Phänomenologische Betrachtung des Wohnungseinbruchs

Von KD Christoph Frings, Duisburg

 

Vorangestellt werden muss, dass eine vollumfängliche Betrachtung des Wohnungseinbruchs im Rahmen eines begrenzten Fachaufsatzes naturgemäß nicht möglich ist. Bei den nachfolgenden Ausführungen habe ich mich daher auf wesentliche phänomenologische Aspekte beschränkt sowie den Focus einmal auf den Themenbereich der Haftsachbearbeitung gerichtet.

Gerade die Verletzung der Privatsphäre durch die Anwesenheit von Einbrechern in der eigenen Wohnung wird von den Opfern als elementarer Angriff empfunden und schädigt das Sicherheitsempfinden der Opfer nachhaltig. Der Gesetzgeber hatte daher bereits mit dem 6. Strafrechtsreformgesetz 1998 die Mindeststrafe für den Wohnungseinbruchsdiebstahl von ehemals drei Monaten auf sechs Monate angehoben. Zuvor waren die Fallzahlen stark gestiegen und hatten sich bis 1995 auf hohem Niveau etabliert. Mit wieder deutlich steigenden Fallzahlen ab etwa 2009 wurde erneut eine deutliche Anhebung des Strafrahmens gefordert. Dieser Forderung ist der Gesetzgeber im Juli 2017 nachgekommen. Die bisherige Mindeststrafe von sechs Monaten ist, bei Einbruch in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung, auf ein Jahre Freiheitsstrafe verdoppelt worden.2Der Wohnungseinbruch in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung ist im Grundstrafrahmen jetzt dem Raub gleichgestellt und als Verbrechen eingestuft.

 

 

1 Fallzahlen und Aufklärungsquote

 

Der Wohnungseinbruch wird in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) unter der Kennziffer 435.000 erfasst. Bei einer Begehung des Wohnungseinbruchs zwischen 06.00 und 21.00 Uhr wird von einem Tageswohnungseinbruch gesprochen, dieser wird in der PKS unter der Kennziffer 436.000 ausgewiesen.3Das Dunkelfeld im Bereich der registrierten Wohnungseinbrüche ist als gering einzustufen, da die meisten Hausratversicherungen eine Schadensregulierung von der Anzeigenerstattung bei der Polizei abhängig machen.

 


Abb. 1: Darstellung der Anzahl der Wohnungseinbrüche in den „alten Bundesländern“ von 1961 – 19914.

 


Abb. 2: Aufklärungsquote beim Wohnungseinbruch in den „alten Bundesländern“ von 1961 – 19915.

 


Abb. 3: Darstellung der Anzahl der Wohnungseinbrüche auf Bundesebene und in NRW von 1993 – 20186.

 


Abb. 4: Aufklärungsquote beim Wohnungseinbruch auf Bundesebene und in NRW von 1993 – 20187.


Bei langfristiger Betrachtung des Wohnungseinbruchs ist eine deutliche Schwankung der Fallzahlen feststellbar. Wenn man in die Betrachtung die Fallzahlentwicklung der „alten Bundesländer“ mit einbezieht, dann ist deutlich feststellbar, dass die Fallzahlen im Wohnungseinbruch von 25.298 Fällen im Jahr 1961 bis etwa Mitte der 1990er Jahre nur eine Richtung kannten, aufwärts. Die Jahre 1990 bis 1994/1995 waren durch einen deutlichen Anstieg der Fallzahlen und späteren Abschwung auf Bundesebene geprägt. Dieser Anstieg und der spätere Abschwung hatte sich in den Fallzahlen von NRW jedoch kaum niedergeschlagen. Betroffen waren seinerzeit, infolge des Mauerfalls, der Grenzöffnung und der Wiedervereinigung eher die östlichen Bundesländer. Anders gelagert ist der (deutliche) Anstieg der Fallzahlen, etwa ab 2009, bis ins Jahr 2015. Von diesem Anstieg war dann auch NRW deutlich betroffen. Ab 2016 ist dann wieder ein deutliches Absinken der Fallzahlen zu beobachten.

Bei den Fallzahlen sind Großstädte mit über 500.000 Einwohner stärker belastet als kleinere Gemeinden im eher ländlichen Umfeld. Ein Erklärungsansatz dafür ist sicherlich in einem (noch) intakten Nachbarschaftsgefüge in kleineren Orten zu sehen, so dass hier eine stärke informelle Sozialkontrolle durch potentielle Täter wahrgenommen wird.

Von den bundesweit über 5,5 Mio. Straftaten wurden über 57% lt. der PKS aufgeklärt. Verglichen damit kann man festhalten, dass die Aufklärungsquote beim Wohnungseinbruchsdiebstahl (WED), mit derzeit etwas über 18% als relativ gering angesehen werden kann.8Erschwerend für die polizeiliche Aufklärung der Tat ist natürlich, dass bei einer hohen Zahl der Fälle keine Täter-Opfer-Vorbeziehung vorliegt und das Opfer den Täter somit nicht direkt bei der Tatortaufnahme „mit liefert“. Gleichfalls tritt beim Wohnungseinbruch der Täter dem Opfer auch nicht, wie beim Raub, direkt gegenüber, so dass eine Personenbeschreibung, die Fahndungsansätze liefert, i.d.R. nicht vorliegt. Andererseits werden durch die Täter beim Eindringen in das Objekt vielfach Werkzeugspuren, Schuhspuren, körperzellenhaltige Spuren und auch heute noch Fingerspuren hinterlassen. Gleichfalls bietet die Diebesbeute vielfach Ermittlungsansätze. Hier ist ein breites Feld für die Ausermittlung von Spuren vorhanden. Insofern kann die Aufklärungsquote im Bereich des Wohnungseinbruchs, auch wenn sie derzeit leicht steigt, keinesfalls zufrieden stellen. Wenn nur etwa jeder sechste Wohnungseinbruch aufgeklärt wird, dies bedeutet ja keinesfalls auch die Aburteilung der Tat, dann ist das dem subjektiven Sicherheitsgefühl der Bevölkerung und dem Vertrauen in die Gewährleistung der Inneren Sicherheit durch den Staat abträglich.

 


Tatwerkzeug: Spachtel für „Türvierkant“ und Ziehfix.

 

 


Tatwerkzeug: Eigenbau.


Eine Untersuchung der kriminalistisch-kriminologischen Forschungsstelle des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen ergab, dass die Aufklärungsquote im Bereich des Wohnungseinbruchs mit zunehmender Schadenshöhe abnimmt. So betrug bei den ausgewerteten Fällen von 2008 bis 2011 bei einer Schadenssumme von unter 500 Ä die Aufklärungsquote 23,5%, bei einer Schadenssumme zwischen 501 und 1.500 Ä 17,7%, bei einer Schadenssumme zwischen 1.501 und 5.000 Ä 12,6% und bei einer Schadenssumme von über 5.000 Ä nur noch 10,2%.9Wenn man unterstellt, dass professionellere Täter auch höhere Beutesummen erlangen, werden deren Taten also weniger häufig aufgeklärt.

Beim Vergleich der Fallzahlentwicklung in den „alten Bundesländern“ von 1961 bis 1991 ist auffällig, dass der drastische Anstieg der Fallzahlen (Steigerung der Fallzahlen um über 600%) mit einer Halbierung der Aufklärungsquote einher ging. Es liegt die Vermutung nahe, dass dieser Anstieg der Fallzahlen keinesfalls mit einem parallelen Anstieg der in diesem Deliktsbereich eingesetzten Beamten einherging. Eine zunehmende Arbeitsbelastung der Sachbearbeiter führt zu einer entsprechend geringeren Bearbeitungszeit pro Ermittlungsvorgang und damit zur „Ökonomisierung“ der Sachbearbeitung, d.h. nicht mehr alle Spuren und Hinweise werden konsequent und kriminaltaktisch optimiert abgearbeitet.

Auch auf die heutige Zeit lässt sich dieser Aspekt übertragen. Steigende Fallzahlenentwicklung führt nicht direkt zum Einsatz von Personal in dem betroffenen Deliktsbereich. Vielfach steht ausgebildetes Personal auch gar nicht in der erforderlichen Zahl zur Verfügung, da die Ausbildungszahlen jahrelang hinter den Pensionierungszahlen zurückgeblieben sind. Erst wenn sich ein Fallzahlenanstieg verstetigt, werden personelle Verstärkungen oder Schwerpunktsetzungen vorgenommen. Entsprechende strategische und personelle Schwerpunktsetzungen mit hohem landesweiten Verfolgungsdruck im Bereich Wohnungseinbruchs- und Massenkriminalität durch polizeiliche „Maßnahmenpakete“, wie „Motiv“10in Nordrhein-Westfalen, zeigen dann auch entsprechende Wirkungen.

Der Anteil der versuchten Taten lag 1981 bei ca. 26% und ist bis heute nahezu kontinuierlich auf ca. 45% im Jahr 2018 gestiegen. Der Anstieg der Versuchstaten wird auch als ein Indikator für eine zunehmend bessere Objektsicherung angesehen. Da mit zunehmender Verweildauer der Täter am bzw. im Objekt das Entdeckungs- und Ergreifungsrisiko für die Täter steigt, könnte ein weiterer Grund auch sein, dass Täter(gruppen) ihr Arbeitsverhalten zunehmend professionalisieren, sich nur noch ein beschränktes Zeitfenster für das Öffnen und Eindringen ins Objekt setzen. Gelangen die Täter innerhalb dieses Zeitraumes nicht ins Objekt, wird der Tatversuch abgebrochen.

 

 

2 Tatzeiten

 

Der häufig zu Beginn der Schulferienzeiten bemühte Satz: „Urlaubszeit ist Einbruchszeit“ lässt sich nach Praxiserfahrungen so nicht bestätigen. Natürlich gibt es auch in den Sommermonaten Wohnungseinbrecher die gerade die günstigen Tatgelegenheiten, wie längerfristige Urlaubsabwesenheiten oder tagsüber auf „kipp“ geöffnete Fenster, trotz Abwesenheit der Bewohner ausnutzen. Die Masse der Einbruchsdelikte ereignen sich aber in der sog. „dunklen Jahreszeit“. Man könnte auch behaupten, die Saison der Wohnungseinbrecher beginnt etwa mit den St. Martinsumzügen und endet kurz nach Aschermittwoch. Diese Praxiserfahrung lässt sich durch eine Tatzeitaufschlüsselung für Nordrhein-Westfalen sehr anschaulich belegen. Im Gegenzug zum Fallzahlenanstieg ist feststellbar, dass die Aufklärungsquote in den fallzahlstarken Monaten deutlich zurückgeht. Bei kalter, feuchter Witterung und Dunkelheit mag sich kaum jemand freiwillig im Freien aufhalten. Somit geht in dieser Jahreszeit die informelle Sozialkontrolle selbst in Gebieten mit guten nachbarlichen Kontakten deutlich zurück. Somit sinkt dann auch das Hinweisaufkommen an die Polizei.

 


Abb. 5: Fallzahlenaufschlüsselung nach Tatmonaten 9/2018 – 9/2019 für NRW11.

 


Abb. 6: Aufschlüsselung der Aufklärungsquote nach Tatmonaten 9/2018 – 9/2019 für NRW12.


In Nordrhein-Westfalen hat es neben einem landesweiten Konzept zur Bekämpfung mobiler Täter (Konzeption MOTIV), der Zentralisierung der kriminalpolizeilichen Sachbearbeitung in zentralen Fachkommissariaten (statt in Regionalkommissariaten) auch eine mehrjährige Untersuchung der kriminalistisch-kriminologischen Forschungsstelle des Landeskriminalamtes zum Wohnungseinbruch gegeben. Im Rahmen dieser Forschungsstudie wurde festgestellt: „Während bei den Wohnungseinbruchsfällen durch professionelle Tatverdächtige eine auffällige Konzentration auf die Wintermonate zu beobachten ist […], verdichten sich die Fälle des sonstigen Diebstahls unter erschwerten Umständen (ohne Wohnungseinbruch) durch professionelle Tatverdächtige in den Sommermonaten.“13 D.h. es gibt eine „Grundlast“ durch örtliche Täter, der Fallzahlenanstieg in den Wintermonaten ist mit hoher Wahrscheinlichkeit aber auf die Aktivitäten überörtlicher professioneller Diebesbanden zurückzuführen. Diese Tätergruppen agieren deutlich professioneller als örtliche Täter oder Gelegenheitstäter. Da diese Tätergruppen zudem überörtlich agieren, sind die Erfolgsaussichten zur Tataufklärung reduziert.

 

3 Auswahl des Tatobjektes und der Beute


Grundsätzlich kann jeder Wohnungsinhaber Tatopfer werden, die Auswahl erfolgt in der Regel jedoch eher anhand des äußeren Erscheinungsbildes des Tatobjektes. Grundkriterien bei der Objektauswahl für die Täter sind u.a. die Faktoren

 

  • Beuteerwartung
  • Entdeckungsrisiko
  • Sicherung des Objektes
  • Annäherungs- und Fluchtmöglichkeiten Lage von Sicherheitsbehörden

Einfamilienhäuser werden vorzugsweise von der Gebäuderückseite her angegangen, gleichfalls die Erdgeschosswohnungen in Mehrfamilienhäusern. Ansonsten werden in größeren Mehrfamilienhäusern auch die Wohnungen in der obersten Etage über die Wohnungseingangstüre angegriffen.

Bei Einfamilienhäusern lässt sich die Aussicht auf Beute sowie der grundsätzliche Sicherungsumfang eines Objektes durch die Täter häufig von der Straße aus, anhand des Erscheinungsbildes des Objektes, beurteilen. Oft ist von der Straße aus bereits erkennbar, dass zudem der rückwärtige Gartenbereich des Objektes gegen die Sicht der (neugierigen) Nachbarn mittels sichthemmender Mauern, Zaunelementen oder Heckenbewuchs geschützt ist. Somit ist für die Täter das Entdeckungsrisiko, beim Angehen des Objektes von der rückwärtigen Seite aus, minimal. Bei Einfamilienhäusern minimieren freistehende Häuser für die Täter das Entdeckungsrisiko gegenüber Reihenhäusern. Bei Mehrfamilienhäusern ist das Entdeckungsrisiko der Täter dagegen etwas erhöht. Selbst beim Eindringen in die Erdgeschosswohnung besteht das Risiko, dass die Täter durch Bewohner der höher gelegenen Etagen gesehen werden. Bevorzugt werden in Mehrfamilienhäusern auch die Wohnungen der obersten Etage, insbesondere bei schlechter Sicherung der Wohnungseingangstüren – während der üblichen Arbeitszeiten – angegangen. Durch Klingeln wird zunächst überprüft, ob die Bewohner zu Hause sind. Häufig wird dann zur Sicherheit auch noch an den Wohnungstüren gehorcht, so dass hier vielfach entsprechende Ohrabdruckspuren sicherungsfähig wären. Das Entdeckungsrisiko der Tat in der obersten Etage ist für die Täter überschaubar, denn ein Personenverkehr der übrigen Hausbewohner findet dort in der Regel nicht statt.

Bevorzugt werden von professionellen Diebesbanden gerne Wohngebiete die eine gute Verkehrsanbindung haben. Sie gestatten es schnell – häufig noch vor Tatentdeckung – den Tatortbereich wieder verlassen zu können und so polizeilichen Maßnahmen zu entgehen.

Sowohl beim Modus Operandi, als auch bei der Beute lässt sich zwischen professionellen Tätern und örtlichen bzw. Gelegenheitstätern differenzieren. Laut einer Analyse der Kriminalistisch-Kriminologischen Forschungsstelle des Landeskriminalamtes optimieren professionelle Diebesbanden ihr Vorgehen bei der Durchsuchung des Tatobjektes um die Aufenthaltszeit im Objekt so gering wie möglich zu halten. Optimierte Suchstrategien der Täter sind u.a. bei der Tatortaufnahme daran erkennbar, dass diese Tätergruppen das Objekt einmal systematisch durchsuchen und an Möbelstücken mit der Öffnung der untersten Schublade beginnen. Das spart die Zeit für die Schließung der darüber befindlichen Schubladen ein.

Gestohlen wird neben Bargeld, EC-Karten, Kreditkarten und Schmuck alles was transportabel ist und sich zu Geld machen lässt. Jedoch erfolgt bei professionellen Diebesbanden die Auswahl der Beute wesentlich gezielter und die erbeuteten Werte sind höher als bei Gelegenheitstätern. „Die hohe Beutesumme bei professionellen Tätern kann insbesondere darauf zurückgeführt werden, dass professionell agierende Täter in einem Großteil der Fälle Schmuck erbeuten. Taten mit Schmuck sind häufiger in den Wintermonaten zu finden.“14

Bei professionellen Tätern findet eine deutliche Begrenzung auf wertige und leicht transportable Diebsbeute statt. Nach wie vor optimal ist für die Täter natürlich Bargeld, da es 1 zu 1 verwertet werden kann und praktisch nicht zum Opfer zurück verfolgbar ist.

 

4 Schadenshöhe


Grobsichtig könnte man zu dem Schluss kommen, dass mit dem Absinken der Fallzahlen auch der Schaden bei Wohnungseinbrüchen zurückgeht. Bezogen auf die Gesamtschadenssumme die insgesamt durch Wohnungseinbrüche verursacht wird gilt das. Ergänzend muss noch berücksichtigt werden, dass als Schaden in der polizeilichen Kriminalstatistik nur der Wert des Diebesgutes erfasst wird, nicht jedoch die verursachten Sachschäden.

Bis etwa zum Jahre 2010 galt noch der Grundsatz, dass der Schaden beim Tageswohnungseinbruch stets höher war als beim „normalen“ Wohnungseinbruch. Seit 2010 hat sich der Trend jedoch umgekehrt. Der Schaden beim „normalen“ Wohnungseinbruch übersteigt seit 2010 jährlich die Schäden die beim Tageswohnungseinbruch entstehen. Insgesamt lässt sich ein weitgehend kontinuierlicher jährlicher Anstieg der Schäden pro einzelnen vollendeten Wohnungseinbruch feststellen.

 


Abb. 7: Schadenshöhe beim Wohnungseinbruch auf Bundesebene 2002 – 201815.

 


Abb. 8: Aufschlüsselung der Schadenshöhe auf Bundesebene 2002 – 201816.

 


Abb. 9: Berechnung der durchschnittlichen Schadenssumme pro vollendetem Wohnungseinbruch bzw. Tageswohnungseinbruch auf Bundesebene17.

 

5 Tatmittel


„Professionelle Täter hebeln eher auf. Unerfahrene Täter nutzen stumpfe Gewalt. Das Aufhebeln von Fenstern und Türen ist mit Abstand die häufigste Zugangsart – in vier von fünf ungeklärten Fällen – und wird sie von Profis bevorzugt. Der Vergleich der Beutehöhe mit der Arbeitsmethode Aufhebeln zeigt: Unabhängig von der Art des Tatobjektes und der Tatklärung wurde bei den Taten, bei denen der Täter sich Zugang über das Aufhebeln von Türen und Fenstern verschafft hat, eine höhere Beute erzielt.“18

Die Masse der Tatmittel die als Einbruchswerkzeuge Verwendung finden, sind üblicherweise legal beschaffbar. Der Erwerb der Einbruchswerkzeuge (i.d.R. Massenartikel) ist durch die Täter unauffällig im Baumarkt und z.T. auch bei Sonderaktionen beim Diskounter möglich. Zum Aufhebeln von Türen oder Fenstern finden in der Regel stabile Schraubendreher Verwendung. Entsprechende Hebelwerkzeuge können im Pkw mitgeführt werden und lassen sich bei Kontrollen als übliches Bordwerkzeug erklären. Gleichfalls ist das Mitführen von Hebelwerkzeugen unter Winterbekleidung unauffällig möglich.

Wenn auch der Anteil der Versuchstaten beim Wohnungseinbruch über die Jahre kontinuierlich angestiegen ist, so sind auch heute neu errichtete Immobilien überwiegend schlecht gesichert. Nach wie vor wird für zusätzliche Sicherungseinrichtungen kaum oder kein Geld ausgegeben. Auch heute werden Neubauobjekte vorzugsweise mit Fenstern und Balkontüren in Kunststoffausführung ausgestattet. Gerade Fenster und Balkontüren mit Kunststoffrahmen lassen sich jedoch, durch die Flexibilität des Rahmenmaterials, für professionelle Täter schnell, geräuschlos und fast beschädigungsfrei aufhebeln. Hierbei sind, bei der späteren Tatortaufnahme, Lage und Zahl der Hebelmarken auch ein Indikator für die Professionalität der Täter.

6 Täter


Delikte des schweren Diebstahls und des Wohnungseinbruchs werden überwiegend von männlichen Tätern begangen. 2018 betrug der Anteil der männlichen Tatverdächtigen an allen Delikten des schweren Diebstahls 87,3% und an allen Wohnungseinbrüchen 85,2%. Hier hat es in den letzten Jahren keine großen Veränderungen gegeben.19 Obwohl es sich bei den Tätern hauptsächlich um Männer handelt, meidet der Wohnungseinbrecher grundsätzlich den Kontakt zum Opfer und flieht, wenn er bei der Tatausführung gestört wird.

 


Abb. 10: Entwicklung der Altersstruktur der Tatverdächtigen beim Wohnungseinbruch im Bundesgebiet 1998 –201820.

 


Abb. 11: Entwicklung des Anteils der nichtdeutschen Tatverdächtigen beim Wohnungseinbruch im Bundesgebiet 1998 – 201821.


Die Zeitreihe zeigt deutlich, dass sich die Altersstruktur der ermittelten Tatverdächtigen im Bereich des Wohnungseinbruchs deutlich verändert hat. Waren in dem Zeitraum von 1998 bis 2004 noch ca. 45% der Tatverdächtigen unter 21 Jahre alt und ca. 55% der Tatverdächtigen Erwachsene, so waren 2018 77,6% der Tatverdächtigen Erwachsene und nur noch 22,4% der Tatverdächtigen unter 21 Jahre alt. Eine ähnliche Entwicklung ist in der Altersstruktur der ermittelten Tatverdächtigen beim Tageswohnungseinbruchsdiebstahl zu beobachten.

Im Jahr 2018 lag der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen an der Zahl aller ermittelten Tatverdächtigen (ohne Berücksichtigung ausländerrechtlicher Verstöße) bei 30,5%.22 Auffällig ist bis zum Jahr 2016 die kontinuierliche Zunahme des Anteils der nichtdeutschen Tatverdächtigen auf einen Wert von über 51% beim Tageswohnungseinbruch bzw. 42,5% beim Wohnungseinbruch. Die Werte sind dann wieder gesunken auf 46,2% beim Tageswohnungseinbruch und 39% beim Wohnungseinbruch im Jahr 2018. Zeitlich fällt das Absinken des Anteils der nichtdeutschen Tatverdächtigen mit der Schließung der sog. „Balkanroute“ zusammen. U.a. errichtete zunächst Ungarn einen Grenzzaun zu Serbien und Österreich sowie Deutschland führten an der Südgrenze Grenzkontrollen ein. Diese Maßnahme führte dann zu weiteren Grenzsicherungsmaßnahmen der Nachbarstaaten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit erschweren diese Grenzsicherungsmaßnahmen mobilen ausländischen Tätergruppen die Einreise nach Deutschland und tragen somit zum Absinken der Fallzahlen bei. Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist einige stärker belastete Personengruppen speziell aus. Zur besseren Übersicht soll die Aufschlüsselung der Nichtdeutschen Tatverdächtigen in zwei separaten Diagrammen erfolgen. Auch wenn nur etwa jeder sechste Wohnungseinbruch durch die Polizei aufgeklärt wird, so sind insgesamt 5.078 ermittelte nichtdeutsche Tatverdächtige doch eine ausreichend große Personengruppe für weitere Einzelbetrachtungen.

 


Abb. 12: Aufschlüsselung des Anteils der nichtdeutschen Tatverdächtigen beim Wohnungseinbruch im Bundesgebiet23.


Der Anteil Täter türkischer Staatsangehörigkeit beträgt 7% im Jahr 2018, jedoch macht diese Bevölkerungsgruppe mit fast 1,5 Mio. die größte ausländische Bevölkerungsgruppe in Deutschland aus. Mit über 860.000 Menschen sind polnische Staatsangehörige die zweit größte Bevölkerungsgruppe und rumänische Staatsangehörige mit fast 700.000 Einwohnern die viertgrößte Bevölkerungsgruppe. Die drittstärkste Gruppe der ausländischen Wohnbevölkerung stellen Syrer dar mit ca. 745.000 Personen.24 Ihr Anteil an den nichtdeutschen Tatverdächtigen beim Wohnungseinbruch beträgt allerdings lediglich 3,7%.

Im Jahr 2015 stellten Tatverdächtige mit serbischer Staatsangehörigkeit mit 13,9% die größte Personengruppe der nichtdeutschen Tatverdächtigen. Der Anteil der serbischen Bevölkerung in Deutschland liegt lt. dem Statistischen Bundesamt derzeit bei ca. 231.000 Personen. Der Anteil Tatverdächtiger mit serbischer Nationalität ist dann bis 2018 auf 8,5% gefallen. Hier mag ein Zusammenhang mit der „Schließung der Balkanroute“ bestehen. Dies scheint aber statistisch keine Auswirkung auf den Anteil von Tatverdächtigen mit albanischer Staatsangehörigkeit zu haben. Dieser Anteil liegt seit 2015 bei konstant ca. 10%. Dieser Wert ist auffällig bei ca. 56.000 albanischen Staatsangehörigen in Deutschland und einer Gesamteinwohnerzahl in Albanien von unter 3 Mio. Einwohnern.

 

7 Zusammenfassung


Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass professionelle Täter eine höhere Beute erlangen als Gelegenheitstäter. Insbesondere die Erbeutung von Schmuck durch professionelle Einbruchsbanden treibt die Schadenssummen in die Höhe. Professionelle Tätergruppen bevorzugen, dass Aufhebeln von rückwärtigen Fenstern und Balkontüren als bevorzugte Arbeitstechnik. Bevorzugt angegangen werden Einfamilienhäuser aber auch Erdgeschosswohnungen. Für die Tatortauswahl der Täter ist ein entscheidendes Kriterium, dass der Einstiegsbereich möglichst gegen Einsicht gedeckt ist.

Seit 1981 ist ein stetiger Anstieg der Einbruchsversuche zu beobachten. Fraglich ist, ob dies nur auf eine bessere Gebäudesicherung alleine zurückgeführt werden kann oder nicht auch Hinweis auf eine teilprofessionelle, zeitoptimierte Arbeitsweise professioneller Täter sein könnte. In den sog. „dunklen Monaten“, also dem Zeitraum etwa zwischen St. Martin und kurz nach Aschermittwoch ereignen sich die meisten Einbruchsdelikte und nicht in der „hellen“ Haupturlaubszeit im Sommer.

 

 


Abb. 13: Aufschlüsselung des Anteils der nichtdeutschen Tatverdächtigen beim Wohnungseinbruch im Bundesgebiet25.


Der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen und der Anteil erwachsener Täter ist etwa ab 2002 bis 2015 deutlich angestiegen, seit 2006 sind zudem die Fallzahlen der Wohnungseinbruchs bis 2015 erheblich gestiegen. Seit 2016 sind dann die Fallzahlen und der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen wieder deutlich gefallen. Dies ist eine deutliche Parallelität zur Schließung der sog. „Balkanroute“ im Herbst 2015. Offenbar ist der deutliche Anstieg der Fallzahlen im Bereich des Wohnungseinbruchs zu einem wesentlichen Teil auf (professionelle) südosteuropäische Tätergruppierungen zurückzuführen, die zur Begehung dieser Taten für einen beschränkten Zeitraum nach Deutschland eingereist sind. Wenn jedoch Grenzsicherungsmaßnahmen (u.a. Grenzkontrollen an der deutschen Grenze zu Österreich) entsprechenden Tätergruppen die „Arbeit erschweren“ scheint der Ausgleich für den Entfall der Grenzkontrollen nach Einführung des „Schengen-Raums“ und weiterer EU-Reiseerleichterungen noch nicht vollumfänglich gelungen zu sein.

Die Polizei hat den Wohnungseinbruch und den schweren Diebstahl als einen polizeilichen Handlungsschwerpunkt erkannt und hier Kräfte gebündelt. Aufgrund der besonderen Auswirkungen auf das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung eine richtige Schwerpunktsetzung. Jedoch darf das Absinken der Fallzahlen im Bereich der Gesamtkriminalität und des Wohnungseinbruchs nicht dazu führen, dass kein Handlungsbedarf mehr in diesem Handlungsfeld gesehen wird. Ein Rückgang polizeilicher Aktivität in diesem Handlungsfeld wird mittelfristig wieder zu einem Anstieg der Fallzahlen führen. Zudem stehen weitere, personalintensive, neue Handlungsfelder, die Personalkräfte in hoher Zahl und für längere Zeit binden, wie Clan-Kriminalität, politisch motivierte Kriminalität und die Bekämpfung des Handels mit Kinderpornografie an.

 

8 Exkurs: Haftsachenbearbeitung


Bei der Festnahme von tatverdächtigen Personen schließt sich für die Fachkommissariate der Kriminalpolizei regelmäßig die Bearbeitung der Haftsache an. Eine Möglichkeit zur Steigerung der Aufklärungsquote ist die Optimierung der Haftsachenbearbeitung.

8.1 Vorbemerkungen

Die Ausklärungsquote von 15,4% im Bereich des schweren Diebstahls sowie von 18,1% im Jahre 201826 sind, wie bereits zuvor festgestellt, nicht gerade ein Aushängeschild für eine erfolgreiche Ermittlungsarbeit der Polizeibehörden. Die Delikte des schweren Diebstahls können auch als die sog. „schwer aufklärbare Delikte“27 bezeichnet werden. Gemeinhin fehlt es für eine hohe Aufklärungsquote der Polizei an entsprechenden Täter-Opfer-Vorbeziehungen (d.h. Täter ist vielfach dem Opfer namentlich bereits bekannt) oder an brauchbaren Personenbeschreibungen durch Opfer und Augenzeugen der Tat. Erkenntnisse aus der polizeilichen Kriminalstatistik zu „dem Wohnungseinbrecher“ sind bekanntlich grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen, denn das Dunkelfeld (der nicht aufgeklärten Taten) ist wesentlich größer als das Hellfeld (der aufgeklärten Taten). Erfahrungen aus der polizeilichen Praxis zeigen jedoch, dass der Wohnungseinbruch grundsätzlich kein Einstiegsdelikt ist und Wohnungseinbrecher eher Serientäter und keine Einzeltäter sind.

Nach einer Auswertung der kriminologischen Forschungsstelle des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen ist bei den Wohnungseinbrüchen eine auffällige Konzentration von Taten professioneller Tatverdächtiger in den Wintermonaten zu beobachten.28 Andererseits gibt es nach wie vor auch örtliche Täter und „Einstiegstäter“, die ihr Tätigkeitsfeld wechseln und jetzt im Bereich des Wohnungseinbruchs aktiv sind. Zur Steigerung der Aufklärungsquote verbleiben daher u.a. folgende Wege:

 

  • Optimierung der polizeilichen Tatortarbeit um das Spurenaufkommen und die Qualität der gesicherten Spuren zu verbessern.
  • Konsequenter Abgleich gesicherter Tatortspuren mit entsprechenden Spurensammlungen zur Herstellung von Tat-Tat und Tat-Täterzusammenhängen.
  • Intensivierung der Ermittlungen zur Diebesbeute sowie möglichen Absatzwegen.
  • Optimierung der Haftsachenbearbeitung bei festgenommenen Tätern.


Im Rahmen dieser Ausführungen soll ausschließlich die Haftsachenbearbeitung behandelt werden. Ziel eines Ermittlungsverfahrens ist die Erforschung aller tatbestandsmäßigen Umstände, die für eine Beurteilung und spätere Aburteilung der Tat relevant sind. Das Ziel der polizeilichen Haftsachenbearbeitung kann daher nicht nur darin liegen, einen festgenommenen und dringend tatverdächtigen Beschuldigten dem Haftrichter vorzuführen um den Sachverhalt schnell „vom Tisch“ zu bekommen. Im Rahmen der Haftsachenbearbeitung muss vielmehr die Tat beweiskräftig ausermittelt werden, wegen der die Festnahme des Täters/der Täter erfolgte. Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, dass dann als erfolgreiche Ermittlungsarbeit zu bezeichnen. Da der Wohnungseinbrecher eher ein Serientäter ist, muss der Festnahmeerfolg des Streifendienstes durch die Ermittlungsdienststellen vielmehr dazu genutzt werden, weitere Taten der festgenommen Person bzw. den festgenommenen Personen zuzuordnen bzw. nachzuweisen.

Der Anfall von Haftsachen ist grundsätzlich nicht planbar und erfordert daher eine flexible Reaktion bei der Organisation der innerdienstlichen Abläufe. Bereits bei der Übernahme des Vorgangs ist zu prüfen, wann die Höchstfestnahmezeit des/der Beschuldigten erreicht ist. Das kurze Zeitfenster (Vorführung spätestens am Folgetag) erzwingt eine konsequente Priorisierung der Ermittlungen. Unter Ermittlungen können „alle Untersuchungshandlungen von Ermittlungspersonen zur Aufdeckung strafbarer Handlungen sowie zur Aufklärung von Straftaten [ ] und anderen kriminalistisch relevanten Ereignissen“29 verstanden werden. Vordringlich sind zunächst unaufschiebbare Maßnahmen mit Vorführrelevanz durchzuführen, d.h. Ermittlungen zu den Haftgründen sowie die Stärkung des dringenden Tatverdachtes sowie Ermittlungen zu weiteren Tatzusammenhängen. Ermittlungen die erst Wochen später Ergebnisse liefern sind zunächst zurück zu stellen. Dazu zählt dann häufig auch die Untersuchung und Auswertung gesicherter Tatortspuren. Ein elementarer kriminaltaktischer Fehler ist es, eine Haftsache mit einem möglichst geringen Personaleinsatz bewältigen zu wollen. Eine konsequente Haftsachenbearbeitung ist auch heute, eine der Möglichkeiten, ganze Tatserien aufzuklären.


Dargestellt werden nachfolgend die wesentlichen Maßnahmen die regelmäßig im Rahmen einer Haftsachenbearbeitung anstehen. Die Angesprochenen Maßnahmen sind keinesfalls als abschließend dargestellt anzusehen. Weiter sei darauf hingewiesen, dass die Haftsachenbearbeitung mit der späteren Vorführung des/der Beschuldigten und dem Erlass eines Haftbefehls keinesfalls abgeschlossen ist. Auch danach sind die Arbeiten konsequent weiter zu führen. Abgeschlossen ist das Verfahren polizeilich erst, wenn es vollständig ausermittelt ist.

8.2 Identitätsfeststellung

Eine Schlüsselmaßnahme sowohl für die Durchführung eines Strafverfahrens, aber auch für die Informationsauswertung zur Person des/der Beschuldigten in polizeilichen oder anderen Dateien ist die zweifelsfreie Feststellung der Identität einer Person. Zur sicheren Feststellung der Identität sind ausschließlich amtliche Lichtbildausweise geeignet. Bei ausländischen Identitätspapieren ist hier zum Teil Vorsicht geboten, diese sind, wenn sie nicht geläufig sind, besonders intensiv zu überprüfen. Ausländische Personalpapiere sollten zudem stets kopiert werden um Fehler bei der Schreibweise des Namens zu vermeiden (bereits kleine Fehler können hier fatale Folgen haben). Bestehen Zweifel an der Identität einer Person, so ist die Person unbedingt erkennungsdienstlich zu behandeln, die erlangten Fingerabdrücke sind dann in AFIS zu überprüfen.

 



Abb. 14: Problembereiche der Haftsachenbearbeitung


Ist die Identität der Person geklärt, so ist zu prüfen wo sie ihren Wohnsitz hat oder aufhältig ist. Hierzu genügt es regelmäßig nicht, die Person im Einwohnermelderegister zu überprüfen und den gemeldeten Wohnort dann als „festen Wohnsitz“ anzusehen. Grundsätzlich ist der ermittelte Wohnsitz oder Aufenthaltsort durch Ermittlungskräfte aufzusuchen. Hier ist abzuklären oder es sich dabei nur um eine Meldeanschrift der Person handelt oder tatsächlich einen „festen Wohnsitz“ der Person mit einer entsprechenden Vermögensbindung. Gerade reisende bzw. professionelle Täter aus südosteuropäischen Ländern übernachten häufig in elenden Quartieren. Oft nächtigen dort viele Personen in einem Raum, die Bezahlung pro Übernachtung wird bar bezahlt. Hab und Gut der Bewohner befindet sich in einigen Plastiktüten. Diese „Unterkünfte“ sind nicht als „fester Wohnsitz“ anzusehen. Zu überprüfen ist stets wem das Inventar einer Wohnung gehört, wie lange wohnt die beschuldigte Person dort schon, wohnt sie dort eventuell nur vorübergehend, gibt es einen Mietvertrag, wie wird die Miete (monatlich?) überwiesen, etc. Für eine spätere ermittlungsrichterliche Entscheidung über den Erlass eines Haftbefehls sind diese Umstände unbedingt beweissicher zu dokumentieren. Im Rahmen der Wohnsitzüberprüfung ist weiterhin zu überprüfen, welche Personen sich dort noch aufhalten. Kommen sie ggf. als Tatbeteiligte ebenfalls in Betracht. Können Beschuldigte nicht zweifelsfrei identifiziert werden, so sind sie nicht ohne Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft zu entlassen. Hier kommt der Haftgrund der Fluchtgefahr in Betracht. Bestehen bei nicht(sicher) identifizierten Personen Zweifel an der Strafmündigkeit ist stets die Erstellung eines vereinfachten Altersgutachtens (Handwurzelröntgen in der Rechtsmedizin) zu veranlassen.

 


Abb. 15: Übersicht über die wesentlichen Maßnahmen im Rahmen der Haftsachenbearbeitung.

8.3 Informationsauswertung

Nach der zweifelsfreien Klärung der Identität ist eine umfassende Informationsauswertung zur beschuldigten Person durchzuführen. Die Person ist hierzu nicht nur im ADV-System hinsichtlich eventuell vorliegender Haftbefehle und vorliegender kriminalpolizeilicher Erkenntnisse abzufragen. Soweit über die Person eine Kriminalakte vorliegt, ist diese auszuwerten, insbesondere zu möglichen weiteren früheren Aufenthaltsorten (Ansatzpunkt für Wohnungsdurchsuchung?), ehemalige Mittäter und dem Verhalten in der verantwortlichen Vernehmung. Die Person ist weiterhin im jeweils landesspezifischen Vorgangsbearbeitungssystem (z.B. VIVA und IGVP für NRW) landesweit abzufragen. Hierbei ist auch stets die Korrektheit der bisher vorliegenden Einträge in VIVA zu prüfen, da die Daten nur noch einmal erfasst werden. Nicht korrigierte Fehler im VIVA-Datenbestand würden sich ansonsten auf jede weitere Datennutzung negativ auswirken.

Nur dadurch lassen sich weitere aktuell anhängige Ermittlungsverfahren gegen die beschuldigte Person herausfinden, die noch nicht abgeschlossen worden sind. Soweit möglich, ist beim Straßenverkehrsamt zu überprüfen ob auf die Person Fahrzeuge zugelassen sind. Zu prüfen ist weiterhin, ob über die beschuldigte Person Einträge im Einwohnermelderegister vorhanden sind. Erweisen sich diese als unzutreffend, ist ein (kurzer) Bericht an die zuständige Einwohnermeldebehörde vorzulegen. Ergänzen lassen sich die Abfragen zu Person ggf. durch eine Abfrage im Ausländerzentralregister sowie der Recherche in Datenbanksystemen (u.a. FINDUS).

Vor der Durchführung weiterer Ermittlungen ist eine intensive und sorgfältige Informationsauswertung bezüglich weiteren in Betracht kommenden Straftaten, die durch den/die Beschuldigten begangen worden sein könnten, durchzuführen. Hierzu bieten sich u.a. die Recherche in den jeweiligen länderspezifischen Vorgangsbearbeitungssystemen (für NRW VIVA bzw. IGVP) sowie die Auswertung von „Zweitschriften“ bislang ungeklärter Taten an.

8.4 ED-Behandlung/Entnahme von Körperzellen

Wenn professionelle Täter auch zunehmend versuchen, Spuren am Tatort zu vermeiden, ist der Wohnungseinbruch auch heute noch ein Delikt, wo an Tatorten stets mit auswertefähigen Spuren der tatbeteiligten Personen zu rechnen ist. Weiter ist mit entsprechenden Spuren an Tatwerkzeugen und der Beute zu rechnen. Ausgehend von der Hypothese, dass professionelle Täter keine Einzeltäter sind sowie in der Vernehmung häufig nicht aussagen, setzt die Zuordnung weiterer in Betracht kommender Taten, eine spurentechnische Zuordnung voraus. Grundbedingung dafür ist die Erlangung entsprechenden Vergleichsmaterials zur Einstellung in polizeiliche Sammlungen. Da der Wohnungseinbruch in eine dauerhaft zu Wohnzwecken genutzte Wohnung seit Juli 2017 ein Verbrechen darstellt, dürften die erkennungsdienstliche Behandlung der Person als auch die Entnahme einer Speichelprobe (im Weigerungsfall die Entnahme einer Blutprobe) zur Einstellung in die DAD, nicht an Verhältnismäßigkeitsüberlegungen scheitern. Grundsätzlich ist nicht zu prüfen ob man unbedingt eine erkennungsdienstliche Behandlung und Entnahme einer Speichelprobe durchführen muss, sondern sie ist stets dann durchzuführen, wenn sie rechtlich möglich ist. Nicht ausgeblendet werden sollte dabei auch, dass die Änderung von Haarstyling und Barttracht durchaus im Modetrend sind. Sollte die Person von einigen Wochen bereits erkennungsdienstlich behandelt worden sein, so ist zu überprüfen ob durch Änderungen des äußeren Erscheinungsbildes nicht doch neue Lichtbilder erforderlich sind. Soweit die rechtlichen Möglichkeiten vorliegen, sollte zudem das Schuhwerk von festgenommenen Tätern sichergestellt und mit (lokalen) Schuhabdrucksammlungen abgeglichen werden. Die Untersuchung von gesicherten Spuren ist zunächst zurückzustellen, es sei denn, die Ergebnisse liegen bereits bei der Vorführung der Beschuldigten vor. Allerdings müssen die Überlegungen, welche Spuren später zu untersuchen sind bereits zum jetzigen Zeitpunkt angestellt werden, damit entsprechende Vergleichsmaterialien gesichert werden können.

8.5 Beschlagnahme

Mit Übernahme des Vorgangs sind zunächst die Asservate auf Vollzähligkeit zu überprüfen. Die persönlichen Gegenstände, die bei der Festnahme als nicht beweiserheblich eingestuft werden, verbleiben (zumindest im Bundesland Nordrhein-Westfalen) sichergestellt im Polizeigewahrsam. Diese persönlichen Gegenstände sind zu Beginn der Sachbearbeitung persönlich in Augenschein zu nehmen. So wird häufig das Handy des Beschuldigten auch heute immer noch als persönlicher Gegenstand angesehen. Für die Sicherstellung/Beschlagnahme des Handys genügt es, dass der Gegenstand für die weiteren Untersuchungen potentiell von Bedeutung sein kann. Diese Eignung ist durchaus gegeben.

Zudem ist zu prüfen, ob bei bislang durchgeführten Sicherstellungen von Beweismitteln eine Beschlagnahmeverfügung als Einziehungsgegenstand ausgesprochen werden muss (so z.B. bei aufgefunden Bargeldbeträgen die offenbar Diebesbeute sind). Alle mitgeführten Gegenstände der Beschuldigten sind, soweit sie Individualnummern aufweisen, in ADV-INPOL/SIS abzufragen.

Finden sich bei den persönlichen Gegenständen des/der Beschuldigten Tankquittungen, Parkbelege, Kassenzettel etc. sind diese sicherzustellen. Sie geben einen Hinweis auf mögliche Aufenthaltsorte der Täter und somit neue Ermittlungsansätze, wo die Personen ggf. für weitere Einbruchsdelikte in Betracht kommen könnten.

8.6 Durchsuchung

Bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen sind Wohnungen oder Aufenthaltsorte von Beschuldigten grundsätzlich zu durchsuchen. Entsprechende Durchsuchungen sind, auch wenn der Zeitdruck bei Haftsachen groß ist, stets vorzubereiten. Grundsätzlich ist sowohl ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss einzuholen, als auch Durchsuchungszeugen hinzuzuziehen. Auch bei Tageslicht sollten immer leistungsfähige Lichtquellen bei Durchsuchungen mitgeführt werden. In Kellern und Lagerräumen ist erfahrungsgemäß oft die Beleuchtung defekt oder die Ausleuchtung schlecht, wenn die Polizei erscheint. Da aufgefundene Beweismittel auch stets Träger von Fingerspuren und DNA-Spuren sind, ist entsprechendes Verpackungsmaterial für eine sachgerechte Spurensicherung zu beschaffen und mitzuführen. Je nach gesuchtem Beweismittel sind für die Durchsuchung bereits im Vorfeld der Maßnahme entsprechende Hilfsmittel (wie z.B. Spürhunde) auf Verfügbarkeit zu prüfen und hinzuzuziehen.

In Betracht kommende Durchsuchungsobjekte sind zuvor „büromäßig“ aufzuklären, entsprechendes Material für eine spurenerhaltende Sicherstellung von Beweismitteln ist zu beschaffen und mitzuführen. Oft ist jedoch die Klärung wo sich im Durchsuchungsobjekt die Wohnung oder der Aufenthaltsort des/der beschuldigten befindet und welche Räume und Nebengelasse ggf. dazu gehören, nur vor Ort möglich. Die Durchsuchung muss dann auch direkt im Anschluss erfolgen, ansonsten ist davon auszugehen, dass Beweismittel und Beute-(Reste) sofort beseitigt werden.

Bei der Durchsuchung sind anwesende Personen, nach Eröffnung des Durchsuchungsbeschlusses direkt auch statusangemessen als Zeugen/Tatverdächtige oder Beschuldigte zu belehren. Somit ist dann sichergestellt, dass erlangte Aussagen zu den Eigentumsverhältnissen, bei Auffindung von Beweismitteln oder Einziehungsgegenständen, später vor Gericht zur Beweisführung verwertbar sind. Die Identität alle angetroffenen Personen in der Wohnung ist umgehend zweifelsfrei festzustellen, die Personen sind fahndungsmäßig abzufragen. Aufgefundene Beweismittel sind bei ihrer Auffindung zunächst zu fotografieren und dann so sicherzustellen, dass vorhandene Finger- und DNA-Spuren auswertefähig erhalten bleiben. Die Eigentums- und Zugriffsverhältnisse zu aufgefundenen Gegenständen sind vor Ort von den anwesenden Personen zu erfragen und zu dokumentieren. Potentiell weiteres, für Einbrüche geeignetes Werkzeug, ist sicherzustellen und später spurentechnisch abzuklären.30

Im Rahmen der Durchsuchung ist weiterhin auf Mietverträge für Garagen oder weitere Objekte achten, ggf. Maßnahme auf diese Objekte ausweiten [Beschluss erweitern lassen oder Gefahr im Verzuge]. Weiterhin ist im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung auf Vermögenswerte zu achten, die im Rahmen von Finanzermittlungen zu sichern sind.

8.7 Vernehmung

Auch wenn Haftsachen unter hohem Zeitdruck und einer engen Personalausstattung bearbeitet werden, so sind doch die wesentlichen Zeugen, die Aussagen zum Kerngeschehen (Tatopfer/Augenzeugen der Tat) machen können, auf der Dienststelle zu Protokoll zu vernehmen. Ggf. bietet es sich an, die Vernehmung zunächst auf das vorführrelevante Kerngeschehen (aus zeitlichen Gründen) zu beschränken und nicht vorführrelevante Aspekte, nach der Haftvorführung des Beschuldigten, in einer späteren Vernehmung am Folgetag nachzuholen.

Wann die Vernehmung des/der Beschuldigten im Ermittlungsverfahren erfolgen muss, ist verfahrensrechtlich nicht festgelegt, gleichfalls ist es auch zulässig, eine beschuldigte Person mehrfach zu dem gleichen Sachverhalt zu vernehmen. Einzig zwingend muss der Beschuldigte vor der Vorführung beim Haftrichter die Möglichkeit haben, dass ihm rechtliches Gehör gewährt wird. Eingebürgert hat sich, aus kriminaltaktischen Aspekten, den/die Beschuldigten erst nach der Vernehmung wesentlicher Zeugen, der erfolgten Durchführung von Durchsuchungen und der Auswertung sichergestellter Beweismittel, sozusagen abschließend vor der Einholung der Vorführentscheidung der Staatsanwaltschaft, zu vernehmen.

Vor der Vernehmung des Beschuldigten sollte abgeklärt werden, ob es schon Vernehmungsgespräche zwischen dem/den Beschuldigten und den festnehmenden Streifenbeamtinnen und Streifenbeamten gegeben hat. Sollte es diese Gespräche gegeben haben, so ist zu klären, ob vor dem Vernehmungsgespräch eine sachgerechte Belehrung stattgefunden hat. Oft besteht auch heute im Streifendienst noch die irrige Rechtsauffassung, diese Gespräche seien nach der Festnahme noch als „informatorische Befragung“ anzusehen. Ebenfalls ist zu überprüfen, ob die rechtlich vorgeschriebene Belehrung nach § 114b StPO, nach der Festnahme der Person erfolgte. Sind entsprechende Belehrungen des/der Beschuldigten vor entsprechenden „Gesprächen“ nicht erfolgt, so sind diese qualifiziert zu belehren, damit die spätere Protokollvernehmung, bei einer Aussageverweigerung des/der Beschuldigten vor Gericht auch verwertbar ist (Vernehmungsbeamte als Zeugen vom Hörensagen).Trotz des Zeitdrucks bei Haftsachenbearbeitungen sollte nicht darauf verzichtet werden, den Beschuldigten, bei Aussagewilligkeit, zunächst zur Person zu vernehmen. Hierbei ergeben sich häufig gute Begründungsansätze für die ED-Behandlung sowie zur Entnahme von Körperzellen und zu Haftgründen.

Die Vernehmung zur Sache sollte aus taktischen Gründen mit der aktuellen Tat begonnen werden, auch wenn es die letzte Tat einer Serie durch den Beschuldigten gewesen ist. I.d.R. liegen zur aktuellen Tat die meisten Beweismittel vor. Sollte der Beschuldigte auf frischer Tat noch im Tatobjekt festgenommen worden sein, lässt sich die Tat durch ihn ja kaum noch leugnen. Bezogen auf die aktuelle Tat ist auch schon mal von „professionellen“ Einbrechern ein (Teil-)Geständnis zu bekommen.

Die Abarbeitung der weiteren in Betracht kommenden Taten solle dann nicht in chronologischer Reihenfolge erfolgen, es sei denn der Beschuldigte legt von sich aus ein umfassendes Geständnis ab. Nach der aktuellen Tat sollten zunächst die Delikte, die dem Beschuldigten mit höchster Wahrscheinlichkeit zuzuordnen sind (d.h. mit der besten Beweislage) und der höchsten Strafandrohung (= hohe Inhaftierungswahrscheinlichkeit) abgehandelt werden. Bei hohem Zeitdruck muss ggf. zunächst darauf verzichtet werden alle Tatdetails herauszuarbeiten. Hierzu kann der Beschuldigte später nachvernommen werden.

Die Vernehmung des Beschuldigten sollte bei Aussagewilligkeit nach der Haftvorführung und der Verkündung des Haftbefehls direkt fortgesetzt werden. Der Beschuldigte sollte nach Haftbefehlsverkündung nicht der Justizvollzugsanstalt zugeführt werden. Der Versuch den Beschuldigten dort einige Tage später erneut zu weiteren Taten/Tatdetails zu vernehmen, verläuft meist erfolglos, denn der Beschuldigte wurde zwischenzeitlich durch Mithäftlinge „gebrieft“. Es ist eine „Ausführungsanordnung“ zu erwirken, damit der Beschuldigte unmittelbar nach Verkündung des Haftbefehls direkt wieder dem Polizeigewahrsam zugeführt werden kann. Die Vernehmung ist dann – unter dem Eindruck der Verkündung des Haftbefehls – unmittelbar fortzusetzen.

Vorhalte aus Ermittlungsakten sind nur bei Aussagewilligkeit des Beschuldigten zur Stützung seiner Erinnerung tunlich, so wenn er nicht mehr weiß wo er überall eingebrochen ist oder wenn ermittlungstaktisch unabdingbar. Ansonsten sollten keine Erkenntnisse aus der Ermittlungsakte preisgegeben werden. Ziel der verantwortlichen Vernehmung ist eine Erkenntnisgewinn der Ermittlungsbehörden vom Beschuldigten und nicht ein Erkenntnisgewinn des Beschuldigten aus den Ermittlungsakten.

8.8 Aktenführung und Vorführung

Die polizeiliche Ermittlungsarbeit im Strafverfahren ist kein Selbstzweck, sondern im Rahmen der Haftsachenbearbeitung der erste Schritt in einem justiziellen Verfahren. Die Entscheidung über den Abschluss eines Ermittlungsverfahrens steht nur der zuständigen Staatsanwaltschaft zu. Sie trifft auch die Entscheidung über eine mögliche Anklageerhebung oder Vorführung des Beschuldigten beim Haftrichter. Die entsprechenden Ermittlungsergebnisse sind der Staatsanwaltschaft in Form der Ermittlungsakte vorzulegen. Sowohl die Entscheidungsfindung der Staatsanwaltschaft über die Anklagewürdigkeit einer Straftat sowie die Entscheidung des Haftrichters über die Verkündung eines Untersuchungshaftbefehls erfolgt ausschließlich auf der Grundlage der vorliegenden Ermittlungsakte. Die Vorführentscheidung der Staatsanwaltschaft wird ebenfalls auf die vorliegende Ermittlungsakte und einen kurzen telefonischen Sachvortrag des polizeilichen Sachbearbeiters beim Eildienst der Staatsanwaltschaft gestützt. Selbst die spätere Hauptverhandlung wird durch den Tatrichter anhand der Ermittlungsakte vorbereitet. Da sowohl eine Vorführentscheidung der Staatsanwaltschaft, die Verkündung eines Untersuchungshaftbefehls durch den Ermittlungsrichter und eine spätere Aburteilung durch den Tatrichter angestrebt ist, muss eine Ermittlungsakte klar aufgebaut sein und die Ermittlungsergebnisse sind überzeugend und klar darzulegen. Es gilt der Grundsatz: „Wird der Büronachbar aus der Akte nicht ‚schlau‘ dann wird sie auch in der Vorführung und Gerichtsverhandlung nicht überzeugen.“ Die Ermittlungsakte ist bei Vorführsachverhalten dreifach zu führen. Jeweils eine Ausfertigung bekommt der Ermittlungsrichter im Rahmen der Vorführung, eine Ausfertigung bekommt unverzüglich die zuständige Staatsanwaltschaft und eine Ausfertigung verbleibt bei der Polizei zur Weiterführung der Ermittlungen. Die polizeiliche Aktenausfertigung muss alle Unterlagen enthalten, denn sie dient auch der Vorbereitung der polizeilichen Zeugen auf die spätere Gerichtsverhandlung. Im Rahmen der Vorführung müssen alle Schriftstücke zu den bis dahin durchgeführten Ermittlungen vorgelegt werden. Abgeschlossen wird die Ermittlungsakte bei Vorführungen (Vorführakte) mit dem Vorführbericht. Standard ist in Haftsachen der chronologische Aufbau der Ermittlungsakte. So finden sich in der Ermittlungsakte u.a.:

 

  • Strafanzeige/Festnahmeanzeige
  • Tatortbefundbericht
  • Bildbericht
  • Spurensicherungsbericht
  • Weitergehende Ermittlungsberichte von Streifendienst und K-Wache
  • Durchsuchungsprotokoll zur Durchsuchung der Person/mitgeführter Sachen
  • Durchsuchungsbeschluss, Durchsuchungsbericht und Durchsuchungsprotokoll zur Wohnungsdurchsuchung
  • Protokolle über Blutprobenentnahme und weitere körperliche Untersuchungen
  • Protokolle der durchgeführten Zeugenvernehmungen
  • Berichte zu durchgeführten weiteren Ermittlungen der Sachbearbeitung (z.B. Recherche zu sichergestellten Gegenständen)
  • Berichte zu eventuellen Wiedererkennungsverfahren
  • Vermerke über festgestellte Tatzusammenhänge mit weiteren bislang ungeklärten Taten
  • Niederschrift über die verantwortliche Vernehmung des Beschuldigten
  • Vermerk über Haftbefehlsantrag [des Eildienstes] der Staatsanwaltschaft
  • Vorführbericht


Sichergestellte Beweismittel bzw. beschlagnahmte Beweismittel und Einziehungsgegenstände werden nicht dem Vorführvorgang beigefügt. Sie verbleiben bei der Polizei für eine weitere Auswertung/Untersuchung und werden später der zuständigen Staatsanwaltschaft übersandt, nachdem das staatsanwaltschaftliche Aktenzeichen des Ermittlungsvorgangs bekannt ist. Der Verbleibt der Asservate, sowie eine Aufstellung der Asservate muss sich aus der Vorführakte ergeben. Entsprechende Beweismittel sind zu fotografieren, die Bilder, zur Orientierung des Ermittlungsrichters, sind der Vorführakte beizufügen.

Die Masse der vorläufigen Festnahmen durch den Streifendienst erfolgen wegen Fluchtgefahr. Im Rahmen der Haftsachenbearbeitung ist zu überprüfen, ob der Haftgrund weiterhin besteht und durch Ermittlungen auch gestützt werden kann. Insbesondere „angegebene“ Wohnsitze des Beschuldigten sind genau zu überprüfen, ob es sich hierbei wirklich um einen festen Wohnsitz (mit entsprechender Bindungswirkung) handelt oder eher einen vorübergehenden Aufenthaltsort. Gleichfalls sind behauptete familiäre Bindungen und bestehende Arbeitsverhältnisse konkret zu überprüfen. Falls sich der Beschuldigte bereits früher anhängigen Strafverfahren durch Flucht entzogen haben sollte, so ist dies im Vorführbericht ebenfalls anzuführen. Häufig stellt sich bei der Auswertung der kriminalpolizeilichen Erkenntnisse heraus, dass der Beschuldigte bereits einschlägig strafrechtlich vorbelastet ist. Hier ist, soweit es sich um eine Anlasstat nach § 112a StPO handelt, der Beschuldigte auch wegen Wiederholungsgefahr vorzuführen.

Gibt es Zweifel an der geistigen Zurechnungsfähigkeit des Beschuldigten, so sollte keinesfalls der einfache Weg der einstweiligen Unterbringung der Person in eine psychiatrische Klinik durch die örtliche Ordnungsbehörde, nach dem Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (landesrechtliche Regelung NRW, andere Bundesländer haben ähnliche Regelungen) gesucht werden. In diesen Fällen ist eine einstweilige Unterbringung nach § 126a StPO zielführend, denn nur so ist gewährleistet, dass das Verfahren über die Unterbringung weiterhin in den Händen der Staatsanwaltschaft und des Ermittlungsrichters bleibt und nicht in den Händen der Ordnungsbehörde und des Familiengerichtes.

Mit der Geschäftsstelle des zuständigen Amtsgerichtes ist für die Vorführung ein Termin zu vereinbaren, um unnötige Wartezeiten zu reduzieren. Für die Fertigung des Vorführberichts gibt es kein genormtes Schema. Die Verkündung eines Untersuchungshaftbefehls erfordert den dringenden Tatverdacht gegen den Beschuldigten und das Vorliegen entsprechender Haftgründe. Im Vorführbericht sind kurz, knapp und präzise die überzeugenden Fakten für das Vorliegen der Haftgründe und des dringenden Tatverdachtes darzulegen. Bezüglich weiterer Details kann auf die jeweilige Seite der beigefügten Ermittlungsakte verwiesen werden. Es bietet sich folgender Aufbau an:

 

  • Personalien des Beschuldigten
  • Darlegung des dringenden Tatverdachts
  • Erläuterung aller in Betracht kommenden Haftgründe
  • Name des beantragenden Eildienststaatsanwalt

Abschließend sind die Dateneinträge im polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem zu ergänzen und auf Korrektheit zu überprüfen. Nach der Gesetzeslage verantwortlich für die Durchführung der freiheitsentziehenden Maßnahmen bis zur Verkündung des Haftbefehls ist die Polizei. D.h. die Polizei bleibt auch bis zur Verkündung des Haftbefehls durch den Ermittlungsrichter zuständig für die Bewachung des vorgeführten Beschuldigten. Häufig gibt es jedoch das Arrangement, dass der Beschuldigte an die Justizwachtmeisterei übergeben werden kann, durch Justizbedienstete bewacht wird und auch durch diese dann vorgeführt wird.

Kolleginnen und Kollegen des Streifendienstes sind sicherlich daran interessiert zu erfahren, was aus „ihrer Festnahme“ geworden ist. Im Interesse weiterer guter kollegialer Zusammenarbeit bietet es sich stets an, in kleineren Dienststellen hier kurz persönlich Kontakt aufzunehmen und in größeren Dienststellen eine kurze Information per E-Mail. Gerade die Erstphase der Festnahme von Tätern birgt eine Vielzahl möglicher Fehlerquellen. Hier sollte durch Ermittlungsdienststellen ein interner Dienstunterricht für interessierte Kräfte des Streifendienstes angeboten werden. Mögliche Schwachstellen und Fehler bei früheren Festnahmen können hier nur positive Lehrbeispiele sein.


Bildrechte: C. Frings (mit freundlicher Unterstützung der KTI des LKA NRW).

 

 

Anmerkungen

 

  1. Der Autor ist Kriminaldirektor und Dozent für Kriminalwissenschaften an der Hochschule für Polizei und Verwaltung Nordrhein-Westfalen, Abteilung Duisburg.
  2. § 244 Abs. 4 StGB.
  3. RdErl. des IM vom 1.1.2003 – 42 – 6410 – (SMBl. NRW. S. 293) i.d.F. vom 1.1.2011.
  4. Bundeskriminalamt (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik Bundesrepublik 1991, S. 140 (und ältere Ausgaben).
  5. Bundeskriminalamt (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik Bundesrepublik 1991, S. 140 (und ältere Ausgaben).
  6. Bundeskriminalamt (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik Bundesrepublik 2018, Band 4, V 1.0, S. 69, Abb. 4-2.7-T 02/ Landeskriminalamt (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik NRW 2015, Düsseldorf 2016, Seite 114.
  7. Bundeskriminalamt (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik Bundesrepublik 2018, Band 4, V 1.0, S. 69, Abb. 4-2.7-T 02/Landeskriminalamt (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik NRW 2015, Düsseldorf 2016, Seite 114.
  8. Bundeskriminalamt (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik Bundesrepublik 2018, Band 1, V 2.0, S. 11, Abb. 1 -2.1 – T01.
  9. Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (Hg.), Wohnungseinbruch – Eine hypothesenprüfende Strukturanalyse (Teil I), S. 6
  10. Motiv = Konzeption: Mobile Täter im Visier.
  11. Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (Hg.), Düsseldorf 2019, Sicherheit im Fokus 9/2019, S. 3.
  12. Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (Hg.), Düsseldorf 2019, Sicherheit im Fokus 9/2019, S. 3.
  13. Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (Hg.), Wohnungseinbruch – Eine hypothesenprüfende Strukturanalyse (Teil II), S. 16.
  14. Landeskriminalamt NRW (Hg.): Wohnungseinbruchdiebstahl 10 Fakten aus der Forschung, S. 13.
  15. Bundeskriminalamt Wiesbaden (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, Band 4, V 1.0, S. 75, Abb. 4 – 2.7 – T07 (und ältere Ausgaben).
  16. Bundeskriminalamt Wiesbaden (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, Band 4, V 1.0, S. 75, Abb. 4 – 2.7 – T07 (und ältere Ausgaben).
  17. Eigene Berechnung auf der Grundlage: Bundeskriminalamt Wiesbaden (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, Band 4, V 1.0, S. 75, Abb. 4 – 2.7 – T07 (und ältere Ausgaben).
  18. Landeskriminalamt NRW (Hg.): Wohnungseinbruchdiebstahl 10 Fakten aus der Forschung, S. 11.
  19. Bundeskriminalamt Wiesbaden (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, Band 4, V 1.0, S. 70, Abb. 4 – 2.7 – T03 (und ältere Ausgaben).
  20. Bundeskriminalamt Wiesbaden (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, Band 4, V 1.0, S. 71, Abb. 4 – 2.7 – T04 (und ältere Ausgaben).
  21. Bundeskriminalamt Wiesbaden (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, Band 4, V 1.0, S. 73, Abb. 4 – 2.7 – T05 Teil 1 (und ältere Ausgaben).
  22. Bundeskriminalamt Wiesbaden (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, Band 3, V 6.0, S. 129, Abb. 3 – 2.8 – T02.
  23. Bundeskriminalamt Wiesbaden (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, Band 4, V 1.0, S. 74, Abb. 4 – 2.7 – T05 Teil 1 (und ältere Ausgaben).
  24. Statistisches Bundesamt (Hg.): Statistisches Jahrbuch 2019, S. 47, Ziff. 2.3.4.
  25. Bundeskriminalamt Wiesbaden (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, Band 4, V 1.0, S. 74, Abb. 4 – 2.7 – T05 Teil 1 (und ältere Ausgaben).
  26. Bundeskriminalamt Wiesbaden (Hg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 2018; Band 4, V 2.0, S. 68.
  27. Darunter sind alle Delikte des Diebstahls und des Diebstahls unter erschwerten Umständen mit Ausnahme des Ladendiebstahls zu verstehen.
  28. Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (Hg.), 2013, Wohnungseinbruch – Eine hypothesenprüfende Strukturanalyse (Teil II), S. 16.
  29. Wirth, Kriminalistik-Lexikon, 4. Auflage 2011, S. 171.
  30. So können greifende und umfassende Werkzeuge in Nordrhein-Westfalen mit der Spurensammlung des Landeskriminalamtes abgeglichen werden.

 

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