Wissenschaft  und Forschung

Cybercrime aus Sicht der Aus- und Fortbildung der Polizei

Von Gerrit Domenghino LL.M., Münster

3.2 Bachelor-Studium Kriminalpolizei

Im Dezember 2009 erfolgte erstmals die Akkreditierung für den dualen Bachelor-Studiengang Kriminalvollzugsdienst des Fachbereiches Kriminalpolizei der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung,18 über den ein Direkteinstieg als Kriminalkommissar beim Bundeskriminalamt (BKA) möglich wurde. Ergänzend zu den unter anderem kriminal- und rechtswissenschaftlichen Studieninhalten sind polizeispezifische Trainings wie Sprachausbildung, Einsatztraining und Dienstkunde vorgesehen. Obwohl es sich um einen kriminalwissenschaftlich ausgerichteten Studiengang handelt, erfolgt erst im vierten Semester in einem Modul die Auseinandersetzung mit der polizeilichen Informationserhebung und -verwendung und dem Phänomen Cybercrime. In einer insgesamt 240 LVS umfassenden Einheit sollen die Studierenden das Phänomen in kriminologischer und strafrechtlicher Hinsicht begreifen und dazu befähigt werden, (kriminal-)polizeiliche Informationsgewinnungs- und -verwendungsmaßnahmen sowie Ermittlungshandeln im Bereich Cybercrime zu gestalten. Dafür werden ihnen u.a. Grundlagenwissen zu den (informations-)technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie besondere verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere bei verdeckter Überwachung, als auch die einschlägigen Rechtsgrundlagen im Strafverfahrens- und Gefahrenabwehrrecht vermittelt. Dadurch sollen die Studierenden Cybercrime aus kriminologischer und strafrechtlicher Sicht begreifen. Nicht zuletzt geht es in dem Studium darum, polizeipraktische und taktische Aspekte sowie klassische und neuartige Maßnahmen und Methoden, sowohl der verdeckten technischen und personalen Überwachung als auch sonstiger Informationserhebung im Zusammenhang mit der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnik, zu erlenen.19 Eine Besonderheit des Studiengangs ist es, dass Bewerber, die bereits über einen Bachelorabschluss verfügen, die Laufbahnausbildung auf 24 Monate verkürzen können. Bei erfolgreichem Abschluss können die Kriminalkommissare bei den Ermittlungen gegen organisierte Kriminelle oder den Terrorismus, dem Auswerten von Informationen und bei der Zusammenarbeit mit anderen Polizeibehörden weltweit eingesetzt werden.


Auch in Hessen wurde die Notwendigkeit einer Gewinnung von Fachkräften durch eine spezialisierte Ausbildung der angehenden Kollegen erkannt und neben dem 2006 an der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung eingeführten dualen Studium „Kriminalpolizei“, der den Direkteinstieg in die Kriminalpolizei ermöglicht, zum Wintersemester dieses Jahres erstmals die Vertiefungsrichtung „Cyberkriminalistik“ angeboten. Das Curriculum sieht vor, dass die Studierenden nicht nur die besondere Bedrohung durch Cyberkriminalität und ihre unterschiedlichen Erscheinungsformen verstehen, sondern auch die einschlägigen Normen des Strafgesetzbuches in Bezug auf Cyberkriminalität kennen und anwenden können. Auch die digitale Ermittlung, das Erfassen und forensische Auswerten von digitalen Spuren, OSINT-Ermittlungen20 sowie die Erfassung und Auswertung von Standortdaten im Rahmen der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren sollen den angehenden Kriminalkommissaren vermittelt werden.21 Erstaunlicherweise war die Nachfrage für diesen Studiengang so gering, dass er entgegen der eigentlichen Planung nicht im Oktober 2020 starten konnte; zum Sommersemester 2021 wird der Studiengang jedoch wieder angeboten werden.

3.3 Spezialisierung zum Cyberkriminalisten

Bei der Bekämpfung von Cyberkriminalität kann ein durchschnittlich geschulter PVB an die Grenzen seines informationstechnischen Wissens geraten. Regelmäßig erfordert die Bearbeitung der Fälle sowohl besonderes IT-Fachwissen als auch besondere technische Beweisführungsmethoden. Denn neben der Sicherung digitaler Spuren und der forensischen Untersuchung von IT-Systemen sollen die Mitarbeiter auch die Aufbereitung und möglicherweise Dekryptierung von gesicherten Daten vornehmen können. Infolge dieser Herausforderungen wurde auf Bundesebene und in einigen Ländern eine Sonderlaufbahn im gehobenen Dienst für Cyberkriminalisten geschaffen.


Um der Kriminalität im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik (IuK) effektiv und effizient zu begegnen, wurden im Herbst 2018 erstmals in einem Pilotprojekt sieben Cyber-Kriminalisten beim BKA eingestellt. Das BKA ist gewillt auch auf diesem Wege seinen Bedarf an Fachkräften zu decken und sucht zur Bekämpfung der Computer- und Internetkriminalität Absolventen mit einem Bachelor-Abschluss der Informatik, Physik, Mathematik oder vergleichbarer (informations-)technischer/naturwissenschaftlicher Fachrichtungen, die dann beispielsweise über Kenntnisse in den Bereichen praktischer Informatik, Scripting und Programmierung, Verschlüsselungstechnologien oder der Analyse und Abwehr von Netzwerkangriffen verfügen sollen.22 In einer 20-monatigen Qualifizierungsmaßnahme werden die Teilnehmer in Theorie und Praxis für den gehobenen Kriminaldienst ausgebildet und durchlaufen dabei ein Einsatz- und Schießtraining, Schulungen im Bereich der Rechtswissenschaften, Kriminalwissenschaften, Dienstkunde und eine Sprachausbildung, begleitet von Praxiszeiten in den entsprechenden Fachabteilungen.23 Das Aufgabenspektrum der Cyber-Kriminalisten umfasst in der späteren Verwendung die gesamte Bandbreite eigenständiger kriminalpolizeilicher Sachbearbeitung in den Fachabteilungen des BKA. Dazu zählen das Aufklären von Hackerangriffen, Betrugsdelikte im Internet und andere Computerstraftaten, forensische Ermittlung und Auswertung digitaler Spuren, Ermittlungen gegen organisierte Kriminelle oder Terroristen und Informationsauswertung und -analyse.24 Eine vergleichbare Qualifizierungsmaßnahme gibt es in Baden-Württemberg, wo im April 2018 eine Sonderlaufbahn für den höheren Dienst der Cyberkriminalisten eingerichtet wurde, welche Beamten des gehobenen Dienstes der Cyberkriminalisten, die zusätzlich einen Masterabschluss in einer für den Bereich Cybercrime geeigneten Fachrichtung25 erlangt haben, unter Erfüllung enger Voraussetzungen den Aufstieg in den höheren Polizeivollzugsdienst ermöglicht. Durch den Aufstieg können die Cyberkriminalisten in regionalen Polizeipräsidien als Referenten oder Leiter der Kriminalinspektion fungieren, im Landeskriminalamt die Leitung von Inspektionen im Bereich Cybercrime übernehmen oder an der HfPolBW als Dozent im Institutsbereich Cybercrime des Instituts für Fortbildung lehren.26 Ergänzend zu den bisherigen Qualifizierungsmaßnahmen wird es ab dem Wintersemester 2020/2021 in der Ausbildung des gPVD einen Studienzug „IT-Ermittlungen/IT-Auswertungen“ geben, in welchem umfangreiche dv-technische Inhalte vermittelt werden, und der aufgrund der großen Nachfrage schon jetzt sicher zustande kommen wird. Auch in Sachsen wurde vor wenigen Jahren ein spezieller Ausbildungsgang geschaffen, der Absolventen mit einem Bachelor-Abschluss im IT-Bereich über einen zwölfmonatigen Vorbereitungsdienst den Einstieg im Bereich des Computer- und Internetkriminalitätsdienst des gehobenen PVD eröffnet.