Aus- und Fortbildung

„Wir müssen der Ort sein, an dem auch unbequeme Fragen zur Entwicklung der Polizei diskutiert werden“

Gespräch mit Hans-Jürgen Lange, Präsident der DHPol

Kriminalpolizei: Hat sich diese Arbeitsteilung in der Hochschulleitung bewährt? Sie ist für die DHPol ja neu und für eine Polizeieinrichtung eher ungewohnt.

Prof. Lange: Sie hat sich wunderbar bewährt. Mit dem bisherigen Vizepräsidenten, Herrn Zeiser, der uns aufgrund einer neuen Verwendung in seinem Bundesland leider verlassen hat, konnten wir so beide Themenfelder, die bundesdeutschen wie die internationalen, insbesondere die europäischen Belange, sehr gut abdecken. Von daher werden wir diese Arbeitsteilung fortsetzen. Die Stelle des Vizepräsidenten wurde entsprechend so neu ausgeschrieben.

Kriminalpolizei: Sie sind seit dem 1. Juli 2014 Präsident der DHPol und haben dafür den Lehrstuhl für Politikwissenschaft, Sicherheitsforschung und Sicherheitsmanagement sowie die Tätigkeit als Dekan an der Universität Witten/Herdecke aufgegeben. Haben Sie diese Entscheidung in den zurückliegenden Jahren schon einmal bedauert?

Prof. Lange: Nein. Ich habe mich an der Universität Witten/Herdecke sehr wohl gefühlt. Es ist eine sehr lebendige Universität. Ich habe dort neben dem Lehrstuhl die kulturwissenschaftliche Fakultät geleitet, die auch das Studium fundamentale der Uni bereitstellt. Mein Wechsel von Witten nach Münster bot mir die Gelegenheit, wieder wesentlich stärker in meinem Schwerpunkt der Polizei- und Sicherheitsforschung, ein Thema, das mich seit meiner Habilitation nicht mehr loslässt, tätig und wirksam zu sein. Das macht mir viel Freude. Ein wenig bedauere ich, dass es schon rein zeitlich nicht möglich ist, ein Studium fundamentale an der DHPol einzuführen, wie ich es in Witten schätzen gelernt habe. Es besteht dort aus geistes-, kultur- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächern, die jeder Studierende im Umfang von 10 % seines Studiums studiert. Es trägt zu einer höheren Lebens- und Berufszufriedenheit auch schon im Studium bei. Jedoch kostet es auch Zeit und ich habe an der DHPol die Verantwortung dafür, die Polizisten punktgenau in zwei Jahren zu einem Masterabschluss zu führen, der sie auf eine Führungsposition in der Polizei vorbereitet.

Kriminalpolizei: Worin unterscheidet sich Ihre zurückliegende Tätigkeit von Ihrer jetzigen Funktion an der DHPol?

Prof. Lange: In Witten war ich als Dekan zuständig für eine Fakultät. Das bedeutet auch, in der Universität mit den anderen Fakultäten um die spezielle Förderung der eigenen Fakultät zu ringen. Im Falle des Nicht-Gelingens kann man dann immer gut die Hochschulleitung dafür verantwortlich machen, dass etwas schlecht gelaufen ist. (… lacht). Das geht jetzt nicht mehr. Als Präsident bin ich oft in der Situation, Nein sagen zu müssen, weil die Pläne der Hochschule andere sind oder die Ressourcen nicht ausreichen, um eine neue Idee umzusetzen. Und diejenigen, zu denen ich Nein sage, finden das gar nicht gut. Das ist manchmal schwer. Und man trägt die Verantwortung für alles, auch wenn man persönlich gar nicht beteiligt war. Unterm Strich gleicht es sich aber wieder aus, weil natürlich ein beachtlicher Gestaltungsspielraum besteht. Und den nutze ich gern.

Kriminalpolizei: Sie waren in der Vergangenheit nicht nur als Lehrender, sondern auch in der Forschung, im Schrifttum und als Gutachter in Akkreditierungsverfahren mit polizeilichem Bezug aktiv. Lassen Ihre aktuellen Aufgaben diese Tätigkeiten überhaupt noch zu?

Prof. Lange: Für Vorträge und Publikationen ja. Für Forschungsprojekte und Lehre nein. Gutachten für Akkreditierungen nehme ich nicht mehr an. Es entstünde hier ein Interessenkonflikt, weil ich ja im Rahmen meiner DHPol-Tätigkeit mit den Hochschulen der Polizeien der Länder und des Bundes zusammenarbeite. Dann kann ich nach meiner Überzeugung nicht über diese Einrichtungen neutral gutachten.

Kriminalpolizei: Eine letzte Frage: Was wünschen Sie sich für die DHPol und für sich persönlich in Ihrer zweiten Amtszeit, die am 1. Juli beginnt?

Prof. Lange:Für die DHPol: Dass wir unbequemer werden. Wir sind ja daran interessiert, die weitere Entwicklung im Konsens voranzutreiben. Dazu stehe ich. Es ist aus den genannten Gründen notwendig. Und es gelingt ja auch. Wir müssen aber zugleich der Ort sein, an dem auch unbequeme Fragen zur Entwicklung der Polizei diskutiert werden, auch kontrovers. Das ist für die Polizeikultur aber noch ungewohnt. Kritik, gerade wenn sie von Wissenschaftlern formuliert wird, vor allem wenn sie an polizeilichen Hochschulen arbeiten, wird immer noch sehr schnell als „Angriff“ missverstanden. Wenn wir als DHPol und als Universität aber nicht der Ort sind, an dem kritische Befunde vorgelegt und diskutiert werden können, wo soll das sonst geschehen? Kritik darf nicht immer etwas sein, was nur von außen kommt. Wir sind eine Polizei und dazu gehört auch die Wissenschaft, etwas, auf das man auch stolz sein kann. Es sollte aber dabei auch akzeptiert werden, dass wir als Hochschule nicht nur Teil der Polizei sind, sondern auch des Wissenschaftssystems. Wir müssen also den Standards von zwei Bezugssystemen gerecht werden – der Polizei und der Wissenschaft.



Für mich: Ich wünsche mir, dass es mir weiterhin gelingt, diese hybride Rolle der DHPol zu vermitteln. Und in den Bereichen, wo mir es noch nicht gelungen ist, es in Zukunft besser zu machen. Und ich hoffe, auch weiterhin innerhalb und außerhalb der DHPol die Unterstützung zu finden, um die Zielsetzung einer DHPol als ein neues Modell einer Universität, die die Balance zwischen Polizei und Wissenschaft, zwischen Praxis und Theorie hält, erfolgreich und dauerhaft umsetzen zu können.

Sehr geehrter Herr Prof. Lange, ich bedanke mich für das Gespräch und wünsche Ihnen für Ihre anspruchsvollen Aufgaben und Ihre persönlichen Ziele viel Erfolg sowie stets eine glückliche Hand.

Eine etwas kürzere Fassung des Interviews lesen Sie in der Printausgabe der Kriminalpolizei 2/2019, S. 28 ff.

Bildrechte (Porträt und Campus): DHPol.