Recht und Justiz

Upskirting – Strafbarkeit von Bildaufnahmen des Intimbereichs

Von Prof. Dr. Anja Schiemann, Münster


 

4 Strafbarkeitslücke


Die nunmehr unter Strafe gestellten Handlungen wurden zuvor durch das deutsche Strafgesetzbuch nicht ausreichend erfasst.


§ 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB – Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen – schützt nur solche Personen, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum, wie etwa einer Umkleidekabine, befinden.20 § 201a Abs. 3 StGB pönalisiert dagegen nur Nacktaufnahmen von Personen unter 18 Jahren, wobei diese im Zusammenhang mit einer kommerziellen Vermarktung stehen müssen.21 Die Herstellung von Nacktaufnahmen erwachsener Personen außerhalb des räumlichen Anwendungsbereichs des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist daher auch dann nicht gem. § 201a StGB strafbar, wenn die Aufnahmen heimlich oder gegen den Willen der betroffenen Person erfolgt sind.22


Auch eine Strafbarkeit nach dem Kunsturhebergesetz kommt in den Fällen des Upkirtings und Downblousings nicht in Betracht. Denn § 33 KUG, der die Verletzung des Rechts am eigenen Bild pönalisiert, erfasst nur Fälle, in denen der Täter entgegen §§ 22, 23 KUG ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt.23 Das bloße Herstellen oder Zugänglichmachen der Bildaufnahme für sich selbst oder einen Dritten wird gerade nicht erfasst.24


Der Straftatbestand der Beleidigung gem. § 185 StGB kommt in der Regel ebenfalls nicht in Betracht. Da § 185 StGB kein Auffangtatbestand ist,25 werden sexuelle oder sexualbezogene Handlungen und Belästigungen nur dann erfasst, wenn „besondere Umstände“ einen selbstständigen beleidigenden Charakter haben.26 Das ist in Fällen des Upskirtings und Downblousings nicht per se der Fall, da es beim heimlichen Herstellen einer Bildaufnahme gerade an einer Kundgabe gegenüber dem Opfer oder einem Dritten fehlt.27


Auch der 2016 ins StGB eingeführte Straftatbestand der sexuellen Belästigung gem. § 184i StGB greift zu kurz, da nur Fälle in Betracht kommen, in denen das Opfer in sexuell bestimmter Weise berührt wird.28 Lediglich wird in Einzelfällen eine Ordnungswidrigkeit nach § 118 OWiG wegen Belästigung der Allgemeinheit in Betracht kommen.29


Trotz festgestellter Strafbarkeitslücken ist es eine ganz andere Frage, ob diese Lücken durch eine Strafvorschrift zu schließen sind. Der ultima-ratio-Gedanke im Strafrecht und dessen „fragmentarischer Charakter“30 führen dazu, dass Regelverstößen schon ein gewisses Gewicht zukommen muss, um sie mit dem scharfen Schwert des Strafrechts zu sanktionieren.31 Während sich im Regierungsentwurf lediglich der Hinweis auf „Schutzlücken“ findet,32 enthält die Bundesratsdrucksache folgende Begründung: „Mit einer das Phänomen des ‚Upskritings‘ erfassenden Strafnorm kann und soll erreicht werden, dass

 

  • das Unrecht derartiger Taten in das Bewusstsein der Bevölkerung gebracht wird,
  • potentielle Täter abgeschreckt werden,
  • ein wirksamerer Schutz der Opfer bewirkt wird und
  • Täter auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können“.33


Des Weiteren wird gesetzgeberischer Handlungsbedarf gesehen, weil sich das Verhalten der Täter als massiver Eingriff in die Intimsphäre der Opfer und als Verletzung von deren Recht auf sexuelle Selbstbestimmung darstelle. Die Opfer könnten sich häufig nur unzureichend gegen derartige Verhaltensweisen wehren. Auch der Unrechtsgehalt des Upskirtings stehe anderen bereits nach geltendem Recht strafbaren Verhaltensweisen in nichts nach.34


Die im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am 27.5.2020 angehörten Sachverständigen waren sich ebenfalls darüber einig, dass das Upskirting eine strafwürdige Verhaltensweise darstellt. Uneinig war man sich lediglich darüber, unter welchen Abschnitt des Strafgesetzbuchs ein entsprechender Straftatbestand zu fassen und wie er im Einzelnen auszugestalten ist.35 Letztlich entschloss sich der Gesetzgeber gegen eine Lösung im Rahmen des § 201a StGB36 und für einen eigenständigen Straftatbestand § 184k StGB.37

 

5 Der Straftatbestand

 

5.1 Schutzgut und Regelungsinhalt

 

Da durch den neuen Straftatbestand sowohl der Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs als auch das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung betroffen sind,38 ist eine eindeutige Zuordnung zum 13. Abschnitt (Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung) oder 15. Abschnitt (Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs) nicht möglich. Insofern war es grundsätzlich zulässig, das Upskirting in den Straftatbestand des § 201a StGB zu integrieren oder einen eigenständigen § 184k StGB einzufügen.39 Die Meinung der Sachverständigen war hier durchaus geteilt, welche Lösung die bessere ist.40 Der Gesetzgeber entschloss sich für eine Strafnorm im 13. Abschnitt des StGB. Zwar verletze das Fehlverhalten auch das Recht der betroffenen Personen am eigenen Bild. Im Vordergrund stehe aber gerade auch für die Betroffenen selbst die Verletzung ihres sexuellen Selbstbestimmungsrechts. Denn der Täter verschaffe sich über die Bildaufnahme visuellen Zugriff auf den körperlichen Intimbereich, der typischerweise der Sexualsphäre zuzuordnen sei. Die Einstufung als Sexualdelikt entspräche daher dem Opferinteresse.41


Der neue Straftatbestand lautet wie folgt:


㤠184k РVerletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer


1. absichtlich oder wissentlich von den Genitalien, dem Gesäß, der weiblichen Brust oder der diese Körperteile bedeckenden Unterwäsche einer anderen Person unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt, soweit diese Bereiche gegen Anblick geschützt sind,


2. eine durch eine Tat nach Nummer 1 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht oder


3. eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in den Nummer 1 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht.


(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.


(3) Absatz 1 gilt nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen.


(4) Die Bildträger sowie Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.“42