Wissenschaft  und Forschung

Cybercrime aus Sicht der Aus- und Fortbildung der Polizei

Von Gerrit Domenghino LL.M., Münster

3.1 Bachelor-Studium Polizeivollzugsdienst

Der Grundstein für die Bekämpfung der Cyberkriminalität wird in der Ausbildung der Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten (PVB) gelegt, die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ist. In Nordrhein-Westfalen erfolgt der Einstieg in den Polizeidienst in den gehobenen Dienst über ein dreijähriges duales Studium. In diesem werden den angehenden Kommissaren an der Hochschule für Polizei und Verwaltung (HSPV), dem Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei (LAFP) und den Kreispolizeibehörden in einem Dreischritt – Theorie lernen, durch Training vertiefen und in der Praxis anwenden – die nötigen Inhalte vermittelt. Im Modulhandbuch des Studiums ist das Thema Cybercrime nicht explizit vorgesehen, dennoch hat das Thema bereits seit mehreren Jahren Einzug in die Aus- und Fortbildung in NRW gehalten und ist entsprechend der allgemeinen Digitalisierung auch nicht mehr aus der Ausbildung wegzudenken. Aus diesem Grunde werden den Studierenden für die Tätigkeit im Wach- und Wechseldienst über zehn Lehrveranstaltungsstunden13 (LVS) durch fachlich versierte Dozenten Basiskompetenzen im Zusammenhang mit Cybercrime vermittelt, zu denen u.a. die Besonderheiten bei der Anzeigenaufnahme, dem Ersten Angriff sowie der Anschlussinhaberfeststellung und der Ermittlung von IP-Adressen zählen.14


Etwas differenzierter hat sich beispielsweise die Hochschule für Polizei Baden-Württemberg (HfPolBW) der Cyberkriminalität angenommen,15 bei der Cybercrime in der Ausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst (mPVD) als eigenständiges Thema sowohl in den Lehrplänen für den mPVD, als auch im Lehrplan zur Vorausbildung des gehobenen Polizeivollzugsdienstes (gPVD) verortet ist. In der Ausbildung der mPVD wird das Thema „Computer- und Internetkriminalität, Cybercrime“ im Abschlusskurs des Moduls „Ausgewählte Erscheinungsformen der Kriminalität“ behandelt, in dem eine Lernanwendung „Ersteinschreiter Cybercrime – Grundlagenwissen für Ersteinschreiter“ enthalten ist. In der Vorausbildung zum gPVD wird den Teilnehmern in einem vierstündigen Seminar das erforderliche Grundlagenwissen eines „Polizeilichen Sachbearbeiters als Ersteinschreiter“ vermittelt. Primäres Ziel der Ausbildung ist die Vermittlung von Erst- und Sofortmaßnahmen, die vom Streifendienst im Rahmen des Ersteinschreitens gemeistert werden sollen. Dazu gehört der Sicherungsangriff bei Delikten, bei denen Informations- oder Kommunikationsmedien eingesetzt wurden, und die Einleitung aller unaufschiebbaren Maßnahmen, die zur Aufklärung der Straftat notwendig erscheinen. Des Weiteren werden den Anwärtern in den Rechtsfächern die wichtigsten Eingriffsnormen unter Berücksichtigung des Telekommunikationsgesetzes, des Telemediengesetzes, der Strafprozessordnung und des Strafgesetzbuches vermittelt. Darauf aufbauend liegt im Fach Kriminalistik der Fokus auf den Ermittlungsmöglichkeiten und dem Ersten Angriff, der den fachgerechten Abbau von PC-Anlagen oder die Sicherung von Smartphones beinhaltet. Schließlich werden in dem Bereich „Information und Kommunikation“ eine weitere Sensibilisierung für das Thema angestrebt und Kenntnisse zum Umgang mit Informationsquellen wie Polizei-Online und Extrapol vermittelt. Der Schwerpunkt liegt hier jedoch auf dem Erlernen von speziellem Grundlagenwissen, um beispielsweise durch die Verfolgung von IP-Adressen und E-Mail-Header16 und die Recherche im Intra-/und Internet Cyberkriminalität zu verfolgen und zu bekämpfen. Mittelfristig wird durch eine verstärkte Schwerpunktsetzung im Themenfeld Cybercrime in der Ausbildung des mPVD und des gPVD angestrebt, so dass die Absolventen die Qualifikation eines Sachbearbeiters der Ebene 2 vorweisen können, die derzeit erst noch in Fortbildungen vermittelt wird.


In Sachsen wird in der Ausbildung des gPVD an der Hochschule der Sächsischen Polizei neben den obligatorischen Pflichtmodulen ein Wahlpflichtmodul „Cybercrime“ angeboten und dadurch eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Kriminalitätsfeld ermöglicht. Die Studierenden vertiefen in dem Modul ihr zuvor im Studium erlangtes Grundwissen zum Themenkomplex „Straftaten im Zusammenhang mit dem Internet“ und erweitern ihre Kenntnisse über Phänomene sowie Modi Operandi im Bereich Cybercrime. Sie lernen, welche ermittlungsrelevanten Informationen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik anfallen, und wie diese technisch erlangt beziehungsweise gesichert werden können. Des Weiteren bekommen sie einen Überblick über ermittlungstechnische Möglichkeiten im Bereich Cybercrime und erlernen grundlegende Techniken zu Ermittlungen im Internet und der Auswertung der Ergebnisse.17 Dafür setzen sich die Studierenden in insgesamt 100 Stunden Kontakt- und Selbststudium u.a. mit Schadsoftware, Botnetzen, dem Aufbau und den Ermittlungen im „Darknet“ sowie Grundlagen der IT-Forensik, inklusive dem Kennenlernen der polizeilichen forensischen Sicherungs- und Auswertetools, auseinander. Sie erlangen Kenntnisse über den verdeckten Zugriff auf informationstechnische Systeme, Quellen-TKÜ, Server-TKÜ, mobile Funkaufklärung und IP-Tracking, einschließlich der Grundsätze der Vorbereitung und Durchführung entsprechender Maßnahmen. Abgerundet wird das Wahlpflichtmodul durch technische Aspekte der IuK-Tatortarbeit, z.B. Besonderheiten bei der Durchführung von Durchsuchungen, und können im Rahmen von Einsatzhospitationen Praxiserfahrung sammeln.


Dieser kleine Einblick in die Integration der Thematik Cybercrime in der Ausbildung der PVB zeigt, dass es einen unterschiedlichen Stand in den Ländern gibt. Hier könnte der „Blick über den Tellerrand“ gewinnbringend für alle Beteiligte sein, da die Herausforderung für die Sicherheitsbehörden ähnlich sind und eine Kooperation bei der Entwicklung von Ausbildungsinhalten Synergieeffekte ergeben könnte.