Recht und Justiz

Das neue Recht der Vermögensabschöpfung

Auswirkungen auf die tägliche Ermittlungsarbeit (Teil 3)

7.3 Einziehung und Ordnungswidrigkeitenrecht

Die ebenfalls zum 1.7.2017 in Kraft getretene Vorschrift des § 29a OWiG entspricht – bis auf die nachfolgenden Ausnahmen – weitgehend dem Regelungsinhalt der §§ 73c, 73d StGB: Die Einziehung ist nur zulässig, wenn wegen der Ordnungswidrigkeit gegen den Einziehungsadressaten kein Bußgeld verhängt wird, beispielsweise nach Verfahrenseinstellung gemäß § 47 OWiG.
Die Einziehung des „erlangten Etwas“ i.S.d. § 73 StGB ist im Ordnungswidrigkeitenrecht nicht möglich. Es steht – neben der Einziehung von gefährlichen Gegenständen nach § 22 OWiG – lediglich die Einziehung des Wertersatzes nach § 25 OWiG (i.V.m. § 29a OWiG) zur Verfügung.
Unter den Voraussetzungen des § 29a Abs. 2 OWiG ist eine Einziehung des Wertes des Erlangten auch bei einem Dritten möglich. Wird gegen den Täter ein Bußgeld verhängt (z.B. Speditionsfahrer), erfolgt die Einziehungsanordnung gegen den Dritten in einem einheitlichen Verfahren (§§ 87, 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 444, 424 StPO).

Fall: „Der übergewichtige Lkw“

Die Autobahnpolizei stellt anlässlich einer Fahrzeugkontrolle auf einer BAB fest, dass der von L gelenkte Lkw der Fa. K überladen war. Das zulässige Gesamtgewicht von 40t war um 75% überschritten worden. Die vorgesehene Fahrtstrecke betrug 3.000 km, die Ladung umfasste 47t. Was darf bei wem abgeschöpft werden?
Die Abschöpfung des Wertersatzes (ersparte Aufwendungen, da K auf den Einsatz eines zweiten Lkw verzichten konnte) richtet sich nach § 29a OWiG gg. die Fa. K. Dies ist dann möglich, wenn das Bußgeldverfahren gegen den L eingestellt wird (hier: § 47 Abs. 1 OWiG), vgl. § 29a Abs. 5 OWiG. Ausgehend von einem – nach § 29a Abs. 4 OWiG mit Hilfe von Marktvergleichen geschätzter – km-Satz von 1,25 EUR kann im Rahmen eines selbständigen Einziehungsverfahrens gegen K als Dritte nach § 29a Abs. 2 StPO eine Wertersatzeinziehung in Höhe von 3.750 EUR erfolgen.
Anders als im Strafrecht (vgl. §§ 73 ff. StGB) steht die Anordnung einer Einziehung im Ermessen der Bußgeldstelle („kann“). Eine Schätzung ist auch hier zulässig, § 29a Abs. 4 OWiG. Die Rückausnahmevorschrift des § 73d Abs. 1 S. 2 StGB (Abzugsfähigkeit des durch Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete) findet sich im § 29a Abs. 3 OWiG im Übrigen nicht wieder.

8 Konsequenzen für die tägliche Ermittlungsarbeit (§§ 111b ff. StPO)

8.1 Vorbemerkung

Neben der Ermittlung möglicher Einziehungsgrundlagen besteht oftmals das Bedürfnis, den staatlichen Einziehungsanspruch zu einem möglichst frühen Zeitpunkt im Ermittlungsverfahren10 zur Vermeidung von Verdunklungs- bzw. Vereitelungshandlungen des Täters – zumindest vorläufig – zu sichern. Zu dem Zweck hat der Gesetzgeber mit der Gesetzesreform nicht nur die §§ 73 ff. StGB grundlegend reformiert, sondern auch die begleitenden prozessualen Regelungen der §§ 111b ff. StPO neu strukturiert. Man sollte sich durch die zahlreichen Vorschriften der § 111b – 111q StPO nicht abschrecken lassen: Bereits auf dem ersten Blick ist erkennbar, dass die Normen handhabbarer geworden sind: §§ 111b – 111d regeln die Beschlagnahme, §§ 111e – 111h den Vermögensarrest; die jeweiligen Anordnungskompetenzen und das weitere Verfahren ergeben sich aus den §§ 111j – 111p StPO. Darüber hinaus enthalten §§ 111b ff. StPO Sondervorschriften zum Insolvenzverfahren (§ 111i) und zur Beschlagnahme von Schriften nebst ihren Vorrichtungen (§ 111q).
Während in §§ 94 – 98 StPO die Sicherstellung von Beweismitteln geregelt ist, ermöglichen die §§ 111b ff. StPO die Sicherung mutmaßlich durch eine Straftat erlangter Vermögenswerte. Die Entscheidung vor Ort, ob es sich bei dem aufgefundenen Gegenstand entweder um ein Beweismittel (d.h. zumindest mittelbar für die Tat oder die Umstände ihrer Begehung beweiserheblich) oder aber um einen Einziehungsgegenstand handelt, ist sicherlich nicht immer leicht, zumal die Sicherstellung nach §§ 94 ff. StPO sowie die Beschlagnahme nach §§ 111b ff. StPO eigenständig nebeneinander stehen11. Tröstlich: Hier besteht ein recht weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum. Beides ist nur eingeschränkt richterlich überprüfbar.

Fall: Der vermeintlich herrenlose Alfa

I.Z.m. mehreren Automatenaufbrüchen und Tankbetrügereien fiel immer wieder ein schicker Alfa 156 mit auffällig gelber Lederausstattung und wechselndem Kennzeichen im Raum Alzey auf. Anlässlich einer nächtlichen Streife bemerkt der Polizeibeamte P in Bad Kreuznach (20 km von Alzey) gegen 02.00 Uhr einen solchen Wagen, der am Straßenrand geparkt und mit abgestempelten Kennzeichen versehen war. Er ruft den zuständigen Bereitschaftsstaatsanwalt an und bittet um Entscheidung. Dieser – gerade frisch geweckt – stammelt etwas von Beschlagnahme.
Hier kommen mehrere Eingriffsgrundlagen in Betracht: Zur Identifizierung des Fahrers (mögliche Tatbeute im Kofferraum? Fingerabdrücke u.ä.) eine Sicherstellung des Fahrzeugs nach § 94 StPO unter Beachtung des § 98 Abs. 1 StPO (Gefahr im Verzug); daneben eine vorläufige Beschlagnahme nach § 111b StPO, da der Alfa als Tatmittel der Einziehung nach § 74 Abs. 1 StGB unterliegen kann. Der Vorteil gegenüber der Maßnahme nach § 94 ff. StPO liegt darin, dass mit der förmlichen Beschlagnahme ein relatives Veräußerungsverbot entsteht, § 111d Abs. 1 StPO.