es sich hier um eine unzulässige inhaltliche Veränderung?

 

Abb. 4: Cyanacrylatspur farbverkehrt (links); Cyanacrylatspur Farbumkehrung per Bildbearbeitung (rechts).


Der Papillarlinienverlauf der daktyloskopischen Spur in Abb. 5/links wird durch den Aufdruck der Zigarettenverpackung überlagert. Es ist weder nachweisbar, dass es sich über und unter dem schwarzen Rechteck um ein und dieselbe Spur handelt, noch sind innerhalb des Rechteckes die für eine Auswertung notwendigen 12 Minuzien auszählbar. Die in der Aufnahme dargestellt Spur wäre so für einen daktyloskopischen Vergleich bzw. für eine Recherche in AFIS14 ungeeignet. Die Bildbearbeitung ermöglicht mit Hilfe einiger aufwändiger Bearbeitungsschritte die Unterdrückung der störenden Bereiche. Abb. 5/rechts zeigt das bearbeitete Foto mit der Folge, dass die Spur nun eindeutig als brauchbar klassifiziert werden kann. Auch hier stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit der Bearbeitung.

 


Abb. 5: Daktyloskopische Spur für eine Auswertung ungeeignet (links); geeignete Spur durch Nachbearbeitung (rechts)


Abb. 6 zeigt eine Übersicht der Spurenlage nach einem Tötungsdelikt mit anschließendem Suizid des Täters. In eine der beiden Aufnahmen wurde massiv sinnändernd eingegriffen. Nicht alle Veränderungen fallen sofort ins Auge. Hand aufs Herz, angenommen dem Leser läge nur eine der beiden Abbildungen vor, hätten Sie die Manipulationen auf Anhieb erkannt?

 

Abb. 6: Original und Manipulation.


Ähnlich verhält es sich bei den Abb. 7 und 8; erst die Gegenüberstellung beider Aufnahmen weckt beim Betrachter den Anfangsverdacht, dass es sich bei mindestens einer von beiden um eine Fotomontage (Fälschung) handeln könnte.

 


Abb. 7 u. 8: Original und Manipulation? Oder Manipulation und Original?


Die Beispiele dienen der Sensibilisierung in Bezug auf die Thematik und können beliebig erweitert werden. Theoretisch kann die Objektivität schon bei Fertigung einer Aufnahme beeinflusst werden, zum Beispiel durch die Wahl des Standortes, die Wahl von Brennweite, Blendengröße oder Belichtungszeit (vgl. Abb. 3). In Abhängigkeit der gewählten Parameter ändert sich die Bildaussage.


Die Projektgruppe „Digitale Bildaufnahme und -übertragung (PG DBÜ)“ hat hierzu festgestellt, dass die zur Fertigung eines Fotos notwendigen Entscheidungen (Wahl des Standortes/Entfernung) sowie die erforderlichen Kameraeinstellungen bereits zur Zeit der analogen Fotografie als „anerkannte Hilfsmittel“ keinen negativen Einfluss auf den Beweiswert hatten und diese Akzeptanz somit auf die digitale Fotografie übertragbar sei. In Bezug auf die nachträgliche Veränderung von Bilddaten hat sie sich dahingehend festgelegt, den übergeordneten Begriff „Bildbearbeitung“ in „inhalts- und sinnwahrende Bildbearbeitung“ sowie in „inhalts- und sinnändernde Bildbearbeitung“ zu gliedern.


Ersteres wird nunmehr durch die Bezeichnung „Bildaufbereitung“ konkretisiert, letzteres bezeichnet die Fälschung/Manipulation, die grundsätzlich die Integrität des Datensatzes aufhebt.


Unter Bildaufbereitung fallen gängige Arbeitsschritte, wie

  • Helligkeit
  • Kontrast
  • Schärfe
  • Ausschnittvergrößerung
  • aber auch komplexere Anwendungen, wie
  • Farbumkehrung (vgl. Abb. 4)
  • Spieglung
  • Filterung von störenden Bildelementen (vgl. Abb. 5)15

Unter sinnändernde und damit die Integrität und den Beweiswert negativ beeinflussende Bildbearbeitung fallen somit die Änderungen in den Abb. 6 bis 8. Diese Manipulationen verbieten sich grundsätzlich in der polizeilichen Fotografie. Dennoch sind Ausnahmen möglich. Einen Grenzfall stellt sicherlich die Panoramafotografie dar, insbesondere dann, wenn nachträglich mehrere Einzelaufnahmen zu einer Fotomontage zusammengesetzt werden. Insbesondere in diesen Grauzonen gewinnt die oben angeführte „Authentizität des Datenursprungs“ an Bedeutung. Bei Abb. 7 handelt es sich um eine Fälschung, die speziell für strafprozessuale Zwecke erstellt wurde und folglich eine Ausnahmestellung einnimmt. Diese Fotomontagen werden als Vergleichsbilder für das Wiedererkennungsverfahren „Wahllichtbildvorlage“ benötigt, für das es bei Verwendung von Originalbildern ansonsten in der StPO keine Rechtsgrundlage gibt.16